INFORIOT Gegen eine Neonazi-Demonstration in Neuruppin haben am Samstag mehrere hundert Antifas und BürgerInnen protestiert. Durch eine Sitzblockade von etwa 60 Linken in der Schinkelstraße wurde der rechte Aufzug für eine knappe Stunde lang aufgehalten. Dann erst schaffte es die Polizei mittels einer ruppigen Räumaktion die Straße für die Neonazis freizumachen.
Der rechte Aufzug stand unter dem reichlich affigen Motto “Nationaler Sozialismus statt Kapitalfaschismus” (siehe dazu den Bericht der Antifa Westhavelland). Es beteiligten sich rund 300 Neonazis, die in großer Mehrheit aus anderen Brandenburger Städten und aus Berlin kamen. Aus der von den “Freien Kräften Neuruppin” angemeldeten Veranstaltung wurden immer wieder Flaschen, Böller und Eier in Richtung von Protestierenden geworfen.
Zentraler Anlaufpunkt für NazigegnerInnen war ein “Demokratiequadrat” in der Neuruppiner Innenstadt, zu der formal etwa 50 Organisationen — von der FDP über DKP, dem “Toleranten Brandenburg” bis zur Feuerwehr — aufgerufen und ihre Info- und Wurst-Stände aufgebaut hatten. Die in ersten Presseberichten genannte Zahl von “2000 Menschen”, die an dem Fest teilgenommen haben sollen, dürfte indes übertrieben sein. Realistisch kann man von etwa 800 NazigegnerInnen an diesem Tag in Neuruppin ausgehen, davon etwa ein Viertel Antifas.
Von der Hauptbühne des “Demokratiequadrats” aus sprachen unter anderem Brandenburgs Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) und der evangelische Landesbischof aus Berlin, Markus Dröge. Ein Vertreter des Bündnis “Neuruppin bleibt bunt” betonte in seiner Rede, dass er keinen “Antifaschismus” wolle, sondern “demokratische Kultur”. Als die Nazidemonstration am Rande des Festes vorbeizog, schloss die Polizei die ohnehin aufgestellten Gitter um das Quadrat zu — es gab kein Herauskommen mehr.
Ein Antifa kommentierte die Situation am Rande bissig: “Wie in der DDR — schlechtes Essen, es nennt sich demokratisch, man darf nicht raus.” Insofern war die linke Sitzblockade auf der Naziroute, übrigens in direkter Nachbarschaft des Demokratiegatters, die deutlich erfolgreichere Protestvariante. Die Polizei ging allerdings bei der Räumung der Blockade über die Maßen hart vor. Einige Blockierende wurden von der Polizei mit dem Knie auf dem Hals zu Boden gedrückt und dann über die Straße an den Rand geschleift. Es wurden zudem “Schmerz- und Schockgriffe angewendet, Hände verdreht und Nasen blutig geschlagen”, wie Neuruppiner Antifas berichten. “Flaschen und Steine” flogen bei der Blockade nicht, wie in der Presse teilweise behauptet. Auch JournalistInnen wurden während der Räumung durch die Polizei an ihrer Arbeit gehindert.
Die Neonazi-Demonstration war die dritte seit 2007 in Neuruppin (2007: 60 Nazis, 2009: 200 Nazis). Es waren mehrere hundert PolizistInnen im Einsatz. Es habe zwei Ingewahrsamnahmen gegen NazigegnerInnen gegeben, jedoch keine Festnahmen von Rechten, hieß es.
Die “Initiative Neuruppiner Antifas” kritisierte in einer ersten Stellungnahme das Großaufgebot von “zwei Helikoptern, zwei Wasserwerfern, zwei Räumpanzern, etwa 20 Motorrädern, einer Hundestaffel, hunderten Metern Hamburger Gitter und etwa 500 Bullen (teilweise BFE)”.
Auch in Lübeck gab es am Samstag eine neonazistische Demonstration. Für verschiedene Städte im Land Brandenburg sind in den nächsten Monaten weitere Neonazi-Demonstrationen angekündigt, unter anderem in Brandenburg/Havel, Bernau, Bad Freienwalde, Eberswalde, Strausberg und Manschow (Märkisch-Oderland).