Innenstadt – In Potsdam ist es am Dienstagabend erstmals in der Geschichte der Stadt zu einem nicht angemeldeten Aufmarsch von Neonazis gekommen. Dies bestätigte gestern Angelika Christen, Sprecherin der Polizei, den PNN auf Nachfrage. „So etwas gab es hier noch nicht in dieser Form“, sagte Christen.
Nach Polizeiangaben hatten Bürger gegen 20.30 Uhr etwa 25 schwarzgekleidete Personen am Brandenburger Tor gemeldet, die offensichtlich der rechtsextremen Szene zuzuordnen waren. Sie sollen zwei brennende Fackeln und ein schwarzes Stoffplakat mit der Aufschrift „Im stillen Gedenken an die Opfer des Alliierten Bombenterrors“ getragen haben. In der Folge soll die Gruppe in Richtung Bassinplatz über die Brandenburger Straße marschiert sein. Laut Polizei waren die Teilnehmer zwischen 15 und 21 Jahren alt, sie sollen zum größten Teil in Potsdam und im Umland leben.
Auf diesem Weg sei der Aufmarsch von Polizisten an der Lindenstraße aufgehalten worden, berichteten Zeugen gestern. Als Versammlungsleiter stellte die Polizei zwei durch bereits rechtsextrem motivierte Straftaten aufgefallene Potsdamer im Alter von 19 und 21 Jahren fest, gegen die Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz aufgenommen wurde. Nicht bestätigen wollte Polizeisprecherin Christen, dass sich unter den Teilnehmern des Aufzugs die bekannten Neonazis Sebastian G. und Benjamin Oe. befanden. G. zählt zum engen Umfeld der verbotenen Berliner Kameradschaft Tor und soll laut Antifa-Kreisen inzwischen in Potsdam wohnen sowie vielfach bei Übergriffen auf linke Jugendliche aufgefallen sein. Oe. wurde dagegen als Opfer des Überfalls am Café Heider bekannt, lebt in Fahrland und gilt als ebenso dem militanten Teil der Neonazi-Szene zugehörig. Zeugen wollen beide erkannt haben.
Neben den zwei Anzeigen gegen die Versammlungsleiter wurde am Dienstag noch eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz aufgenommen: Bei einem weiteren 19-Jährigen wurde laut Polizei ein Schlagring gefunden.
Während die Beamten die Personalien der Rechtsextremen aufnahm, näherte sich laut Polizeisprecherin Christen eine Gruppe von etwa 30 Personen, die „lautstark“ gegen den Aufmarsch protestierten. „Die Polizisten konnten ein direktes Treffen der beiden Gruppen verhindern“, so Christen. Die Rechtsextremen seien schließlich mit mehreren Einsatzfahrzeugen in die Polizeiwache Mitte und von dort zum Hauptbahnhof gebracht worden sein. Unter weiterer polizeilicher Begleitung seien sie dann „vorrangig in Richtung Waldstadt und Wohngebiet am Stern gefahren. „Wir hatten Hilfe von Bundespolizei, von Berliner Kollegen und weiteren Polizeikräften aus anderen Schutzbereichen“, so Christen.
Hintergrund des Aufmarsch war offenbar der gestrige Jahrestag der Bombardierung Dresdens 1945. Bundesweit hatte das so genannte „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“ im Vorfeld der Jahrestages zu eigenständigen Aktionen aufgerufen. Das Bündnis besteht unter anderem aus Vertretern der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag. Rechtsextreme nutzen den Jahrestag seit Jahren, um die Kriegsgegner Deutschlands als Verbrecher zu verunglimpfen.