INFORIOT Tätowierungen und Piercings galten in der deutschen extremen Rechten alter Schule als Zeichen von Dekadenz und Kulturverfall. Eine “Zumutung” fand etwa die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel (Jahrgang 1928), dass beim Rudolf-Hess-Gedenkmarsch 2004 viele der dort versammelten Neonazis “Ohr- und Nasenringe, kahlrasierte Gefangenenschädeln” und “schreckliche Tätowierungen” zur Schau trugen. Piercings und Tattoos haben schließlich un-deutsche Wurzeln und seien darum für “volkstreue” Nationalisten unangemessen. Heutzutage hingegen ist Körperschmuck aus der Szene kaum wegzudenken. Ob als Bekenntnis zur Sache des “nationalen Sozialismus”, zum “autonomen Nationalismus” oder zu einem völkischen Germanenkitsch — zahlreiche Neonazis tragen ihre Ideologie inzwischen auch auf der Haut zur Schau. Die Affinität zu Subkulturen — von einem rechten Skinheadkult bis zur Übernahme von Rocker-Attitüden — sind für die Beliebtheit von Tätowierungen bei Neonazis der ausschlaggebende Punkt.
Das Land Brandenburg ist keine Ausnahme. Auch hier tummeln sich bei rechten Aufmärschen tätowierte Neonazis. Nicht wenige Aktivisten greifen selbst zur Tätowiernadel, einige betreiben sogar selbst Tattoostudios. Szeneengagement, Bekenntnis zur rechten Subkultur und kommerzielle Interessen — immerhin kann man mit einem gut laufenden Studio den eigenen Lebensunterhalt bestreiten — verknüpfen sich: eine kurze und unvollständige Bestandsaufnahme.
Wandertätowierer Maik Eminger
Zu den bekanntesten Neonazi-Tätowierern aus Brandenburg zählt Maik Eminger. Zurzeit ist er mutmaßlicher Drahtzieher der rassistischen Kampagne „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“ und in die neonazistische Knasthilfeorganisation “Gefangenenhilfe” involviert. Sein Bruder André ist Angeklagter im Münchener NSU-Terror-Prozess. Eminger, der in Mühlenfließ (Potsdam-Mittelmark) lebt, arbeitet seit geraumer Zeit als eine Art Wander-Tätowierer. Zur Kundschaft gehören Neonazis aus Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Auch Bruder André ließ sich von ihm tätowieren.
Grünheide: “Onkel Spider”
In Grünheide bei Erkner (Oder-Spree) existiert seit einiger Zeit das Tattoo-Studio “Onkel Spider”, dass den vielsagenden Beinamen “Final Solution” (deutsch: “Endlösung”) trägt. In Bildergalerien im Internet sind zahlreiche Referenzarbeiten aufgeführt, die dieses Studio als Anlaufpunkt für Neonazis markieren. Von Runenschriften und Wikingermotiven bis zu Waffen-SSlern, von doppelten Eightballs (das Rock’n’Roll-Symbol ergibt so die “Heil Hitler”-Kodierung “88”) und “Blut und Ehre”-Schriftzügen reichen die Motive, die im “Onkel Spider” gestochen werden. Auch Betreiber Rico Hoffmann macht keinen Hehl aus seiner Gesinnung. Auf der Homepage des “Onkel Spider” posiert er mit einer Keltenkreuz-Tätwierung auf dem Unterarm und trägt dabei ein T‑Shirt mit dem Slogan “Aryan — Too white for You” (“Arier — zu weiß für dich”).
Falkensee: “Ex-Dream”
In Falkensee (Havelland) hat sich schon vor vielen Jahren ein einschlägig bekannter Neonazi mit einem Tätowierstudio selbstständig gemacht: Jens Zugehör betreibt in der Stadt das Studio “Ex-Dream”. Zugehör saß in den 1990er Jahren im Gefängnis und wurde während dieser Zeit von der inzwischen verbotenen neonazistischen “Hilfsgemeinschaft nationaler Gefangener” (HNG) betreut. Zugehör war auch Mitherausgeber des Nazi-Fanzines “Der Weiße Wolf”, in dem 2002 eine Dankes-Notiz für den “NSU” erschienen war und das als Sprachrohr einer deutschen Version der britischen “Blood & Honour”-Terrorgruppe “Combat 18” fungieren sollte. Der Bezug zu “Blood & Honour” ist auch im aktuellen Tattoo-Business von Zugehör gegeben. Auf der Homepage des “Ex-Dream” ist als Referenz ein tätowierter Arm angeführt, auf dem nicht nur ein Schlagring, sondern auch das Logo der (in Deutschland seit dem Jahr 2000 verbotenen) “Blood & Honour”-Organisation zu sehen ist.
Oranienburg: “Colour of Skin”
In Oranienburg wird das Tattoo-Studio “Colour Of Skin” von Olaf Werner betrieben. Der nahm Mitte Dezember 2014 an einem rassistischen Fackelmarsch gegen Flüchtlingsunterkünfte in Oranienburg teil (Inforiot berichtete). Über die Erstellung eines Veranstaltungshinweises auf Facebook hatte Werner auch direkt Kontalt zum Anmelder des Marsches und bewarb die Veranstaltung. Auf der “Colour of Skin”-Facebookseite ist ein Neonazi namens “Helmut” als Tätowierer im Laden zu sehen. Dabei handelt es sich um den Sänger der Band “Helle und die RACer” — eine der derzeit wichtigeren Neonazibands aus dem Land Brandenburg. Die Band trat vor einigen Monaten auf dem Neonazifestival “Rock für Deutschland” in Gera auf. Zur Kundschaft des Studios gehört ebenfalls der lokale NPD-Aktivist Robert Wegner — auf Werbefotos ist dieser mit freiem Oberkörper und einer Keltenkreuztätowierung auf der Tätowierbank des “Colour Of Skin” abgebildet, wo er von “Helmut” tätowiert wird. Andere Werbefotos zeigen unter anderem Tattoos mit dem Konterfei von Heinz Guderian, einem Panzergeneral der deutschen Wehrmacht im Nationalsozialismus.
Frankfurt/Oder: “Ink Unter The Skin”
“Je dicker der Jude desto wärmer die Bude” und dazu ein Hitlerportrait postete Mario Müller aus Frankfurt/Oder auf seiner Facebook-Seite. Für diese Veröffentlichung kassierte der Neonazi Mitte 2014 einen Strafbefehl über 2000 Euro. Müller ist Betreiber des Tattoo-Studios “Ink Under The Skin” in der Sophienstraße und warb mit zahlreichen einschlägigen Motiven für seine Tätowierdienste. Erst nach dem Strafbefehl säuberte er seinen Facebook-Auftritt von allzu offensichtlichen Bildern. Müller ist außerdem Mitglied einer Matthias-Reim-Coverband namens “Unverwundbar” — und daneben auch Mitglied der militanten Frankfurter Neonazigruppe “Kameradschaft Kommando Werwolf” (KSKW): Fotos zeigen Müller im KSKW-T-Shirt beim Musizieren in seiner Privatwohnung.
Wittstock: Sandy Ludwig
Der Wittstocker Sandy Ludwig trat kürzlich bei einer BürgerInnen-Versammlung betont zivil auf und zeigte sich “besorgt” wegen der Unterbringung von Flüchtlingen in der Region. Zurückhaltung ist sonst nicht die Sache des Neonazis. Ludwig ist Protagonist der Kameradschaft “Weiße Wölfe Terrorcrew”, die sich öffentlich zu politischer Gewalt und zur “Blood & Honour”-Terrorgruppe “Combat 18” bekennt. Ludwig selbst hat den Schriftzug “Weiße Wölfe” in den Nacken tätowiert. Unter seinem Spitznamen “Lui” greift Ludwig auch selbst zur Tätowiernadel. Für das Studio “5 Elements” in Waren/Müritz (Mecklenburg-Vorpommern) ist er als “Resident Artist” tätig. Werbefotos zeigen, dass zu seinem Repertoire auch Thorshämmer und doppelte Eightballs gehören.
Absturz in Neuruppin
Für einen Brandenburger Neonazi bedeutete indes die Arbeit als Hobby-Tätowierer das Ende seiner politischen Laufbahn. Bis Ende 2011 war Dennis Franke Vorsitzender des NPD-Stadtverbands in Neuruppin. Dort wollte er seine Partei in den Kommunalwahlkampf führen und gab sich dafür eifrig als “national eingestellter”, aber dabei betont friedlicher Politiker, der bevorzugt mit schickem Hemd bekleidet auftrat. Dann kam heraus, dass er in der Freizeit gern zur Tätowiernadel griff. Für einen Fotoband hatte er sich in seiner alten Heimatstadt Wismar ablichten lassen, wie er einem Jugendlichen ein Hakenkreuz auf den Arm tätowierte. Das war selbst der NPD zu viel: Franke musste sich von seinem Posten zurückziehen und trat seitdem in Neuruppin politisch nicht mehr in Erscheinung.
5 Antworten auf „Bekenntnisse auf der Haut“
.….……Und für z.B. die niedersächsische Justiz ist es auch nicht strafrechtlich relevant, wenn z.B. ein Teilnehmer des Naziaufmarschs in Bad Nenndorf 2012 eine tätovierte Odalrune auf dem linken Unterschenkel präsentierte.
Angeblich sei dies das Symbol einer Bundeswehreinheit.
Nun, ist ja hinreichend bekannt, dass auch in der Bunde3swehr rechtsextreme für die “Sicherheit Deutschlands” dienen. Außerdem sind noch immer etliche Bundeswehrkasernen nach Nazigrößen benannt.
Was mich an Neonazis unter anderem richtig aufregt: Dass sie alte germanische Symbole benutzen. Beispielsweise Mjöllnir…ich fühle mich persönlich beleidigt wenn ein Faschist einen Thorshammer trägt. Heidentum hat nichts mit Faschismus zu tun, das sollten die Glatzköpfe mal begreifen!
Ich würde Veit Kelterborn hinzufügen:
http://www.tattoo-piercing.net/
Der ist über die Grenzen von Rudolstadt bekannt als rechtsextremer Liedermacher.
hat WAW gross aufm Hals stehen…
http://daatzmann-tattoo.de/
Und du solltest begreifen dass das nichts mit Glatzköpfen zu tun hat.