Unter dem Motto „Nationaler Sozialismus statt Kapitalfaschismus“ marschierten am Samstag, den 27. März 2010 ungefähr 300 (Neo)nazis aus Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg durch Neuruppin (Landkreis Ostprignitz Ruppin).
Gemäß der im Vorfeld verbreiteten Propaganda stellten die so genannten „Freien Kräfte Neuruppin / Osthavelland“ als Veranstalter dabei in wirrer und widersprüchlicherweise die Bundesrepublik als autoritäres Regime dar, die offiziell gegen den Faschismus handle, sich aber selbst als faschistisch entlarve.
Tatsächlich entlarvt wurden aber nur die Unwissenheit der (Neo)nazis bezüglich politischer und ökonomischer Prozesse sowie die mangelnde Rationalität in der (neo)nazistischen Ideologie.
Die deutliche Frustration der braunen Akteure, die vielmehr aus ihren Pamphleten und Veranstaltungen spricht, ist daher eher dem Willen der Bundesbehörden geschuldet, offensichtliche (neo)nazistische Tendenzen durch Verbote von bestimmten Symbolen oder Organisationen zu ächten.
Die „Freien Kräfte Neuruppin / Osthavelland“ empfinden dies jedoch als autoritär sowie totalitär und projizieren bzw. polarisieren in den Konflikt mit den Strafverfolgungsbehörden vor allem den Gegensatz von Faschismus und Nationalsozialismus. Die Bundesrepublik wird dabei als faschistischer Staat angesehen, bei dem ähnlich wie in Mussolinis faschistischem Italien das Staatsgebilde selber als oberstes Ideal angesehen wird, und damit konträr zum nationalsozialistischen Weltbild der rassisch geordneten Schicksals- und Abstammungsgemeinschaft, der„Volksgemeinschaft“, steht, in dem der Staat nur eine der völkischen Gemeinschaft als Mittel zum Zweck dienende Funktion hat.
Mit der Verwendung des Begriffes „Kapitalfaschismus“ scheinen die (Neo)nazis dabei auch mehrere Absichten verfolgt zu haben. Zum einen stellt er eine Einladung an andere antikapitalistische Strömungen zur gemeinsamen Front gegen die Bundesrepublik als so genannte „Querfront“ und zum anderen ein neues Bild für eine ausschließlich vom (neo)nazistischen Milieu konstatierte, bestimmte Verflechtung zwischen Politik und Wirtschaft dar. Die (Neo)nazis unterstellen nämlich vor allem der so genannten „Hochfinanz“, die im braunen Milieu als „raffendes Kapital“ vor allem als Synonym für eine „jüdische Weltverschwörung“ steht, „freie Völker“ ökonomisch auszubeuten und durch politische „Marionetten“ zu unterdrücken.
Der so genannte „Freiheitskampf“ der „ausgebeuteten“ und „unterdrückten Völker“ spiegelt sich dabei vor allem in der Verbalradikalisierung und Aggressivität des (neo)nazistischen Milieus wieder.
Ein wirklicher „Freiheitskampf“ wurde jedoch von der überwiegenden Mehrheit des Volkes nicht mit den (Neo)nazis, sondern eher gegen sie geführt.
Auch in Neuruppin hatte sich bereits im Vorfeld des angekündigten Aufmarsches der „Freien Kräfte Neuruppin / Osthavelland“ ein breites Bürgerbündnis, dass sich für den Freiheitsbegriff im Sinne des Grundgesetzes stark macht, zusammengetan um den (Neo)nazis den Marsch durch die Stadt zu erschweren bzw. unmöglich zu machen. Dies sollte durch ein symbolisches Quadrat erreicht werden, welches die vier möglichen Hauptwege des Aufmarsches durch Stände und Veranstaltungen blockiert. Hier fanden sich gemäß Rundfunkangaben ungefähr 2.000 Menschen zusammen.
Den (Neo)nazis blieb hingegen nur der Weg durch Neben- und Seitenstraßen um ihre wirre Ideologie zu verbreiten. Doch auch hier hatten die als Demonstrationsschutz eingesetzten Polizeikräfte aus Brandenburg und Sachsen Schwierigkeiten den (Neo)naziaufmarsch durchzusetzen. Mehrfach blockierten Antifaschist_innen die Aufzugsstrecke und erzwangen so kurzzeitig den Stillstand des (Neo)nazizuges.
Erst durch das brutale Durchgreifen der Bereitschaftspolizei, wie während der Räumung einer Sitzblockade in der Schinkelstraße Ecke Friedrich Engels Straße, konnten die (Neo)nazis planmäßig, aber unter dem fortdauernden, wütenden Protest der Bürger_innen, weitermarschieren. Mehrfach wurden dabei auch Flaschen aus dem (Neo)naziaufmarsch in Richtung Protestierende geworfen, ohne das polizeiliche Maßnahmen gegen die Landfriedensbrecher_innen erfolgten.
Die von den (Neo)nazis als angeblich “(kapital)faschistisch” angefeindete Bundesrepublik, hier ihre Repräsentanten: die Polizei, stellte sich stattdessen schützend vor die “nationalen Sozialisten”, ließen sie gewähren und bis zum Ende weitermarschieren.