RHEINSBERG Im Herbst wird es einen weiteren großen Atomtransport aus dem ehemaligen Kernkraftwerk Rheinsberg nach Lubmin bei Greifswald geben. Dann soll mit der Bahn das so genannte Reaktordruckgefäß abtransportiert werden; der Teil des Reaktors, in dem die eigentliche Kernreaktion stattgefunden hat. Das Druckgefäß ist zum Teil hoch radioaktiv.
Der Behälter ist etwa 120 Tonnen schwer und mehrere Meter hoch. Ursprünglich wollten die Fachleute ihn zerschneiden, um ihn einfacher ins atomare Zwischenlager in Lubmin bei Greifswald bringen zu können. Dort hatte man jahrelang einen Versuch unternommen, um herauszufinden, wie sich ein Druckwasserreaktor am sichersten zerteilen lässt. Inzwischen haben sich die Energiewerke Nord (EWN) als Eigentümer der Rheinsberger Atomanlage aber entschlossen, den Druckbehälter in einem Stück auszubauen, auf einen Spezialwaggon zu verladen und so mit der Bahn nach Lubmin zu transportieren.
Marlies Philipp, Sprecherin des bundeseigenen Unternehmens, redet von einem “Strategiewechsel”. Das Zersägen des Druckgefäßes in Rheinsberg hätte lange gedauert und entsprechend lange hätte die Gefahr bestanden, dass trotz aller Sicherheitsmaßnahmen Mitarbeiter der Strahlung ausgesetzt sind. Außerdem hätte man für den Abtransport des zerkleinerten Reaktorbehälters viele teure Spezialcontainer gebraucht. Der Transport in einem Stück sei einfacher, billiger und gehe schneller.
Im so genannten Reaktorsaal, dem großen Raum rund um den Reaktor, steht ein Spezialkran, mit dem das Druckgefäß in den 60er Jahren ursprünglich auch an seinen Platz gebracht wurde. “Der Kran kann 125 Tonnen heben”, sagt Helmut Gruhle, der Sprecher des Rheinsberger Kernkraftwerkes. Das reicht aus, um den strahlenden Koloss aus seinem Sockel zu hieven und auf den Bahnwaggon zu verladen. Für den aktivierten Teil – den Bereich, der durch den langen Kontakt mit Kernbrennstoff von selbst strahlt – wird eine spezielle Abschirmung gebaut. Sie soll verhindern, dass Radioaktivität auf dem Weg nach Lubmin und später im Zwischenlager in die Umwelt gelangt.
Die Strahlung am Reaktordruckbehälter wird relativ schnell abnehmen. Fachleute gehen davon aus, dass der Behälter in 50 bis 70 Jahren ohne größeren Schutzmaßnahmen von Hand zerlegt werden kann. So lange soll das Gefäß im Zwischenlager Lubmin liegen bleiben.
Wann genau der Abtransport aus dem Kernkraftwerk erfolgt, konnte gestern weder Helmut Gruhle noch Marlies Philipp sagen. Die EWN sind dabei auf die Bahn angewiesen, die will im Herbst beginnen, die maroden Brücken in Lindow zu sanieren. Dann können vorerst keine Züge nach Greifswald fahren.
Auch nach dem Abtransport des Reaktordruckbehälters ist in Rheinsberg einiges zu tun. “Wir werden kleinere Einbauten zerlegen, das dauert etwa bis Mitte nächsten Jahres”, sagt Gruhle. Auch das Gebäude rund um den Reaktor muss abgetragen werden, doch das ist erst im Jahr 2012 vorgesehen. Zurzeit sind noch rund 170 Mitarbeiter mit dem Abbau des einstigen Kernkraftwerkes beschäftigt.