(Turn it down) Auf der Freilichtbühne im Nauener Stadtpark fand vor bis zu 400 Besuchern und Besucherinnen am 29. und 30. Juli das nunmehr dritte „Rock for Roots”-Festival statt. Eingeladen waren hauptsächlich Bands aus dem Bereich des sogenannten Pagan Metal, des heidnischen Black Metal, aus Deutschland und Österreich sowie ein paar Bands aus dem Neofolk und aus der Mittelalterszene.
Organisiert hat das Ganze der Semonenbund, ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Nauen, der sich vom Namen auf den altgermanischen Volksstamm der Semnonen bezieht, die anno dazumal im Havelland ansässig gewesen sein sollen. Wenn auch der Semnonenbund sich als „politisch neutral” bezeichnet, so ist er über seinen expliziten Bezug auf das Germanentum und Heidentum natürlich nach rechts offen wie ein Scheunentor. Da nützt es auch nix, wenn man im Vorfeld lapidar verkündet, „dass jeglicher Missbrauch dieses Konzertes zu Zwecken politisch oder sonstig motivierter Propaganda ausdrücklich unerwünscht ist.” Wer auf dem Festival Massen Met saufender, in Kartoffelsäcke gehüllter, Germanen erwartet hat, sah sich getäuscht. Zwar waren ein paar Dutzend derartiger Gestalten am Start, ein unübersehbarer Teil des Publikums bestand aber aus rechten Black-Metal-Fans. T‑Shirts von Magog, Absurd, Nordisches Blut, Wotanskrieger (allesamt Bands aus dem Bereich des Nationalsozialsitischen Black Metal / NSBM) waren ständig zu sehen, zwischendrin tauchten auch immer wieder Naziskinheads mit ebenso eindeutigen und einschlägigen T‑Shirts auf (die konnten mit dem Met-Gesaufe allerdings nicht soviel anfangen und lungerten eher am Bierstand rum). Sicherlich waren auch (selbsternannte) unpolitische Metal-Fans, Neofolker und Grufties anwesend, nur: die massive Anwesenheit von eindeutigen Neonazis hat da keine Sau gestört – schon gar nicht den Veranstalter und die Security.
In Anbetracht dessen, dass bspw. auch Bands wie Belborn aus Rosenheim auftraten, die zum stramm rechten Flügel des Neofolk zählen, muss man sich über das Erscheinen glatzköpfiger und langhaariger Kameraden auch nicht wundern. Außerhalb der Freilichbühne war eine Art germanischer Marktplatz mit verschiedenen Ständen aufgebaut: An dem einen gab es Schriften der „Germanischen Glaubensgemeinschaft” (GGG) aus Berlin, an einem anderen bot der Versand „Zum Germanen” aus Berlin germanischen Schmuck feil. Und mittendrin beim Lagerfeuer dudelte die Berliner Band Adivarius, die sonst auf Mittelaltermärkten und so auftritt und ebenfalls überhaupt kein Problem damit zu haben schien, dass etwa viele der Leute, von denen sie beklatscht wurden, der extremen Rechten zuzurechnen war – klar erkennbar an den Schwarze-Sonne- und Blut-und-Boden-Tattoos sowie an ihren T‑Shirts oder auch an Baseball-Kappen mit der Aufschrift „Fresst keine Döner”. Im Bereich der Freilichtbühne hatten sich drei CD-Stände eingerichtet: Zum einen Noltex aus Halle, der die gesamte Spannbreite des Dark-Wave und Industrial anbot, zum anderen „Det Germanske Folket” aus Sachsen, wo es hauptsächlich rechten Scheiß gab und auch keine „T‑Shirts”, sondern nämlich „T‑Hemden”. Dann war noch Barbarossa-Records aus Sangerhausen (Sachsen-Anhalt) da, ein Versand, der zum harten Kern der Kameradschaftsszene gehört und der Nazi-Black-Metal der Härtesorte sowie das neonazistische Zine „Blutvergießen” anbot und kaum eine Gelegenheit ausließ, die anwesenden Blöd-Metaller mit politischen Sachen vollzuschwafeln.
Wenn sich nun einmal im Jahr in Nauen eine Spielwiese für derartigen Mist öffnet, dann ist das eigentlich schon unerträglich genug. Doch wie immer, es geht noch schlimmer. Der Semnonenbund plant die Errichtung eines Museumsdorfes und Seminarzentrums „Gannahall” in Nauen, wo zukünftig Seminare und Infoveranstaltungen zu „Kultur und Mythologie” stattfinden soll und der vor allem ein „Lehr- und Erlebnisort für offene Kinder- und Jugendarbeit” sein soll. Offen für was und für wen, dass ist die Frage die mensch sich nach dem Rock for Roots-dringend stellen muss. Seitens der Stadt Nauen hat mensch offenbar keine Ahnung, mit wem mensch es dort zu tun hat – städtische Briefe an den Semnonen-Chef Rico Krüger beginnen mit der Anrede „Lieber Rico” und die Nauener Stadtratsversammlung hat im Juni das Projekt „Gannahall” erstmal abgesegnet. Nun brauchen die Germanen noch paar kleinere Genehmigungen und das notwendige Kleingeld für Bau, Inventar und altgermanische Haustiere. Und wenn darum geht Spenden einzutreiben, hilft auch die örtliche Presse mit wohlwollenden Artikeln mit. Auch die Tatsache, dass beim Rock gegen Roots gerade mal zwei Polizisten kurz vorbeischauten, mit dem Gebotenen nun aber garnichts anfangen konnten und sich wieder trollten, zeugt davon, dass es vor Ort offenkundig keinerlei Problembewußtsein gibt.