POTSDAM Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Frankfurt (Oder)
vom vergangenen Freitag zum Neonazi-Aufmarsch in Halbe (Dahme-Spreewald) ist
ein Streit über die Wirksamkeit des brandenburgischen Gedenkstättengesetzes
entbrannt. Die PDS-Fraktionsvorsitzende Dagmar Enkelmann hatte gesagt, das
Regelwerk sei “mit heißer Nadel gestrickt” worden. Das Innenministerium wies
den Vorwurf gestern zurück. Das Gesetz sei sehr gründlich erarbeitet und von
Juristen intensiv geprüft worden, sagte Ministeriumssprecherin Dorothée
Stacke. “Eine Notwendigkeit, das Gesetz zu überarbeiten, sehen wir überhaupt
nicht”, so Stacke. Man werde aber die Urteilsbegründungen des
Verwaltungsgerichtes Cottbus und des OVG genau prüfen.
Das OVG hatte am Freitag einen Antrag der Anmelder der Neonazi-Demonstration
vom Sonnabend abgewiesen und die Auflagen der Polizei im Wesentlichen
bestätigt. Demnach durften die Rechtsextremisten nicht zum Soldatenfriedhof
marschieren, sondern mussten ihre Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz
abhalten. Die örtliche Beschränkung sei aber mit der Gegendemonstration und
Sicherheitsbedenken zu begründen, so das OVG. Das Gedenkstättenschutzgesetz
könne für den Waldfriedhof Halbe nicht geltend gemacht werden, darüber stehe
das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.
Die PDS sieht nun dringenden Klärungsbedarf. Es müsse geprüft werden, ob das
Gesetz wirksamer gestaltet werden könne, und ob der Friedhof in Halbe
ausdrücklich mit aufgenommen werde, sagte der innenpolitische Sprecher der
PDS-Fraktion, Hans-Jürgen Scharfenberg. Sollte sich das Gesetz als nicht
ausreichend wirksam darstellen, müsse man sich dazu bekennen. “Es kann
keinen zweiten Testlauf geben”, sagte Scharfenberg. In diesem Fall sollten
Neonazi-Aufmärsche auch künftig durch zivilgesellschaftliches Engagement
verhindert werden. Dazu müssten jedoch “alle an einem Strang ziehen”, so
Scharfenberg.
Der Streit um die Teilnahme an der Gegendemo, die Innenminister Jörg
Schönbohm (CDU) abgelehnt hatte, habe auch zur geringen Resonanz
beigetragen, sagte Scharfenberg. An der Veranstaltung mit
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Ministerpräsident Matthias Platzeck
(beide SPD) hatten weitaus weniger Menschen teilgenommen als erhofft.
CDU-Generalsekretär Sven Petke bezweifelte einen Novellierungsbedarf für das
Gesetz und kritisierte das OVG: “Ich hätte mir mehr Mut gewünscht von den
Richtern und ein Urteil, das man im Land versteht.” Petke warb für ein
“ehrliches Gedenken” an die Weltkriegsopfer am Vortag des Volkstrauertags am
12. November, dem Datum der nächsten geplanten Neonazi-Demonstration in
Halbe.
Petke bezweifelte, dass die Gegenveranstaltung am Sonnabend die richtige
Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus geboten habe. Dagegen
bezeichnete SPD-Fraktionschef Günter Baaske die Demo als Erfolg, weil sie
den Neonazis keinen Raum gelassen habe. Dafür müsse man auch in Zukunft
sorgen. Die SPD werde sich das Gräbergesetz “noch einmal genau anschauen”
und vor Änderungen “nicht zurückschrecken”.