INFORIOT – Unbekannte verübten in der Nacht zum 11. Juli einen Farbanschlag auf das Oranienburger Restaurant „Alte Fleischerei“, das auch als Diskothek genutzt wird. Neben Farbe sollen laut Medienberichten auch Antifa-Symbole an das Gebäude gesprüht worden sein. Es wird vermutet, dass der Farbanschlag in Zusammenhang mit einer AfD-Veranstaltung mit dem Klimaskeptiker Michael Limburg stehen soll, die am 11. Juli in dem Meistersaal des Restaurants stattfand. Dabei fanden in der „Alten Fleischerei“ in der Vergangenheit nicht nur AfD-Veranstaltungen statt. Auch ein bekannter Aktivist aus dem örtlichen NPD-Umfeld ist dort des Öfteren als DJ tätig.
Hausbesuche angekündigt
Derweil tobt im Internet der virtuelle Mob. Der Inhaber der Diskothek, Dirk Arndt, veröffentlichte ein Foto der beschmierten Fassade und verfasste dazu auf seinem privaten Facebook-Account eine längere Hassnachricht, in der er „die Antifa“ für die „feige Atacke“ (Fehler im Original) verantwortlich macht. Zudem rief er seine Freundesliste zur Mithilfe auf, um die „linken Nazis“ ausfindig zu machen. Promt meldeten sich einige Personen, die sich für Hausbesuche bei Antifaschist_innen aussprachen. So habe man solche Angelegenheiten in der Vergangenheit geklärt, hieß es in diversen Postings.
Den Vorschlag griff Arndt in einem Posting auf und schrieb: „ich hoffe jemand hat was gesehen Zeit für Hausbesuche“ (Fehler im Original). Neben weiteren Personen, die augenscheinlich der lokalen rechten Szene zuzuordnen sind, fand dieser Vorschlag auch Zuspruch bei dem örtlichen Tätowierer Olaf Werner, der den Beitrag mit einem „Gefällt mir“ versehen hatte. Werner gilt als Mitinitiator der “Oranienburger Abendspaziergänge”. In einem Vlog trat er als Sprachrohr der “Abendspaziergänge” auf und verbreitete krude Verschwörungstheorien. Auf dem “Spaziergang” am 16. März 2016 filmte er außerdem die Redner. Werner weist zudem deutliche Verbindungen zur lokalen Neonaziszene auf. In seinen Laden „Colour of Skin“ werden nicht nur Bilder mit NS-Bezug tätowiert, auch ein Rechtsrock-Musiker durfte sich im „Colour of Skin“ an der Nadel austoben.
Ein Inhaber mit fragwürdigen politischen Ansichten
In einem MOZ-Artikel versucht sich Dirk Arndt zu rechtfertigen. Berühungsängte habe er mit der AfD nicht: “Solange die Partei informative Vorträge hält und nicht hetzt, ist sie jederzeit bei mir willkommen”. In einer „rechten Ecke“ sehe er sich nicht. Seine öffentliche Meinungsbekundungen auf Facebook sprechen jedoch eine andere Sprache. Im Posting zum Anschlag schrieb er: „Die Eltern des Täters müssen Geschwister sein.“ Dieser Ausspruch kommt nicht von irgendwoher, sondern ist eine Anlehnung an die Textzeile aus dem beliebten Lied „Eure Eltern sind Geschwister“ der Rechtsrockband „Die Lunikoff Verschwörung“. Im Refrain des Lieds heißt es: „Hey ihr Zecken, eure Eltern sind Geschwister“. „Die Lunikoff Verschwörung“ ist eine Band des Ex-Landser-Sängers Michael Regener, nachdem sich seine Band „Lunikoff“ 2003 aufgelöst hatte.
Ein weiterer Blick auf die Facebookseite von Dirk Arndt zeigt seine inhaltliche Nähe zu Verschwörungstheorien, Russland-Fanatismus, Anti-Amerikanismus und anti-muslismischen Rassismus.
Weitere Verbindungen der „Alten Fleischerei“ in die rechte Szene
Nicht zum ersten Mal fand eine AfD-Veranstaltung in der „Alten Fleischerei“ statt. Bereits am 25. Februar veranstaltete der AfD Kreisverband Oberhavel einen Infoabend zu Syrien mit Billy Six, einem Reporter der neurechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“. Die Veranstaltung fand einen Tag vor dem zehnten “Abendspaziergang” in Oranienburg statt. Auch in Zehdenick versuchte die Partei so von der rassistischen Stimmungsmache im Landkreis zu profilieren und organisierte am 09. Dezember 2015 einen Infoabend zu Asyl am Vorabend des “Spaziergangs” in der Stadt.
Regelmäßig finden in der „Alten Fleischerei“ diverse Tanzveranstaltungen statt. Die „Fleischereipartys“ beinhalten verschiedene Genre und Themen. In der „Alten Fleischerei“ werden. „Onkelzpartys“ — in Anlehnung an die als rechts geltende Band “Böhse Onkelz”, veranstaltet, die vom entsprechendem Publikum besucht werden. Außerdem tritt in der „Alten Fleischerei“ ein Aktivist aus dem örtlichen NPD-Umfeld als DJ auf. Unter den Namen „Infekt“ bzw. „Infekt & Virus“ legt der Veltener Pierre „Pepe“ Schön in der „Alten Fleischerei“ auf. Erst im April dieses Jahres hatte er dort einen Auftritt.
Schön gehört zum Umfeld des Veltener NPD-Stadtverordneten Robert Wolinski. Im September 2012 versuchte Wolinski ein sogenanntes „nationales Fußballturnier“ in Velten zu veranstalten. Die Nutzung der Sportanlage des örtlichen Rugby-Vereins wurde ihnen jedoch nicht gewährt. Als Reaktion darauf veranstalteten die Jungen Nationaldemokraten (JN), die Jugendorganisation der NPD, am 1. September eine Protestkundgebung in Velten. Die Teilnehmer der Kundgebung trugen einheitliche JN-Shirts. Auch Schön beteiligte sich an der Kundgebung und trug eines der limitierten Tshirts. Zudem nahm Schön an diversen Neonazi-Aufmärschen in der Region teil, beispielsweise am 01. Mai 2012 in Wittstock. Bis heute scheint Schön sich nicht von der NPD gelöst zu haben. Aber seinem privaten Facebook-Account postete er erst im Mai die Schulhof-CD der NPD — „Neuer Pop Deutschland Vol. 88“. Die „88“ ist ein Code der Neonaziszene, welches für die Buchstaben „HH“ im deutschen Alphabet stehen. Die Abkürzung „HH“ ist ein Chiffre für den Neonazigruß „Heil Hitler“.
Geschichtsträchtiger Ort
Die „Alte Fleischerei“ war ursprünglich eine Fleisch- und Wurstwarenfabrik. Sie wurde 1926 durch die jüdischen Brüder Eduard und Georg Bach gegründet. Eduard Bach starb 1929. Der Betrieb wurde durch seine Frau Emma und Sohn Martin weitergeführt. Als auch in Oranienburg zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen wurde, ging es mit dem Fabrik abwärts. Die Bachs emigrierten nach Madeira und kamen nie zurück. Heute erinnert eine Gedenktafel an das Schicksal der Familie Bach vor dem ehemaligen Fabrikgebäude. Im Meistersaal, ausgerechnet dort, wo die AfD jüngst ihre Veranstaltung abhielt, hängt eine Dauerausstellung „300 Jahre jüdisches Leben und Leiden in Oranienburg“ der jüdischen Gemeinde Oranienburg und des Historikes Hans Biereigel.