Möchte man so etwas? Dass alle Welt plötzlich weiß, auf dem
Nachbargrundstück haben die Nazis tausendfachen Mord beschlossen? Der Name
des Heimatdorfes fortan mit diesem Makel behaftet ist? Vielleicht am Ende
noch Neonazis dorthin pilgern? Journalisten unangenehme Fragen stellen und
irgendjemand von nebenan in die laufenden Kameras Sätze sagt, wie: “Die
waren doch ganz nett, eigentlich”. Lieber nicht. Oder doch? Schließlich
könnten ja auch amerikanische Touristen Geld in die Gemeindekasse spülen.
Wer alle Orte nationalsozialistischer Selbstdarstellung auf einer
Deutschlandkarte markieren wollte, erhielte ein schwarzes Blatt, sagen der
Spiegel-Journalist Hilmar Schmundt und der Juniorprofessor Stephan Porombka
in ihrem Sammelband, den sie “Böse Orte” genannt haben und aus dem am
Dienstagabend unter anderem Henryk M. Broder und Jana Simon im Haus der
Brandenburgisch-Preußischen Geschichte lasen. Die Autoren pilgerten, wie
jährlich Millionen verschämter Touristen, zum Führerbunker, zu den
Fundamenten von Adolf Hitlers Berghof auf dem Obersalzberg, nach Carinhall
in der Schorfheide und den dickichtbewehrten Kilometersteinen der
Reichsautobahn. Sie entdeckten ein “wildes Gedenken”, dass noch nicht durch
Dokumentationszentren gezähmt ist und “böse Orte”, die investorenfreundliche
Bürgermeister und allein gelassene Lokalhistoriker in Streit geraten lassen.
Für die Herausgeber könnte diese Irritation Erinnern wachhalten. Auch wenn
Broder, erklärter Gegner des neuen Holocaust-Mahnmals, nach der Lesung vom
“Fluch der Erinnerung” sprach und für das Vergessen plädierte.