Montag, 17.11.08
20.00 Uhr
Freie Bibliothek “konte[:x]t”
H.-Elflein-Str.32, Potsdam
Obwohl viele selbst oder durch Freund_innen/Bekannte schon im Kontakt zur
Institution Psychiatrie stehen und die Zahl der Betroffenen auch in der Linken eher
wächst, steht das Thema weit außerhalb alltäglicher linker Szene-diskurse. Zudem ist
der Umgang dominiert von Unsicherheiten und Voruteilen gegenüber sogenannten
“psychisch kranken“ Menschen. Das Thema selbst wird in den Bereich des Persönlichen
gedrängt und auch von der antipsychiatrischen Bewegung heute selbst selten im
Zusammenhang mit umfassender Gesellschafts- und Kapitalismuskritik gesehen.
Die ursprünglich aus der (radikalen) Linken formulierte Kritik an der Institution
Psychiatrie ist mit dem Beginn der Psychiatriereform in den 70er Jahren marginal
geworden. Eine Zusammenarbeit mit der radikalen Linken ist in der neuen
antipsychiatrischen Bewegung in Deutschland noch nicht bewusst angesteuert worden.
Die zentrale Forderung der Antipsychiatrie, die Selbstbestimmung der Betroffenen
findet in der neuen antipsychiatrischen Bewegung, die aus Psychiatriebetroffenen und
nicht mehr aus Professoren_innen oder Psychiater_innen besteht, ihre Konsequenz.
Behandlungen, die manche Betroffene durchaus auch als hilfreich empfinden, genauso
wie Umstrukturierung der Psychiatrie zur gemeindenahen Institution können nicht über
die Notwendigkeit einer Kritik am Psychiatrischen hinwegtäuschen, in dem alltäglich
Entmündigungen, Zwangsbehandlungen und Stigmatisierungen stattfinden und das Netz
von sozialer Kontrolle immer engmaschiger gestrickt ist.
Im Vortrag wird der Fokus auf die Umsetzung der antipsychiatrischen Theorien, u. a.
von Cooper, Laing, Szasz und Basaglia liegen. Es soll die Frage beantwortet werden,
wie eine Begleitung von Krisen aus antipsychiatrischer Sicht aussehen kann. Aktuelle
Antipsychiatrische Institutionen und Bewegungen werden vorgestellt.
Der Referent David Wichera arbeitet seit 3 Jahren im Weglaufhaus „Villa Stöckle“,
der einzigen antipsychiatrischen Einrichtung in Deutschland.
Er ist dort im selbstverwalteten Team als studentisch Beschäftigter tätig mit
besonderem Schwerpunkt auf Öffentlichkeitsarbeit.