POTSDAM Die Affäre um den enttarnten V‑Mann Toni S. aus Cottbus — der mit
Wissen des brandenburgischen Verfassungsschutzes rechtsextremistische Musik
mit zum Mord aufrufenden Texten vertrieb — hat ein Nachspiel. Nach
mehrmonatiger Prüfung hat das Potsdamer Justizministerium gestern im Fall
des V‑Mann-Führers mit dem Tarnamen Dirk Bartok eine Entscheidung getroffen.
“Das Ministerium tritt der Auffassung der Cottbuser Staatsanwaltschaft nach
genauer Prüfung nicht entgegen”, erklärte Sprecherin Petra Marx.
Für Bartok wird es nun ernst. Entweder akzeptiert er den Vorschlag der
Cottbuser Staatsanwaltschaft und zahlt 5000 Euro Bußgeld. Damit würde der
Verfassungsschutzmitarbeiter seine Schuld einräumen, könnte jedoch ein
öffentliches Gerichtsverfahren verhindern. Falls Bartok sich jedoch
verweigert, wird er wegen versuchter Strafvereitelung angeklagt. In einem
Prozess würde dann noch einmal die Rolle des märkischen Geheimdienstes bei
Produktion und Vertrieb neonazistischer Hass-CDs im Detail diskutiert.
Das brandenburgische Innenministerium als Bartoks Arbeitgeber wollte sich
dazu gestern inhaltlich nicht äußern. “Uns liegen keine entsprechenden
Informationen aus Cottbus vor”, teilte Sprecher Heiko Homburg knapp mit.
Bartoks Rolle wurde schon vor Monaten in Berlin bewertet. In seinem Urteil
gegen Neonazi Toni S. kritisierte das Landgericht, dass Bartok seinen V‑Mann
mehrmals warnte, wenn die Polizei dessen Wohnung durchsuchen wollte. Um die
Fahnder zu täuschen, habe Bartok einmal sogar Tonis Computer, der Hinweise
auf Straftaten enthielt, gegen einen unbenutzten Rechner ausgetauscht. Nach
der dann erfolglosen Polizeirazzia bedankte sich Toni S. für den Tipp.
“Jetzt weiß ich auch was wichtig war. Muss nächste Woche zum Staatsschutz
wegen Deinem Computer. Gruss Toni”, übermittelte er Bartok per Handy.
Dass Toni S. lediglich zu einer zweijährige Freiheitsstrafe auf Bewährung
verurteilt wurde, begründete das Landgericht mit der Rolle des
brandenburgischen Verfassungsschutzes. “Der Angeklagte hat die Taten, die
schwerwiegenden, jeweils mit Wissen und Billigung des LfV (Landesamt für
Verfassungsschutz, Anm.) begangen und ist hierfür auch noch belohnt worden”,
befand das Gericht. Erst die Zusicherung der Behörde, “dass sein Warenlager
in Cottbus absolut sicher sei, veranlasste den Angeklagten zu einem Handel
mit Tonträgern, Videos, Büchern und Bekleidungsstücken mit
rechtsextremistischen Aufdrucken in einem der Kammer bislang nicht bekannt
gewordenem Umfang”, kritisierten die Richter die Hinweisgeber-Rolle des
märkischen Geheimdienstes.
Die V‑Mann-Affäre hatte im vorigen Jahr die Beziehungen zwischen Berlin und
Brandenburg monatelang erheblich belastet. Die Berliner Justiz hatte ohne
Wissen der Brandenburger Behörden gegen V‑Mann Toni S. sowie V‑Mann-Führer
Bartok ermittelt. Das Potsdamer Innenministerium erklärte nach der
überraschenden Festnahme des Spitzels in Marzahn, die Berliner
Ermittlungsbehörden hätten eine Geheimoperation des brandenburgischen
Verfassungsschutzes gegen die rechtsextremistische Musikszene torpediert.