(LR, 5.7.) «Die Stadt muss handeln. Es ist eine Frage der Zeit, bis hier etwas
Schlimmes passiert.» Die Stimmung der Anwohner in der Lerchenstraße und der
Kiefernstraße reicht von Angst bis Wut. Besonders an Wochenenden in heißen
Sommernächten werden sie von Scharen junger Leute terrorisiert, die laut
grölend durch die Straßen ziehen, gegen Türen treten, Blumenkästen umwerfen,
die Altglas-Container umreißen, so dass deren Inhalt scheppernd über die
Straße rollt. Die Bewohner fühlen sich nicht mehr sicher.
Lerchenstraße und Kiefernstraße sind ruhige Wege am grünen Rand von Cottbus.
Gestern morgen harkte ein Bewohner seinen Rasen. Eine Frau führte ihren Hund
aus. Ein Bild der Ruhe, das täuscht. Nur wenige Stunden vorher tobten hier
grölende Randalierer durchs Quartier.
«Ich hatte solches Herzklopfen, ich konnte nicht mehr einschlafen. Ich hatte
richtige Angst» — mit diesen Worten beschreibt eine Bewohnerin ihre
Empfindungen in der Nacht zum Montag gegen 2 Uhr. Wieder einmal bewegte sich
eine Gruppe von rund 20 betrunkenen Schreihälsen durch die Lerchenstraße.
Die Frau hörte, wie einer sagte: «Da vorne sind ja wieder unsere
Container» — kurz darauf war das Scheppern zu vernehmen, als die
Altglas-Sammelbehälter umgeworfen und die gelben und blauen Tonnen quer über
die Straße gerollt wurden. «Das war in dieser Woche das zweite Mal» , sagt
die Nachbarin entnervt.
Andere Bewohner berichten, dass von den nächtlichen Gruppen Postkästen
abgerissen wurden, dass nach dem nächtlichen Zug Flaschen und Scherben über
die Straße verteilt sind.
Eine Nachbarin hörte frühmorgens, wie braune Parolen geschrien wurden,
darunter «Deutschland den Deutschen» und «Juden raus» , aber auch
«Brandenburg den Brandenburgern» und «Sachsen raus» . «Alles, was sich an
rechten Sprüchen brüllen lässt, war dabei» , stellte ein anderer Nachbar
fest. Auch an das Zünden von Feuerwerkskörpern und Sprüchen wie «Ich zünde
dir dein Haus an» erinnern sich Bewohner, die durchweg nicht namentlich
genannt sein wollen: «Dann wird uns hier die Bude eingeschlagen» .
Ruhestörungen und Krawall habe es schon seit Jahren auf dem Weg vom Badesee
gegeben. «Aber die Leute werden immer hemmungsloser und brutaler.» In der
Nacht zu Montag wurde eine Gruppe von 20 bis 30 Personen beobachtet, im
Alter bis etwa 25 Jahre. Sie seien nicht alle dem rechten Spektrum
zuzuordnen, schätzen die Anwohner. Einige wenige aus der Gruppe liefen sogar
hinter den lautesten Randalierern her und versuchten, diese zu
beschwichtigten.
Die Bewohner fühlen sich von Polizei und Verwaltung nicht ausreichend
geschützt, wenn der Mob durch ihre Straße zieht. Zwar seien hin und wieder
Streifenwagen der Polizei zu sehen — aber sobald sie sich entfernten, setze
sich das Treiben fort. Ein Nachbar schimpft: «Wozu zahle ich Steuern, wenn
ich hier nicht mehr sicher sein kann? Die Politiker sitzen da und
unterhalten sich über Bäume am Schillerplatz. Wer einen Kaugummi in die
Sprem wirft, wird bestraft, aber niemand ist in der Lage, hier für
Sicherheit zu sorgen.»
«Die Politiker sprechen von Zivilcourage. Aber wenn man nachts allein hinter
dem Tor steht…» , sagt ein Betroffener. «Ich habe keine Angst, ich habe
Wut» , meint ein anderer und gibt zu erkennen, dass er sich auch zur Wehr
setzen würde.
«Der Vandalismus hat zugenommen» , bestätigt der Leiter des Ordnungsamts,
Rainer Buchan. Das sei in der Nähe aller Badeseen dasselbe. Ihm liege
bereits eine Anzeige wegen des Vorfalls am frühen Montagmorgen vor. «Wenn
das in diesem Umfang weitergeht, müssen andere Mittel gefunden werden» . Am
heutigen Dienstag, so Buchan, gebe es zwischen Stadtverwaltung und Polizei
ein Treffen, bei dem er das Problem Sachsendorfer Badesee zur Sprache
bringen wolle. Polizei-Sprecherin Kati Prajs warnt Betroffene jedoch
ausdrücklich davor, sich selbst in Handgreiflichkeiten verwickeln zu lassen.
Zum Thema Mehr Gewalt
Sachbeschädigung, Trunkenheitsfahrt, Ruhestörung — das waren seit Mai die
Gründe, aus denen die Polizei in die Lerchenstraße gerufen wurde. Für zwei
Monate keine allzu große Häufung von Delikten, wie Sprecherin Kati Prajs
feststellte. Vor einiger Zeit sei das Stahlseil, mit dem ein mobiles
Toilettenhäuschen angebunden war, durchtrennt und das Klohäuschen in den See
geworfen worden. Ordnungsamtsleiter Rainer Buchan registriert eine wachsende
Gewaltbereitschaft. Pfähle von neu gepflanzten Bäumen wurden im Lagerfeuer
verbrannt. Sogar die Findlinge, die die Zufahrt zum Seeufer verhindern
sollen, seien versetzt worden. Buchan: «Das geht nur mit gewaltigem
Kraftaufwand.»