Der Naziaufmarsch am Sonnabend in Potsdam konnte zwar nicht verhindert werden, entwickelte sich für die Faschisten erfreulicherweise aber zu einem kompletten Desaster. Rund 250 AntifaschistInnen gelang es, in unmittelbarer Nähe der nur 40 am Stadtrand demonstrierenden Nazis, ihrem Protest laut und kraftvoll Ausdruck zu verleihen. Der von einem grossen Polizeiaufgebot beschützte Aufzug um den Hamburger Kameradschaftskader Christian Worch ging völlig unter. Wenigstens acht Antifas wurden nach Angaben des Ermittlungsausschuß verhaftet.
Vorher, am Vormittag, demonstrierten rund 400 BürgerInnen und SchülerInnen in der Innenstadt gegen die Nazis. Bei der abschließenden Kundgebung verkündete Brandenburgs Ministerpräsident, dass “Widerstand an allen Ecken und Enden” nötig und richtig sei. Potsdams Oberbürgermeister Jacobs war der Auffassung, dass nach neuen, effektiveren Konzepten gegen rechte Demos in Potsdam gesucht werden müsse, denn “wir können nicht zufrieden sein, dass Worch nur am Stadtrand marschieren darf. Solche Aufzüge wollen wir überhaupt nicht.” Die Kameradschafts-Demo unter dem Motto “Schönbohm in die Wüste schicken” war bereits der dritte Versuch in diesem Jahr von Nazis, durch Demos in Potsdam verstärkt Fuß zu fassen. Ulrich Schulz, General-Superintendent der Evangelischen Kirche, gab kund, dass er eigentlich lieber “einen Weihnachtsbaum schlagen würde. Aber trotzdem bekenne ich hier Farbe. Und zwar lila, die Farbe des Christentums.” Der bürgerliche Antinaziprotest war von SchülerInnen der Voltaire-Gesamtschule initiiert worden, offizielle Stellen wie die Stadtverordnetenversammlung hatten sich angeschlossen.
AntifaschistInnen versuchten ab etwa 11.30 Uhr, sich Richtung Rehbrücke durchzuschlagen, nachdem bekannt wurde, dass dort der geheim gehaltene Startpunkt der Naziaktion sein sollte. Viele NazigegnerInnen wurden jedoch von der Polizei aus der Straßenbahn gezerrt. Dennoch gelang es letztendlich 250 Menschen durchzukommen und fast die gesamte Aufzugstrecke an der Heinrich-Mann-Allee entlang auf Höhe der Nazis präsent zu sein. “Komisch, dass die Polizei uns hier nicht haben will — der Jacobs hat doch gesagt, dass direkter Protest richtig ist”, merkte eine ältere Antifaschistin ironisch an. Mit einem Megafon und mit vielen Sprechchören wurden die Nazis permanent beschimpft. “Ein Weihnachtsbaum, ein Strick, ein Nazigenick”, “Stalingrad, Stalingrad”, “Ob Ost, ob West — nieder mit der Nazipest” oder auch “Lang lebe Israel” waren einige der Rufe. Auch bei der Abschlußkundgebung der Nazis am so genannten Blauen Haus verebbten die Sprechchöre nicht. Der Lautsprecherwagen der Nazis (eindeutiges Nummernschild: ..-HK 88) kam dagegen nicht an, auch die Rede von Christian Worch blieb unverständlich. Inhaltlich forderten die Faschisten die Absetzung von Brandenburgs Innensenator Jörg Schönbohm (ein CDU-Rechtsaußen), da dieser für das Verbot des “Heldengedenkens” in Halbe Mitte November verantwortlich sei. Unter denselben Vorzeichen hatten Worch und Co. bereits am Samstag der Vorwoche in Teupitz (in der Nähe von Halbe), ebenfalls in geringer Zahl, gegen den dortigen Amtsdirekter Oncken demonstriert.
Versuche von Teilen der AntifaschistInnen vor Ort, die Nazidemo zu blockieren und somit vollständig zu verhindern scheiterten am — teilweise brutalen — Eingreifen der Polizei. Auch abseits dieser Versuche kam es einige Male zu Rangeleien zwischen Antifas und Polizei. Selbst am Rande stehende Menschen bekamen Tritte und Schläge von Seiten der Polizei ab. Am Ende der Kundgebung zogen die Nazis Richtung Rehbrücke ab — der Rückzugsweg wurde durch Abdrängen der Antifas von der Polizei gesichert.
Es liegen übrigens mehrere — bislang unbestätigte — Berichte vor, nach denen am Rande der Demo kleinere, separate Nazigruppen unterwegs gewesen seien, die mehrfach NazigegnerInnen angegriffen haben.
Ein weiterer Bericht auf Indymedia:
Nazis leider nicht verjagt