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Antifaschismus Law & Order

Brandenburg unter Beobachtung

Unter­suchungsauss­chuss zum NSU startet unter kri­tis­ch­er Begleitung von NSU Watch Brandenburg
INFORIOT – Es ist so weit. In Bran­den­burg startet ein par­la­men­tarisch­er Auss­chuss, der die Ver­strick­un­gen von Neon­azis und V‑Leuten aus Bran­den­burg in die Aktiv­itäten und Struk­turen des Nation­al­sozial­is­tis­chen Unter­grun­des (NSU) aufk­lären will. Am Dien­stag fand die erste kon­sti­tu­ierende Sitzung des Unter­suchungsauss­chuss­es im Bran­den­burg­er Land­tag statt – allerd­ings unter Auss­chluss der Öffentlichkeit. Erst im April war die Ein­set­zung des Auss­chuss­es beschlossen worden.
Foto zeigt einen Flyer von NSU Watch Brandenburg im Vordergrund und Personen im Hintergrund
Wenn im Sep­tem­ber nun die zehn Auss­chuss­mit­glieder von SPD, CDU, Linke, Grüne und AfD zur eigentlichen inhaltlichen Arbeit übergeben, geht es an die Sub­stanz: Die zen­trale Frage, ob das Land Bran­den­burg die Tat­en des NSU hätte ver­hin­dern kön­nen, muss im Auss­chuss beant­wortet wer­den. Carsten Szczepan­s­ki alias „Piat­to“, die „Top-Quelle“ des Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutzes hat­te Infor­ma­tio­nen zu Plä­nen des NSU-Kern­trios und gab diese an den Ver­fas­sungss­chutz weit­er. Der Ver­fas­sungss­chutz, so der Vor­wurf, habe die Infor­ma­tio­nen nicht an zuständi­ge Ermit­tlungs­be­hör­den weit­ergeben. Zu ein­er Fes­t­nahme des Trios kam es bekan­ntlich nicht. Zehn Morde, diverse Anschläge und Über­fälle folgten.
Es ist nicht das einzige Fehlver­hal­ten des Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutzes, das es aufzuar­beit­en gilt. Auch der V‑Mann-Skan­dal um den Guben­er Neon­azi Toni Stadler, die unaufgek­lärte Anschlagsserie der Nationalen Bewe­gung — auch hier war der Ver­fas­sungss­chutz involviert – oder die Nation­al­rev­o­lu­tionären Zellen, ein ter­ror­is­tis­ch­er Zusam­men­schluss von Neon­azis aus Berlin und Bran­den­burg, der auch „Piat­to“ ange­hörte, gehören zu den vie­len The­men, die nach Ein­schätzung der Ini­tia­tive NSU Watch Bran­den­burg zu klären sind.
NSU Watch Bran­den­burg gegründet
Zeit­gle­ich zur kon­sti­tu­ieren­den Sitzung des Unter­suchungsauss­chuss­es, stellte sich NSU Watch Bran­den­burg vor. NSU Watch Bran­den­burg als Teil des bun­desweit­en Net­zw­erkes NSU Watch, hat sich die Auf­gabe gestellt, den Unter­suchungsauss­chuss kri­tisch zu begleit­en. „Der NSU stellt eine Zäsur in der bun­des­deutschen Nachkriegs­geschichte dar“, so Felix Hansen als Vertreter des bun­desweit­en Zusam­men­hanges am Dien­stag bei ein­er Pressekon­ferenz. NSU Watch, ein Zusam­men­schluss aus antifaschis­tis­chen Grup­pen und Einzelper­so­n­en, beobachtet seit 2013 den Straf­prozess gegen Beate Zschäpe und vier weit­ere Angeklagte. Im Prozess in München ist auch Bran­den­burg immer wieder ein The­ma, aktuell geht es um die Zeitschrift „Weißer Wolf“, ein Heft in dem bere­its 2002 ein Hin­weis auf den NSU auf­tauchte. Der „Weiße Wolf“ war in den 90er Jahren in der Bran­den­burg­er JVA hergestellt wor­den – maßge­blich beteiligt war damals Carsten Szczepanski.
Fehlende Aufk­lärungs­bere­itschaft
Aus Sicht der Antifaschist_innen ist es kein Ruhmes­blatt für die Bran­den­burg­er Poli­tik, dass der Unter­suchungss­chuss erst jet­zt, über vier Jahre nach der Selb­stent­tar­nung des NSU, ein­gerichtet wurde. Neben­klagean­wälte im Prozess vor dem Ober­lan­des­gericht in München kri­tisieren schon länger die fehlende Aufk­lärungs­bere­itschaft der Bran­den­burg­er Behör­den, unter anderem, weil sich das Innen­min­is­teri­um weigerte Akten an das Gericht her­auszugeben, und Ver­fas­sungss­chutzmi­tar­beit­er während der Zeu­ge­nan­hörun­gen ver­meintlichen Gedächt­nis­lück­en vorschoben. Für NSU Watch Bran­den­burg ist klar: „Die V‑Mann-Skan­dale im Land Bran­den­burg haben gezeigt, dass das V‑Leute-Sys­tem mehr Schaden als Nutzen gebracht hat“. Durch die Arbeit des Ver­fas­sungss­chutzes wird der Auf­bau mil­i­tan­ter Neon­azistruk­turen gestärkt, denn „hier wer­den Gelder in die Neon­aziszene gepumpt“, sagte ein Sprech­er. Außer­dem hät­ten antifaschis­tis­che und zivilge­sellschaftliche Recherchen mehr zur Aufk­lärung beige­tra­gen, als der Verfassungsschutz.
Logo NSU Watch Brandenburg. Dokumentation und kritische Begleitung des Untersuchungsausschusses
NSU Watch unterstützen

Die Beobach­tung durch NSU Watch Bran­den­burg heißt konkret: Pro­tokolle der Sitzun­gen des Unter­suchungss­chuss­es erstellen, um diese ein­er bre­it­en Öffentlichkeit zugängig zu machen sowie Dossiers und Recherchen zu erstellen, die nach und nach auf der Home­page brandenburg.nsu-watch.info veröf­fentlicht wer­den. Als unab­hängige Ini­tia­tive ist NSU Watch auf Spenden angewiesen.

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