Nachdem Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am 12. April 2005
die rechtsextremen Kameradschaften „Hauptvolk“ und „Sturm 27“ verbot und 41
Wohnungen und Objekte der Kameradschaftsmitglieder durchsuchen ließ, fanden
sich laut Informationen der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) vom
vergangenen Mittwoch mehrere Mitglieder der NPD unter Vorsitz des
stellvertretenden Landeschef der Partei, Detlef Appel, in Rathenow zusammen
und beschlossen einen Stadtverband in der havelländischen Kreisstadt zu
gründen.
Hintergrund der Versammlung mit anschließenden Kranzabwurf, die laut der
erwähnten Tageszeitung am 18. April 2005 um 11.30 Uhr auf dem
Soldatenfriedhof auf dem Rathenower Weinberg stattfand, war der Alliierte
Luftangriff am 18. April 1944.
In einer Pressemitteilung an die MAZ verurteilte die NPD zudem das Verhalten
der Stadt Rathenow, nicht an die Opfer dieses Bombenangriffes zu erinnern
als „Ausfluss der extrem einseitigen Erinnerungskultur“.
Am 18. April 1944 griffen B 17 und B 24 –Liberator – Bomber der 8. US — Air
Force die Kriegswaffenfabrik ARADO (Kampfbomberproduktion) in Rathenow –
Heidefeld so an, das die Produktion der Bomberflugzeuge nach dem
Kampfeinsatz entscheidend geschwächt wurde.
Bei dem Angriff, der ebenso das Stadtgebiet von Rathenow traf, wurden auch
60 Bürger getötet
Erstaunlicherweise traf sich die „erinnerungsbewusste“ NPD aber nicht am
Gedenkstein für eben jene deutsche „Volksgenossen“ sondern auf dem
Rathenower Soldatenfriedhof, wo ausschließlich den in den Weltkriegen
Gefallenen der Naziwehrmacht und der Armee des Kaiserreiches gedacht wird.
Und eben gerade Adolf Hitlers Wehrmacht steht in Verantwortung für die
totale Zerstörung Rathenows im zweiten Weltkrieg, nicht nur weil sie dieses
Fanal am 1. September 1939 begann sondern eben auch weil sie es nicht
beendete, als die Niederlage längst absehbar war. Zwölf verheerende Tage,
bis zum 6.Mai 1945, wurde in Rathenow verbissen gekämpft um den Soldaten des
NS –Regimes, u.a. SS – Einheiten, die Flucht vor der Roten Armee über die
Brückenköpfe Tangermünde, Schönhausen und Ferchland in die
Kriegsgefangenschaft der heute von der NPD verteufelten Amerikaner zu
ermöglichen.
Insgesamt starben in Rathenow bei den Kämpfen in den letzten Kriegstagen 235
Soldaten der Roten Armee, 280 Zivilpersonen und 130 fanatische Kämpfer der
NS – Armeen. Weiterhin waren Hunderte Wohnungen, durch die Beschüsse der in
Göttlin und Kleinbuckow stationierten Geschützbatterien des deutschen XXXIX.
Panzerkorps zerstört oder beschädigt worden, ehe die Stadt befreit war.
In bezug auf den Kampf gegen die Nazis von heute sieht sich die Stadt bzw.
ihr Bürgermeister Ronald Seeger (CDU), laut MAZ, indes „gut positioniert“,
allerdings sei es notwendig „noch mehr vorbeugende Arbeit bei Jugendlichen
zu leisten“ und konkret im Kampf gegen die NPD „alle demokratische Kräfte“
zu bündeln. Auch die PDS ruft zum gemeinsamen Vorgehen und zur „offenen
Auseinandersetzung mit der NPD“ auf. Wie Produktiv das „tolerante Rathenow“
im Ernstfall aber tatsächlich ist wird sich zeigen.
Zunächst findet, wie bereits in den Vorjahren, zur Erinnerung an den 60.
Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus am 8.Mai 2005 um 10.00 Uhr
eine Gedenkveranstaltung der Stadt Rathenow am sowjetischen Ehrenfriedhof in
der Ferdinand Lassalle Straße statt.