(LR) Der Eingang der Gedenkstätte Sachsenhausen ist schwer zu finden. Archäologen haben die Reste der Mauer des früheren Konzentrationslagers in Oranienburg
nördlich von Berlin freigelegt. Bagger rattern, das Erdreich ist aufgerissen — handgreifliche Zeichen der Zäsur, vor denen die Gedenkstätte steht. “In diesem Jahr kommen wir der Verwirklichung unseres neuen Konzepts
einen großen Schritt näher. Bis 2006 können wir es weitgehend abschließen”, erzählt Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.
Auf die zehntausenden Gäste — im vergangenen Jahr waren es rund 300 000 -
wartet im April das neue Besucherzentrum im Gebäude der einstigen
Waffenmeisterei. Mit dem Konzept für Sachsenhausen und für die Gedenkstätte
im früheren Frauen-KZ Ravensbrück im Norden Brandenburgs wurde Anfang der
90er-Jahre begonnen. In der DDR sei auch die Erforschung der Geschichte der
KZ vernachlässigt worden, erklärt Morsch. “Vor allem in Sachsenhausen waren
die Museen und Ausstellungen fast auf dem Stand seit Einweihung der
Gedenkstätte 1961 stehen geblieben.”
Im Besucherzentrum können sich die Gäste künftig per Multimedia und an einem
großen Übersichtsplan über 13 Ausstellungen, darunter in den Jüdischen
Baracken 38/39 sowie zum sowjetischen Speziallager, informieren. “Auch die
Führungen werden dem veränderten Besucherrundgang angepasst. Sie folgen den
einzelnen Haftstationen — von der Einlieferung des Häftlings bis zur
Befreiung beziehungsweise bis zur Ermordung.”
Ehemaliger Zugang wieder hergestellt
14 Stelen und 23 Tafeln werden künftig Ausstellungen und historische Orte
auf dem Areal kennzeichnen. Statt durch den in der DDR angelegten Park führt
der Zugang wieder über jene Straße, über die einst die Häftlinge in das KZ
und später das sowjetische Lager verschleppt wurden. Erstmals werden sich
den Besuchern dann die riesigen Dimensionen des Komplexes erschließen — mit
dem einzigen noch weitgehend erhaltenen SS-Truppenlager, den Wohnsiedlungen
der SS und der “Inspektion der Konzentrationslager”.
Eiskalt weht der Wind an der “Station Z”, einst Mordstätte der SS. Im April
wird dort mit dem Abriss der alten, verrottenden Betonhalle begonnen. Bis
zum 60. Jahrestag der Befreiung im April 2005 soll laut Morsch die neue
Überdachung fertig sein. Dann informiert dort eine Dokumentation über “Mord
und Massenmord im KZ Sachsenhausen”. Im Sommer wird der einstige SS-Wachturm
E mit der Ausstellung “Die Stadt und das Lager” wiedereröffnet. “Die Schau
soll zeigen, was die Oranienburger über das Konzentrationslager in ihrer
Stadt wussten.”
Vom 8. November an wird in den Baracken des einstigen Krankenreviers die
Dauerausstellung “Medizin und Verbrechen” gezeigt. Dabei geht es unter
anderem um medizinische Versuche von NS-Ärzten an Menschen, darunter an
Sinti und Roma, unter dem Vorwand der “Rassenhygiene”.
Zum Thema Neue Ausstellung
In der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück wird im Oktober in einem der
historischen Gebäude auf rund 400 Quadratmetern eine Dauerausstellung über
SS-Aufseherinnen eröffnet. Nach langjähriger wissenschaftlicher Forschung zu
Tätern im KZ Ravensbrück sollen biografische und soziale Hintergründe von
mehr als 3000 SS-Aufseherinnen beleuchtet werden. “Viele von ihnen ließen
sich freiwillig anwerben und beteiligten sich an den Verbrechen”, sagt
Gedenkstätten-Direktor Morsch.