Naziattacke auf Fußballteam
Hallenturnier in Frankfurt/Oder: Tennis Borussia Berlin musste Teilnahme vorzeitig abbrechen / Bus mit Spielern und Fans wurde bei Abfahrt angegriffen
INFORIOT Am Dienstag (27. Dezember) kam es in Frankfurt/Oder zu Ausschreitungen von rechten und neonazistischen Fußballhooligans. Ein vom FC Union Frankfurt ausgerichtetes Amateur-Hallenturnier in der Brandenburg-Halle vor insgesamt rund 550 Fans diente einer Gruppe von schätzungsweise insgesamt 50 Rechten als Kulisse für ihre Randale.
Im Fokus der Aggressionen standen die Spieler und Fans von Tennis Borussia Berlin II. Tennis Borussia (TeBe) ist für seine linksalternative Fanszene bekannt. Auf der Angreiferseite waren lokale Neonazis und Hooligans des FFC Victoria aus Frankfurt/Oder.
Polizei ignoriert drei Notrufe
Innerhalb kürzester Zeit nach ihrem Eintreffen sei die etwa 30-köpfige Berliner Fangruppe immer wieder von rechten Hools provoziert und beschimpft worden. Auch Gewalttätigkeiten wurden angekündigt. Dies wird von mitgereisten Berliner Augenzeugen berichtet. Daraufhin alarmierten die BerlinerInnen nach eigenen Angaben per Notruf die Polizei. Erstmals um 19:48 Uhr und als nichts passierte noch zwei weitere Male — vorerst ergebnislos.
Berliner Turnierabbruch
Die Aggressionen der Rechten seien sodann immer massiver geworden. Eine Gruppe versuchte sogar zu den Berliner Fans auf der Tribüne zu stürmen und wurde erst im letzten Moment von Security-Kräften aufgehalten.
Um eine Eskalation zu vermeiden, hätten Spieler und Fans von Tennis Borussia gemeinsam entschieden, vorzeitig abzureisen. Von den Security-Kräften mussten die BerlinerInnen aus der Halle begleitet werden. Erst in diesem Moment traf die Polizei mit zunächst zwei und dann sechs Beamten ein — rund eineinviertel Stunden nach dem ersten Notruf der Berliner Fans.
Angriff unter “Juden!”-Rufen auf den Bus von Tennis Borussia
Beim Einladen des Equipments in den Bus kam es zur Attacke. Rund 35 rechte Hooligans stürmten auf den Bus zu, warfen mit einem Bengalo-Feuerwerkskörper sowie mit Flaschen und Steinen und schossen mindestens einmal mit Signalmunition. Um eine Abfahrt des Berliner Busses zu verhindern, wurde das Ausfahrtstor des Geländes von den Rechten zugestoßen. Die Angreifer riefen “Jude! Jude!”, “Zecken!” und “Deutschland — Hooligans!”
Die Rechten versuchten in den folgenden Minuten immer wieder, den Bus und die Berliner Fans und Spieler direkt zu attackieren. Diese stellten sich schützend vor ihren Bus. Die sechs Polizeibeamten positionierten sich in Nähe der Berliner Fans zwischen die beiden Gruppen.
Stadt unter Polizeischutz verlassen
Erst nach einiger Zeit zogen sich die Rechten allmählich zurück. Unter Polizeibegleitung musste der Berliner Bus die Stadt verlassen. Wie durch ein Wunder gab es bei der Attacke keine Verletzten.
Reaktionen von Presse und Polizei
In einem Pressebericht der “Märkischen Oderzeitung” über das Turnier wird der Angriff nicht erwähnt und lediglich die “tolle Kulisse” und der “würdige Rahmen des Spektakels” hervorgehoben. Dieser Umstand wird im Blog publikative.org kritisiert. (Ergänzung 30. Dezember: Inzwischen ist ein längerer Artikel zum Thema erschienen.)
In einer Meldung der Polizei erscheint die rechte Randale indes eher als wechselseitige Auseinandersetzung, bei der die Polizei “beschwichtigend” eingreifen musste. Immerhin ist dort festgehalten, dass es die “FCV-Fans” waren, die den auswärtigen Bus angegriffen haben.
Die Fanabteilung von Tennis Borussia (“Aktive Fans”) hat sich mittlerweile zu Wort gemeldet. Gefordert wird eine “umfassende Aufklärung der skandalösen Vorfälle”.
Bedrohungsszenario war der Polizei offenbar vorab bekannt
Pikant ist, dass Tennis Borussia offenbar schon im Vorfeld zu dem Gastspiel in Frankfurt/Oder von der Berliner Polizei in Hinblick auf eine mögliche Gefährdung hingewiesen worden ist. Dies ist aus der Fanszene zu vernehmen.
Anscheinend gab es also eine eigentlich realistische Gefahrenprognose der Polizei — und dennoch keine Präsenz vor Ort. Und selbst nach den Notrufen der Berliner Fans trat sie verspätet und viel zu personalschwach auf.
Der Tennis Borussia Fanblog “Lila Kanal” kommentiert:
Insgesamt sind die Sicherheitsvorkehrungen als Skandal schlechthin zu bezeichnen: Um eine Situation zu vermeiden, in der sich die TeBe-Anhänger selber verteidigen müssen, hatte man bereits im Vorfeld vehement auf das durch den Anhang des FFC Viktoria ausgehende Gefahrenpotenzial hingewiesen. Auch die “Einsatzgruppe Hooligans” (EGH) der Berliner Polizei war im übrigen zu der gleichen Einschätzung gekommen (..). Umso überraschender, dass dann in der Halle weder Berliner noch Frankfurter Sicherheitskräfte anwesend waren, sondern lediglich eine Security, deren Mitglieder ganz offensichtlich mit mehreren der Neonazis persönlich bekannt waren. Die angekündigte Polizeipräsenz fand also nicht nur nicht statt, sondern das zuständige Präsidium in Frankfurt reagierte nicht einmal auf mehrere Anrufe, die von einer massiven Zuspitzung der Situation berichteten und dringlichst polizeiliche Unterstützung anforderten. (..) Letztlich ist es nur dem besonnenen Handeln der Tebe-Fans zu verdanken, dass bis zum Erscheinen der Polizei niemand zu Schaden kam.
Frankfurter Nazihools werden wieder aktiver
Seit einiger Zeit tritt die neonazistische Fanszene des FFC Victoria in Frankfurt wieder verstärkt in Erscheinung. Zuletzt gab es im November Ausschreitungen und antisemitische Sprechchöre beim Gastspiel des SV Babelsberg 03 in Frankfurt. Ende September hatten Frankfurter Fans schon bei der Bahnanreise zu einem Spiel in Neuruppin randaliert.
(Zu früheren Aktivitäten Frankfurter Nazihools siehe einen älteren Beitrag der antifaschistischen Recherchegruppe Frankfurt/Oder.)