Wohnungswirtschaft installierte Videokameras in der Gubener Straße 1 / Laut Datenschutz ist das unzulässig
(MOZ, 6.4, Margit Höfer im Frankfurter Stadtbote) Dass Menschen mit Videokameras überwacht werden, ist fast schon normal. Wer
den Schalterraum einer Bank betritt, der ist auf dem Film, auch in
Kaufhäusern laufen rund um die Uhr Kameras. Ebenso an Tankstellen, an denen verhindert
werden soll, dass Autofahrer ohne zu zahlen davonfahren. Und im
Big-Brother-Container lassen sich Menschen freiwillig rund um die Uhr beobachten.
Dennoch
ungewöhnlich ist die Initiative der Wohnungswirtschaft (Wowi), die ihre
Mieter im Fahrstuhl und im Erdgeschoss der Gubener Straße 1 überwacht.
Brandenburgs Datenschützer meinen, dass dies unzulässig ist.
Seit knapp einer Woche sind in der Gubener Straße 1 vier Kameras
installiert. Je eine in den Fahrstühlen uns zwei im Eingangsbereich des Hochhauses
mitten in der Stadt. Ein gelbes Schild an der Eingangstür informiert darüber. 2003
hat die Wowi die Fahrstühle erneuert und den Flur gestrichen. “Wir wollen,
dass diese Investition erhalten bleibt und haben desshalb in diesem
15-Geschosser ein Pilotprojekt gestartet”, erklärt Dietmar Dietrich, Leiter
Gebäudewirtschaft in der Wowi.
Eine halbe Millionen Euro hat das Unternehmen für die neuen Fahrstühle und
die Renovierung ausgegeben. Was die Kameras gekostet haben, will Dietrich
nicht verraten, sagt nur soviel: “Wir gehen davon aus, dass sich die Einbaukosten
der Kameras innerhalb eines Jahres durch die Einsparungen für die
Beseitigung von Sachschäden refinanziert haben.”
Wegen möglicher Randalierer wurden die Kameras auch eingebaut. Nicht etwa,
um den Familienstreit hautnah miterleben zu können oder zu schauen, was
Mieterin X in ihrem Einkaufsbeutel nach oben fährt, sondern um zu verhindern, dass
die Wände angesprüht, zerkratzt, zertreten und zerstört werden. Zwar sei das
Hochhaus nicht der Schwerpunkt für solche Angriffe, aber immer wieder auch
selbigen ausgesetzt. Ein halbes Jahr will sich die Wowi zeit lassen, das
Pilotprojekt testen und dann entscheiden, ob auch in anderen Wohnhäusern Kameras
installiert werden.
Über mehrere Tage hinweg reichen die Filmbänder, die, sollte nichts
kaputtgegangen sein, sich automatisch überspielen. Passiert doch etwas, kann das
Material sofort ausgewertet und der Täter möglicherweise erkannt werden. “Die
Filme werden nicht eingelagert”, versichert Dietrich. Widerstand durch die
Mieter, die in den 90 Wohnungen leben, soll es laut Dietrich keinen geben. “Im
Gegenteil. Wir haben unsere Mieter schriftlich informiert und waren an zwei
Tagen vor Ort, um eventuelle Probleme zu klären. Die Resonanz war überwiegend
positiv. Es wurden sogar Vorschläge gemacht, noch mehr Kameras, etwa im
Fahradkeller, zu installieren”, erklärt der Wowi-Mitarbeiter.
Während Dietmar Dietrich betont, dass es kein Problem mit dem Datenschutz
gibt, sehen das Hartmut Höhne vom Mieterverein und Kurt Urban,
stellvertretender Datenschutzbeauftragter des Landes Brandenburg, jedoch anders. Für
Höhne
ist die Überwachung “ganz klar eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes. Ich
denke, die Wowi steht dort auf schwankendem Boden und wird — sollte sich ein
Mieter oder Besucher beschweren — die Kameras wieder abbauen müssen.” Höhne
bezieht sich dabei auch auf ein Gerichtsurteil des Landgerichts Berlin vom
31.Oktober 2000. “Die Überwachung des Eingangsbereichs eines Miethauses durch
Videokameras stellt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes der Mieter dar,
auch wenn die Videoüberwachung nur installiert wurde, um Sachbeschädigungen
und beleidigende Schmierereien an der hauswand zu verhindern”, heißt es im
Urteil.
Wenn heute dieser Beitrag veröffentlicht wird, dann will auch Datenschützer
Kurt Urban aktiv werden. “Eine prophylaktische Videoaufzeichnung in
Wohnbereichen ist unzulässig und auch abzulehnen”, stellt er ganz klar fest. Auch wenn
alle Mieter des Hauses damit einverstanden wären, was bei 90 Wohnungen kaum
denkbar ist, dann könnten sich Besucher belästigt fühlen. Denn auch die
Rechte Dritter würden durch die Überwachung berührt.
Einzige Chance für die Wowi, Schmierer und Randalierer zu fassen, wäre, dass
sie einen Wachschutz einsetzt. Wenn der beobachtet, das jemand etwas
zerstört, könnte er genau in diesem Augenblick die Videokamera anschalten. „In
Hamburg wurde ein Kinderspielplatz per Kamera überwacht. Eltern fanden die
Aktion gut, andere Besucher nicht, also mussten die Kameras demontiert
werden,“ nennt Kurt Urban ein Beispiel.
Bei der Wohnbau, die 2003 mehr als 102 000 Euro für die Beseitigung
mutwilliger Zerstörungen aufbringen musste, setzt man mehr auf den Dialog als auf
Überwachung. „Wir haben gute Erfahrungen gemacht, wenn junge und alte
Mieter gemeinsam ihr Haus in Ordnung bringen und Malern. Die Achtung der Jüngeren
vor dem Geschaffenen ist groß. Dort geht nichts kaputt. „Dafür machen
uns die Hauswand-Sprayer das Leben schwer“ so Wohnbau-Sprecherin
Martina Mucker.