(PNN, 31.1.) Innenstadt — Am 31. Januar unterzeichnete Generalfeldmarschall Paulus in Stalingrad
die bedingungslose Kapitulation der 6. deutschen Armee. Auch in diesem Jahr gedachte
die antifaschistische Jugendgruppe „progress“ des Sieges der Roten Armee in
dieser mörderischen Schlacht. Am sowjetischen Ehrenfriedhof Bassinplatz hatten sich
dazu gestern Nachmittag neben gut 20 Schülern und Studenten der Gruppe auch einige
in Potsdam lebende russische Staatsbürger eingefunden. Die Jugendlichen legten
Blumengebinde an den Gräbern der auf dem Bassinplatz bestatteten sowjetischen
Soldaten nieder.
Die Gedenkansprache hielt Martin Müller von der Arbeitsgemeinschaft Antirassismus
der Fachhochschule. Der Student, der sein Äußeres dem Revolutionär Lenin
angepasst hat, fuhr schweres Geschütz auf. Die Schlacht von Stalingrad stehe als
Symbol für die Härte, die im Kampf gegen den Nationalsozialismus notwendig gewesen
sei. Darin liege auch die Berechtigung der alliierten Bombenangriffe auf deutsche
Städte, darunter am 14. April 1945 auf Potsdam. Sie seien notwendig gewesen, um den
Widerstand der Deutschen zu brechen, die das NS-System fanatisch verteidigt hätten.
Keine Gnade also für die Großväter. Auch „progress“ zählt sie, wie der
Abiturient Marek Winter als Sprecher gegenüber den PNN bekräftigte, durchweg zu
den „Tätern“, die an der Ermordung von Millionen Juden und Zivilisten
mitschuldig waren. „Es gilt auch 60 Jahre nach Kriegsende unversöhnlich an der
Unterscheidung zwischen den deutschen Verbrechern und jenen, die deren Tun gewaltsam
beendeten, festzuhalten.“ Die offizielle deutsche Politik verwische den Gegensatz
zwischen Opfern und Tätern.
In diesem Zusammenhang wandte sich Müller scharf gegen Gedenksteine für die
Vertriebenen, die er „nationalsozialistische Kollaborateure“ nannte. Ebenso
vehement verurteilte er die Bemühungen um einen Wiederaufbau der Potsdamer
Garnisonkirche durch die „faschistischen Offiziere“ der Traditionsgemeinschaft
Glockenspiel, von Politikern der CDU und SPD, durch den Industrieclub Potsdam und
die Evangelische Kirche. In seinen Augen sind sie eine Mischung von „Mob und
Elite“.
Als Begleitmusik für die Kundgebung hatte „progress“ u.a. eine Hymne
ausgewählt, in der es (ins Deutsche übersetzt) über die Sowjetunion zur Zeit des
stalinistischen Terrors heißt: „Denn es gibt kein andres Land auf Erden, wo das
Herz so frei dem Menschen schlägt.“ E. Hoh