In einem Brief an den Präsidenten der BTU, Professor Ernst Sigmund, und die Cottbuser Oberbürgermeisterin Karin Rätzel teilten die arabischen Studenten mit, dass sie befürchten, jeder von ihnen könne leicht Ziel solcher Durchsuchungen werden. Die Bundesanwaltschaft verteidigte gestern ihr Vorgehen. Nach der Veröffentlichung einer Pressemeldung über Ermittlungen gegen mutmaßliche Terroristen in Cottbus und Süddeutschland hatte sie sofort Durchsuchungen eingeleitet. Die Studenten swind beunruhigt. Sie fürchten, unter einen Generalverdacht zu kommen. Einen Gebetsraum in einem Wohnheim der Uni sollen aber nicht nur Studenten besucht haben. Professor Ernst Sigmund, Präsident der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) in Cottbus, wusste gestern Nachmittag noch immer nicht, ob sich unter den fünf Verdächtigen, denen am Samstag eine Razzia in Cottbus, Hessen und Baden-Württemberg galt, Studenten seiner Uni befanden. Unter den etwa 120 islamischen Studenten der BTU hatte die Aktion des Generalbundesanwaltes jedoch für reichlich Unruhe gesorgt. Die sind völlig in Panik und fürchten nun, unter eine Art Generalverdacht zu fallen, sagt Uni-Präsident Sigmund. Der hatte gestern von den islamischen Studenten einen Brief bekommen, in dem sie das deutlich machten. Die Muslime an der BTU wollten durchaus, so Sigmund, dass die Sicherheitsbehörden gegen Terroristen und ihre Helfer vorgehen, doch das müsse mit Augenmaß geschehen. In Deutschland gebe es in Sachen Terroristenfahndung inzwischen vielleicht mehr Träumer als Schläfer, zitiert der Uni-Präsident aus dem Brief der Studenten. Viele Bemühungen der Uni, für Toleranz zu werben, so Sigmund, würden zunichte gemacht. Groß ist auch die Verärgerung an der Fachhochschule Lausitz. In ersten Meldungen hatte es geheißen, einige der verdächtigen Männer hätten da studiert. “Wir haben nur eine Hand voll arabische Studenten, hier an der Fachhochschule gibt es keinen Gebetsraum, wir wurden in ein völlig falsches Licht gesetzt”, ärgert sich Volker Schiffer, Kanzler der Fachhochschule. Einen Gebetsraum für Muslime gibt es jedoch seit etwa zwei Jahren in einem Studentenwohnheim der BTU Cottbus. Vermieter ist das Studentenwerk. Vor etwa zwei Jahren, so Geschäftsführerin Ulrike Hartmann, seien muslimische Studenten an das Studentenwerk mit der Bitte um einen solchen Raum herangetreten. Dann sei in Abstimmung mit der Uni ein Vertrag für einen Kellerraum abgeschlossen worden. Bedingung: Nur Studenten sollten den Gebetsraum nutzen dürfen. Das war jedoch möglicherweise nicht der Fall. Nach Informationen der RUNDSCHAU waren unter den regelmäßigen Besuchern der Gebete auch zahlreiche Muslime, die nicht als Studenten eingeschrieben waren. Diese Konstellation hatte offensichtlich schon seit Monaten das Interesse der Ermittler geweckt, vor allem, als engere Kontakte aus der Lausitz zu Islamisten in anderen Bundesländern bekannt wurden. Beim Studentenwerk, dem Vermieter des Gebetsraumes, waren nach Auskunft der Geschäftsführerin, Ulrike Hartmann, nie Hinweise angekommen, dass dort Kontakte geknüpft werden könnten, die in terroristische Kreise reichen. “Ich habe selbst gelegentlich den Raum gesehen, da waren Teppiche drin und einige Einrichtungsgegenstände, keine Schriften oder irgend etwas Auffälliges”, sagt Ulrike Hartmann. Das Studentenwerk habe weder das Recht noch einen Grund, sich ohne Anlass dort wie ein Dorfpolizist aufzuführen. Der Raum sei, so Hartmann, auch nicht am Wochenende durchsucht worden. Hinweise auf einen der verdächtigen Cottbuser sollen die Ermittler über die Rasterfahndung nach untergetauchten, terroristischen Muslimen, bekommen haben. Erst kürzlich hatte das Brandenburger Innenministerium Zahlen zu dieser Fahndung vorgelegt. Danach waren zunächst Daten von etwa 485 000 Personen in Brandenburg erfasst worden. Über mehrere Ermittlungsstufen waren zum Schluss etwa 20 Personen übrig geblieben, die näher überprüft wurden oder noch werden. Die Bundesanwaltschaft, die mit ihrem hastigen Zugriff am Samstagnachmittag für so viel Unruhe in der Lausitz gesorgt hatte, wies gestern den Verdacht zurück, die ganze Aktion sei eine Panne gewesen. Durch eine Vorabmeldung des Nachrichtenmagazins Focus sei man gezwungen gewesen, vom bisherigen Ermittlungskonzept abzuweichen, vorzeitig Durchsuchungsbeschlüsse zu beantragen. “Bis dahin bestand Einvernehmen mit dem Landeskriminalamt Brandenburg, vor einer Durchsuchung noch weitere vier Wochen zu ermitteln”, sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke-Katrin Scheuten. Jetzt werde weiter ermittelt. Ob das jedoch nach dem provozierten, überhasteten Zugriff noch zum Erfolg führt, ist fraglich. Auch im Bundesinnenministerium war man gestern offensichtlich über die Indiskretion aus Ermittlerkreisen und die Vorabmeldung wütend. Auf Grund solcher Veröffentlichungen könnten terroristische Aktivitäten leichter vorbereitet werden, sagte Ministeriumssprecher Rainer Lingenthal. Die Verdächtigen wären bei solchen Vorabinformationen dumm, wenn sie nicht Beweismittel beiseite räumen würden. Besonders verärgert ist man im Bundesinnenministerium und auch bei der Generalbundesanwaltschaft offensichtlich darüber, dass die Sicherheitsbehörden nicht durch eine Anfrage vor der Veröffentlichung gewarnt worden seien. Das erklärt auch, warum sich die Bundesanwaltschaft am Samstag nach Bekanntwerden der Meldung zunächst stundenlang in Schweigen hüllte, bis die Durchsuchung lief.
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