BERLIN — An illegalen Frachten mit Menschen aus der Dritten Welt verdienen Schleuserringe Millionen. Fahndern gelang es jetzt, eine Bande auszuheben.
Die Polizei hat eine der größten international agierenden Schleuserbanden der vergangenen Jahre zerschlagen. In Berlin, Brandenburg und Sachsen wurden gestern insgesamt 26 Wohnungen und Häuser durchsucht und Haftbefehle gegen zehn Vietnamesen und einen Deutschen erlassen. Weitere 16 Vietnamesen wurden festgenommen und wegen illegalen Aufenthalts überprüft. Die Polizei beschlagnahmte außerdem Geld in fünfstelliger Höhe. „Der genaue Betrag ist noch nicht ausgezählt“, sagte Frank Worm vom Berliner Landeskriminalamt. 165 Menschen sollen illegal von Vietnam nach Deutschland gebracht worden sein – auf einert festen Route mit dem Flugzeug nach Prag und von da mit Autos nach Berlin.
Kopf der Schleuserorganisation, die mehr als 1,5 Millionen Euro eingenommen haben soll, ist ein vietnamesisches Ehepaar aus Berlin. Untersuchungen und Festnahmen gab es aber auch in Senftenberg, Neuruppin, Lübben, Henningsdorf, Bernau, Ziesar, Finsterwalde und Forst.
Zeitgleich gab es Razzien in Frankreich. Dort wurden fünf Vietnamesen festgenommen. Die Schleuser haben Vietnamesen aus armen, vom Boom abgehängten zentralvietnamesischen Dörfern nach Europa geholt. „Es handelte sich um so genannte Garantieschleusungen, für die die Menschen 20000 Euro zahlten“, so Fahnder Worm. Der Betrag liegt deutlich über dem für eine normale Schleusung. Dafür waren die Bedingungen unterwegs komfortabel, und es wurde die Ankunft am gewünschten Zielort garantiert. Oft hätten ganze Dörfer das Geld zusammengekratzt, um einen Ernährer ins Ausland zu schicken, sagte Worm. In der Hoffnung auf das vermeintliche Glück wurden sogar Grundstücke verkauft.
„Berlin gilt international als Drehscheibe für vietnamesische Schleuser“, erklärte LKA-Mann Worm. Vietnamesen sind nach Erkenntnissen der Polizei zu 30 bis 40 Prozent an der Schleuserkriminalität in der Region Berlin-Brandenburg beteiligt. Das liegt auch daran, dass im Ostteil Berlins viele Vietnamesen leben. Das eigentliche Ziel heißt für viele Geschleuste jedoch Großbritannien. Dort betreiben Vietnamesen im großen Stil Hanfplantagen in Wohnungen und schicken den Gewinn aus dem Drogenanbau ihren Familien nach Hause. Einen Verwandten in Großbritannien zu haben, gilt in Vietnam als besonderes Glück, weil das regelmäßige Geldflüsse garantiert. Dass auf das Delikt Drogenanbau in Vietnam selbst die Todesstrafe steht, interessiert die Betroffenen wenig. „Wenn man in Großbritannien ins Gefängnis kommt und vorher vier oder fünf Ernten eingefahren hat, hat sich das Geschäft aus der Sicht vieler Betroffener gelohnt“, sagt ein Polizeidolmetscher. Er war bei der Vernehmung einer Frau dabei, die auf der Flucht in Berlin hängengeblieben war, weil sie erkrankte. „Ihr Mann baut auf der Insel Drogen an. Das weiß sie. Und das weiß auch ihre Familie.“ In Sachsen gab es bereits Einzelfälle von Indoor-Drogenanbau durch Vietnamesen. In Berlin und Brandenburg sind solche Fälle noch nicht bekannt. Worm: „Einzelne der von der Organisation geschleusten Landsleute haben aber hier Zigaretten verkauft.“