ORANIENBURG (12.1.2008)Sie dürfte zu den herausragenden Ereignissen in der Gedenkstätte Sachsenhausen in diesem Jahr zählen: Die Eröffnung der elften Dauerausstellung “Ereignisse und Entwicklungen im KZ Sachsenhausen 1936 bis 1945” in der ehemaligen Häftlingsküche.
Eigentlich hätte diese “Kernausstellung” bereits im vorigen Dezember eröffnen sollen. “Doch der Zustand der ehemaligen Häftlingsküche, in der zu DDR-Zeiten und bis zum Frühjahr 2005 das Lagermuseum untergebracht war, erwies sich als erheblich maroder als angenommen”, sagt Stiftungsdirektor Prof. Dr. Günter Morsch.
Deshalb dauern die Arbeiten an dem 1936 errichteten Gebäude noch an. Allerdings ist das Haus inzwischen trockengelegt, das Dach erneuert worden, Mauerwerk und Decken sind stabilisiert, alle Fenster und Türen wie im Originalzustand wieder eingebaut und auch der grünliche Ursprungsfarbton hebt das sanierte Gebäude inzwischen vom Veranstaltungssaal gegenüber deutlich ab.
Allerdings haben die Handwerker noch einige Wochen damit zu tun, das anspruchsvolle Innenleben zu installieren. “Weil das Haus entkernt und auch innen fast wieder im Originalzustand hergerichtet wurde, haben wir einen gut 300 Quadratmeter großen Ausstellungsraum gewonnen, in dem wir erstmals große Exponate zeigen wollen, die in den anderen dezentralen Ausstellungen gar keinen Platz hätten”, sagt Morsch. So würden etwa der Galgen und der Totenschlitten ausgestellt. Weitere Dokumente und Relikte werden in Schauvitrinen und begehbaren Glaskästen im Fußboden gezeigt. Auf diese Weise erhalte die neue Ausstellung eine Großzügigkeit, die es erstmals auch Großgruppen ermögliche, sich einen guten Überblick über das Modell-KZ zu verschaffen.
Wer die neue Ausstellung, die voraussichtlich im April/Mai eröffnet wird, betritt, kann sich — einem Zeitband folgend — die Geschichte des KZ Sachsenhausen chronologisch erschließen. Auch strukturell ist der Zugang möglich, etwa zu den Themenkomplexen Häftlingsgruppen, Arbeit sowie Gewalt, Sterben und Tod.
“Wir wollen mit dieser Kernausstellung die Ausstellungen des dezentralen Konzeptes wieder zusammenbinden und Sachsenhausen auch im historischen Kontext darstellen”, so Morsch. Deshalb gebe es viele Verweise auf die anderen zehn Ausstellungen, die ihre Thematik ausführlicher zeigen. Der historische Kontext soll vor allem durch einen Film vermittelt werden. Der 28-minütige Streifen wird in Endlosschleife in einem Kinoraum mit 50 Plätzen laufen und über Kopfhörer in vier Sprachen zu verfolgen sein. Film und Medien im Ausstellungs-Lernzentrum, in dem 16 Computer den Besuchern eine Vertiefung der Informationen und Kenntnisse über das Lager ermöglichen, sind von den Mitarbeitern der Gedenkstätte selbst konzipiert worden.
An der südlichen Wand des Ausstellungsraums wird ein dreidimensionales Modell des gesamten Lagerkomplexes installiert, auf dem wichtige Informationen per Knopfdruck abgerufen werden können. Hinter der nördlichen Wand des Ausstellungsraums wird erstmals das Totenbuch mit mehr als 20 000 Namen der Opfer ausgelegt. “Es ist aber bei weitem nicht vollständig”, so Dr. Horst Seferens, der Pressesprecher der Stiftung.
Große Fotos auf Spezialgaze gezogen, sogenannte Ikonen, werden vor den Fenstern hängen und wichtige Ereignisse des Lageralltags zeigen. Der Keller, die frühere Schälküche, soll im Original erhalten bleiben. Dort sind verschiedene Fresken von Häftlingen zu sehen. Die Kosten für die Sanierung der früheren Häftlingsküche und die Einrichtung der bemerkenswerten Ausstellung werden auf rund 3,3 Millionen Euro beziffert.