Blankenfelde / Mahlow — Zehnter Jahrestag von rechtsextremem Übergriff auf Noel Martin in Mahlow. Örtliche Neonazis sind weiterhin aktiv und scheinen sich neu zu organisieren. Am selben Tag findet eine Antifa-Infoveranstaltung im benachbarten Rangsdorf statt.
Am 16.06.2006 jährt sich zum zehnten mal der Anschlag auf den britischen Bauarbeiter Noel Martin, der in Mahlow von zwei Neonazis durch einen Steinwurf auf sein Auto schwer verletzt wurde und seitdem querschnittsgelähmt ist.
Dies nehmen lokale Politiker aus der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow zum Anlass diverse Veranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus durchzuführen, bei denen jedoch in der Regel davon gesprochen wird, das es in dieser Region kein Problem mit Neonazis gäbe. Dies spiegelt jedoch nicht die Realität wieder, wie unsere Beobachtungen zeigen. Daher wollen wir eine kurze Lageschilderung abgeben um über die lokale rechte Szene aufzuklären und um zu thematisieren, das diese durch Leugnen und Kleinreden viel zu lange ungestört agieren konnte und gerade dabei ist Strukturen aufzubauen.
Auch wenn noch keine gefestigte organisierte Struktur erkennbar aktiv ist, gibt es dennoch eine größere Anzahl von Rechtsextremisten, die in der Region agieren.
Die Tatsache, dass in Blankenfelde, Mahlow sowie Zossen Anfang 2006 rechtsextreme Aufkleber auftauchten, die unterschrieben waren mit “Anti-Antifa Teltow Fläming” und “Autonome Nationalisten Teltow Fläming” zeigt, dass örtliche Neonazis zumindest bestrebt sind eine organisierte Struktur zu schaffen, die gezielt gegen politisch andersdenkende Menschen vorgehen soll. Das diese ihren Anspruch in die Tat umsetzen wollen, wurde bei einer Infoveranstaltung gegen Rechtsextremismus in Blankenfelde am 08.06.2006 deutlich, als zwei bekannte Neonazis versuchten Informationen über Teilnehmer zu sammeln sowie Fotos von diesen zu machen. Sie wurden jedoch daran gehindert und verließen von alleine den Saal. Anderweitige öffentlichkeitswirksame Aktionen wurden von dieser Gruppe sonst nicht registriert.
Allerdings passen einige Übergriffe z.B. am 25.03.2006, bei der ein linker Jugendlicher am Bahnhof Blankenfelde von Neonazis angegriffen wurde, sehr in das Schema der sogenannten “Anti-Antifa-Aktionen”, da das Opfer vor dem Angriff zuerst fotografiert wurde, bevor die Rechten ihn attackierten und ins Gleisbett warfen. Denn eines der wichtigsten Stützpfeiler der “Anti-Antifa-Aktivisten” war immer auch das Bedrohen durch Veröffentlichungen von personenbezogenen Daten im Internet und rechtsextremen Fanzines, mit dem zu Gewalt gegen die Betroffenen aufgerufen werden soll. Dies konnte allerdings in besagtem Fall u.a. dadurch verhindert werden, dass die Kripo bei einem der Haupttäter die Kamera beschlagnahmte. Ebenfalls dementsprechend, wurde zuletzt ein alternativer Jugendlicher in Zossen am 25.05. bedroht weil Neonazis seine Anschrift herausgefunden hatten und in dieser Nacht zu zwanzigst, bewaffnet mit Knüppeln vor seiner Wohnung Parolen gegen den Betroffenen skandierten und diesen dadurch einzuschüchtern versuchten.
Des weiteren wird Mahlow in unregelmäßigen Abständen zur “no-go-area” für potenzielle Opfer rechter Gewalt, da, sobald es das Wetter zulässt, in unregelmäßigen Abständen eine größere Gruppe Neonazis, teilweise identisch mit der sog. ?Anti-Antifa Teltow-Fläming?, am Bahnhof Mahlow auftaucht um sich dort niederzulassen, den Abend über Bier zu konsumieren und Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, anzugreifen. Nicht selten werden in diesem Rahmen auch rechtsextreme und neonazistische Aufkleber verklebt bzw. der rechte Arm zum Hitlergruß gehoben oder Musik mit volksverhetzenden Texten abgespielt. Dies war auch schon im letzten Jahr so, wobei sich im Sommer 2005 die Rechtsextremisten sogar fast jedes Wochenende dort aufhielten, und nur einmal, durch eine vom BGS durchgeführten Kontrolle, abgehalten wurden.
In diesem Jahr wird es im Sommer womöglich wieder zu solchen Ansammlungen kommen, da schon Anfang dieses Jahres Neonazis z.B. am 13.05., 25.05. und zu Sylvester wiederholt am Bahnhof Präsenz zeigten. Jedoch ist Blankenfelde-Mahlow, außerhalb dieser Zusammenkünfte, trotzdem für Nichtrechte gefährlich. Dies beweist die zunehmende Anzahl an Übergriffen in der Region. So wurde am 21.01. ein Punk unweit des Bahnhofs Blankenfelde von drei Rechten mehrmals ins Gesicht geschlagen, am 26.02. zwei alternative Jugendliche in Mahlow von drei Neonazis beschimpft und bedroht, am 13.05. ein HipHoper von Rechten am Mahlower Bahnhofsvorplatz bedroht und gejagt und am 20.05. wurden zwei Punks in Blankenfelde von zwei Neonazis beleidigt.
Ein wichtiger Treffpunkt für die rechte Szene in der Region sind die Kneipen ?Cheers? in Mahlow und das ?MMV Billard Cafe? in Blankenfelde. Am 20.04. wurde zuerst im ?MMV Billard Cafe? von sechs Rechten der Geburtstag Adolf Hitlers gefeiert, bis die Kneipe am späten Abend schloss. Danach ging die Gruppe ins ?Cheers? um dort weiterzufeiern. Nicht selten kam es vor, dass die Nazis, die zuvor am Bahnhof Mahlow sich betranken, danach ins ?Cheers? gingen, um den Abend ausklingen zu lassen. Dies war z.B. am 13.05. der Fall, als eine Gruppe von Neonazis auf dem Weg vom Bahnhof zum ?Cheers? linke Jugendliche beschimpfte. Am 07.01. feierten im ?Cheers? mehrere Rechte Geburtstag. Jugendliche, die dieses Lokal zu dem Zeitpunkt ebenfalls besuchen wollten, wurde von diesen unter Androhung von Gewalt der Zutritt verwehrt. Am 25.12.2005 war eine Gruppe von Jugendlichen im ?Cheers? als eine größere Gruppe Rechter diese bedrohte und aufforderte das Lokal zu verlassen. Eine tätliche Auseinandersetzung wurde verhindert, da die Jugendlichen das Lokal verließen. Ihnen wurde hinterhergerufen: ?Mahlow ist und bleibt Reichshauptstadt?.
An den Betreiber des Lokals ?Cheers? wurde von uns am 13.06.06 ein offener Brief geschickt, bei dem dieser aufgefordert wird, sich von seinem rechten Publikum zu distanzieren und diese durch Hausverbot die Möglichkeit zu nehmen, die Kneipe als Rückzugsraum für ihre Aktivitäten zu nutzen. Eine Antwort kam bis jetzt noch nicht.
Um diese Probleme zu thematisieren findet am 16.06. eine Infoveranstaltung im Fontane Gymnasium im benachbarten Rangsdorf um 19.00 Uhr unter dem Thema “Stammtisch, Schläger, Saubermänner Die extreme Rechte im Land Brandenburg” statt. Der Vortrag bietet Reflexionen darüber, wo Rechtsextremismus anfängt, wie er sich in Brandenburg äußert und Fakten über den Grad rechtsextremer Organisation und der Verbreitung rechter Ideen in der Bevölkerung. Ein Schwerpunkt ist die Vorstellung rechter Strategien anhand jeweils aktueller Beispiele aus der Kameradschaftsszene.