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Naziaufmarsch in Halbe fand nicht statt / Antifa-Gedenken unter unwürdigen Bedingungen

Rund 450 AntifaschistIn­nen gedacht­en am Son­ntag in Halbe den dort begrabenen Wehrma­chts­de­ser­teuren und Zwangsar­bei­t­erIn­nen. Die Teil­nehmerIn­nen der antifaschis­tis­chen Kundge­bung unter dem Mot­to “Nie wieder Krieg — Nie wieder Faschis­mus” sahen sich einem mas­siv­en Polizeiaufge­bot gegenüber, im Laufe des Tages kam es zu min­destens drei Fes­t­nah­men. “Es ist beze­ich­nend, dass unser Gedenken an die Opfer des faschis­tis­chen Ter­rors unter solch unwürdi­gen Bedin­gun­gen stat­tfind­en muss”, merk­te ein Red­ner an. 

Lud­wig Bau­mann, ein Wehrma­chts­de­ser­teur und NS-Mil­itätjus­tiz-Opfer berichtete von seinen Erleb­nis­sen in den let­zten Kriegsta­gen und rief dazu auf, die Ver­brechen der Nazis nicht in Vergessen­heit ger­at­en zu lassen. Ein Vertreter der Inter­es­sen­ge­mein­schaft ehe­ma­liger NS-Zwangsar­bei­t­erIn­nen, Lothar Eber­hard, beschrieb die end­losen Quere­len, denen die weni­gen verbliebe­nen ehe­ma­li­gen Zwangsar­bei­t­erIn­nen aus­ge­set­zt sind, um heute wenig­stens eine kleine finanzielle Entschädi­gung für ihr erlittenes Unrecht zu erhal­ten. Die Aus­führen­den des Naziregimes hinge­gen wur­den, so Eber­hard, nur höchst sel­ten zur Rechen­schaft gezo­gen und wer­den im Gegen­teil bei Gele­gen­heit­en wie dem so genan­nten Volk­strauertag vielerorts geehrt. Auf Trans­par­enten wurde fol­gerichtig fest­ge­hal­ten: “Deutsche Täter sind keine Opfer”. Auf dem Wald­fried­hof bei Halbe (1500 Ein­wohner­In­nen) liegen über 20.000 deutsche Sol­dat­en, SSler, Hitler­ju­gend-Ange­hörige und Mit­glieder des Volkssturm begraben. Dieses let­zte Aufge­bot der Nazis im Kessel von Halbe sollte in den let­zten Tagen des zweit­en Weltkrieges den Vor­marsch der Roten Armee auf Berlin stop­pen — anstatt zu kapit­ulieren liessen sich die Nazikämpfer von der Sow­je­tarmee aufreiben. Die Anzahl der in Halbe begrabenen und auf der Kundge­bung gewürdigten NS-Opfer liegt unter 60. 

Die Mobil­isierung nach Halbe stand eigentlich unter dem Zeichen einen Nazi­auf­marsch zu ver­hin­dern. Unter der Parole “Ruhm und Ehre den deutschen Frontsol­dat­en” woll­ten die Faschis­ten demon­stri­eren. Schon 1991 und 1992 nutzten Nazis Halbe für größere Aufmärsche. Nach tage­langem Hin und Her blieb der Nazi­aufzug in diesem Jahr jedoch let­ztin­stan­zlich unter­sagt. Auch sämtliche Antifaak­tio­nen soll­ten ursprünglich ver­boten wer­den — die Antifakundge­bung durfte schließlich unter schw­eren Aufla­gen stat­tfind­en, die Antifade­mo blieb ver­boten. Anhand der Trans­par­ente vor Ort lässt sich fes­thal­ten, dass an der Kundge­bung neben unab­hängi­gen Antifas auch Jusos, PDS­lerIn­nen und auch die FDJ teil­nah­men. Augen­schein­lich nah­men keine Ein­wohner­In­nen Halbes teil, nur wenige beobachteten das Geschehen aus ihren Fen­stern. Hätte die Nazide­mo stattge­fun­de­nen, wären auch deut­lich mehr als die 450 Antifas nach Halbe gekom­men, waren sich die Anwe­senden einig. 

Gegen 12.30 Uhr wurde zum Abschluss der Kundge­bung ein Lied “zum Dank den Sow­jet­sol­dat­en” abge­spielt, geschlossen liefen die Teil­nehmerIn­nen zurück zum wenige hun­dert Meter ent­fer­n­ten Bahn­hof. Sogle­ich zog die Polizei ein Spalier auf und ver­suchte kurz, das Weit­erge­hen der Antifas zu ver­hin­dern. Es kam zu eini­gen Rangeleien. Aus Rei­hen der qua­si-Demon­stra­tion her­aus wur­den nun Parolen wie “Polen muss bis Frankre­ich reichen, Deutsch­land von der Karte stre­ichen”, “Ruhm und Ehre der Roten Armee” oder “Nazis mor­den, der Staat schiebt ab, es ist das gle­iche Ras­sis­ten­pack” gerufen. 

Am Bahn­hof angekom­men — dort park­ten auch die Busse der Antifas — wurde eine weit­ere, kurze Kundge­bung abge­hal­ten. Die ganze Zeit über befan­den sich die Teil­nehmerIn­nen in einem Polizeikessel. Min­destens drei Men­schen wur­den wegen ange­blichem Ver­stoss gegen das Ver­samm­lungs­ge­setz (der Vor­wurf: Ver­mum­mung) festgenom­men, nach Ver­hand­lun­gen aber wenig später wieder freigelassen. 

Nach Presseangaben waren “mehrere hun­dert” PolizistIn­nen im Ein­satz, vorge­blich um sicherzustellen, dass der ver­botene Nazi­auf­marsch auch tat­säch­lich nicht stat­tfind­en könne. Ihre Präsenz nutzte die Polizei vor allem, um die AntifaschistIn­nen nach Kräften zu überwachen und durch­suchen. Von Nazis war weit und bre­it keine Spur, nach eige­nen Angaben hat die Polizei ins­ge­samt 100 anreisende Faschis­ten vor Halbe gestoppt und zum Umkehren gezwun­gen. Ein adäquater Ersatz für die gescheit­erte Demo in Halbe blieb der Naziszene am Son­ntag ver­wehrt. Lediglich in Hoy­er­swer­da fand eine kleinere Naziver­anstal­tung mit 60 Teil­nehmerIn­nen statt und an einzel­nen Volk­strauertags-Ver­anstal­tun­gen nah­men einige Nazis teil, etwa in Berlin-Neukölln.
Die DVU hat­te in Halbe übri­gens Kränze angelegt, diese wur­den wenig später jedoch von Antifas ent­fer­nt. Eine große, erfol­gre­iche Aktion war den Faschis­ten an dem für sie so sym­bol­trächti­gen Tag nicht beschieden. Inzwis­chen sind im Land Bran­den­burg mit Ver­weis auf Halbe übri­gens weit­ere Ver­schär­fun­gen des Ver­samm­lungs­ge­set­ztes ins Gespräch gebracht worden. 

Hier einige der Presse­berichte zu Halbe am 17. November.

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