Kategorien
Antifaschismus

Nazis wollen in Cottbus marschieren

Zu ein­er aktuellen Pro­voka­tion und bild­hafter Ide­olo­giebekun­dung seit­ens der Neon­azis kam es bei der let­zten Cot­tbuser Stadtverord­neten­ver­samm­lung am 25. Jan­u­ar diesen Jahres. Bei der Abstim­mung um den Aufruf des bürg­er­lichen Bünd­niss­es „Cot­tbus beken­nt Farbe“, der zu Ver­anstal­tun­gen gegen den geplanten Nazi­auf­marsch aufruft, zeigte das Nazi-Urgeis­tein Frank Hüb­n­er den Hit­ler­gruß. Dieses skan­dalöse Ver­hal­ten zeigt ein­mal mehr das wahre Gesicht der Organ­isatoren und verdeut­licht den NS-ver­her­rlichen­den Charak­ter des geplanten Aufmarsches. 

Die Vor­bere­itun­gen gegen den Auf­marsch im Feb­ru­ar sind in vollem Gange. Wir, die Antifa Cot­tbus unter­stützen den Aufruft von „Cot­tbus Naz­ifrei!“ und rufen eben­so wie im ver­gan­genen Jahr gemein­sam zu massen­haften Block­aden auf! Wir wer­den uns wi(e)dersetzen! Der diesjährige Auf­marsch ist an einem Mittwoch und genau zwis­chen bei­den Aktion­sta­gen in Dres­den. Wir zählen auf die Masse der Cottbuser_Innen mit denen der Auf­marsch schon im let­zten Jahr zeitweise block­iert wer­den kon­nte. Das Mit­tel des zivilen Unge­hor­sam muss tiefer in die regionale Protestkul­tur ver­ankert wer­den und in diesem Jahr noch mehr Men­schen auf die Straßen in Cot­tbus und Dres­den brin­gen. Sowohl für den 13. als auch für den 18. Feb­ru­ar wird es wieder Busse aus Cot­tbus nach Dres­den geben. …

Anfänge des Nazige­denkens 2009: Kundge­bung am „Turn­er­denkmal“ und ver­ban­nter Protest 

Eine offizielle “Trauerver­anstal­tung” am Jahrestag der Bom­bardierung gab es erst­ma­lig am 15. Febraur 2009. Die bei­den regionalen Abge­ord­neten der NPD Ron­ny Zasowk und Frank Hüb­n­er bat­en um eine “zen­trale Gedenkstunde für die Opfer des alli­ierten Ver­brechens” im Stadthaus. Diese wurde ihnen durch die restlichen Stad­tab­ge­ord­neten nicht ges­tat­tet. Daraufhin melde­ten die Neon­azis eine Kundge­bung unter freiem Him­mel an. Kurz nach dem Großauf­marsch in Dres­den mobil­isierte der Lan­desver­band der NPD Lausitz zu ein­er Kundge­bung am Turn­er­denkmal. Der von den Neon­azis gewählte Ort war jedoch the­ma­tisch dem eigentlichen The­ma nicht entsprechend. Das Turn­er­denkmal ist den gefal­l­enen Turn­ern und Sportlern im Ersten Weltkrieg gewid­met. Knapp 60 Neon­azis aus Cot­tbus und der näheren Umge­bung nah­men an der Ver­anstal­tung, die fernab der öffentlichen Wahrnehmung lag, teil. Antifaschis­tis­ch­er Protest wurde durch hohe Polizeipräsenz und den Ein­satz zahlre­ich­er Zivil­beamter unmöglich gemacht. Polizis­ten sprachen allen Protestieren­den weiträu­mige Platzver­weise aus und „begleit­eten“ diese durch die gesamte Stadt. Hier wurde seit­ens der Polizei recht schnell deut­lich, dass Protest gegen faschis­tis­ches Gedenken keines­falls erwün­scht ist. Zulet­zt wurde den Neon­azis gar ges­tat­tet, ein “Trauergesteck” an den Gedenkplat­ten für die Opfer des Bombe­nan­griffs auf dem Cot­tbuser Süd­fried­hof abzule­gen, welch­es jedoch ent­fer­nt wurde. Seit­ens bürg­er­lich­er Akteur_Innen bekam die NPD-Kundge­bung sowie das schikanierende Ver­hal­ten der Polizei kein­er­lei Aufmerksamkeit. 

Von „Gedenkkundge­bung“ zum Nazi­auf­marsch 2010: Antifa-Kundge­bung und Pressesperre 

Ein Jahr später entwick­elte sich der Jahrestag der Bom­bardierung Cot­tbus‘ von ein­er sta­tionären Kundge­bung zum Auf­marsch durch die Süd­stadt. 2010 mobil­isierten die Neon­azis bere­its öffentlich für ihren Auf­marsch. Vertreten wur­den sie hier­bei erneut durch den Kreisver­band der NPD Lausitz. Nach län­ger­er intern­er Mobil­isierung, melde­ten die Neon­azis ihren Auf­marsch erst ca. 2 Wochen vor dem 15.02. an, um die Vor­bere­itungszeit der Gegen­ver­anstal­tun­gen stark zu verkürzen. Nicht mehr als 200 Neon­azis fol­gten dem Aufruf der NPD. Wir als Antifa Cot­tbus organ­isierten an der Auf­marschroute eine Gegenkundge­bung. Unser­er Mobil­isierung fol­gten etwa 350 Men­schen aus unter­schiedlichen poli­tis­chen Spek­tren. Kurz nach der offiziellen Auflö­sung unser­er Kundge­bung wurde ver­sucht die Route des Nazi­auf­marschs zu block­ieren, was jedoch auf­grund der mas­siv­en Polizeipräsenz und der recht kurzen Mobil­isierungszeit unser­er­seits nicht zufrieden­stel­lend funk­tion­ierte. Im weit­eren Ver­lauf des Abends kam es zu Mate­ri­al­block­aden auf der Auf­marschroute und eini­gen Kon­fronta­tio­nen mit Neon­azis. Im Laufe der Nacht kam es dann von seit­ens der Neon­azis zu einem ver­sucht­en Angriff auf ein linkes Haus­pro­jekt, welch­er abgewehrt wer­den konnte. 

Das Ver­hin­dern des Auf­marsches war durch die mas­sive Polizeipräsenz und Willkür schwierig. Ein weit­er­er Fak­tor, der eine bre­ite Gegen-Mobil­isierung ein­schränk­te, war eine Press­espre­rre der Polizei über sämtliche poli­tis­chen Ereignisse rund um den Tag der Bom­bardierung. Das The­ma „Nazi­auf­marsch“ wurde somit bewusst ignori­ert und der bre­it­en Öffentlichkeit voren­thal­ten. Eben­so haben sich weite Teile der bürg­er­lichen Ini­tia­tiv­en dem schon des Öfteren prak­tizierten “Wegschau-Konzept” angeschlossen und den Neon­azis den öffentlichen Raum für ihre Pro­pa­gan­da über­lassen. Geplant war auch die notwendi­ge linke Gegen­ver­anstal­tung unter den Tisch zu kehren. Dieses Vorge­hen wurde unser­er­seits und von Einzelper­so­n­en stark kri­tisiert. Trau­riger Höhep­unkt dieser ereignis­re­ichen Wochen war ein Bran­dan­schlag auf einen Asia-Markt im nahe gele­ge­nen Drebkau, bei dem ein „poli­tis­ch­er Hin­ter­grund“ wie so oft aus­geschlossen wurde. 

2011: Erster Ver­such Cot­tbus Naz­ifrei! – Krim­i­nal­isierung und bürg­er­lich­er Protest 

Auch im Jahr 2011 hiel­ten Neon­azis an ihrem Opfermythos fest und ver­sucht­en an den mäßi­gen „Erfolg“ des Vor­jahres anzuknüpfen. Hierzu melde­ten sie auf der Route des Vor­jahres erneut einen Auf­marsch an. Um diesen zu ver­hin­dern hat sich das Bünd­nis „Cot­tbus Naz­ifrei!“ gegrün­det. Dies ist ein vielfältiger Zusam­men­schluss aus linken/ antikap­i­tal­is­tis­chen Grup­pen, Partei-Jugend­ver­bän­den, Gew­erkschaften und Stu­den­ten, die alle die gemein­same Inten­tion haben, neon­azis­tis­che Struk­turen und Aufmärsche der recht­en Szene in Cot­tbus nicht zu dulden. „Cot­tbus Naz­ifrei!“ set­zte sich zum Ziel den Auf­marsch durch zivilen Unge­hor­sam in Form von friedlichen Massen­block­aden zu ver­hin­dern. Das Konzept hat sich unser­er Ansicht nach prak­tisch bewährt, da so vielfältiger mobil­isiert wer­den kon­nte. Das Bünd­nis hat­te inner­halb kurz­er Zeit eine beachtliche Liste an Unterstützer_Innen. Dadurch wur­den die Infover­anstal­tun­gen gut besucht und viele beteiligten sich am Blockadetraining. 

Obwohl das Bünd­nis von vie­len Organ­i­sa­tio­nen getra­gen wurde, war es von Anfang mit Krim­i­nal­isierungs- und Extrem­is­musvor­wür­fen kon­fron­tiert. In der hiesi­gen Lokalzeitung ver­bre­it­ete der Direk­tor des Cot­tbuser Amts­gerichts strafrechtliche Hor­ror­märchen. Er erweck­te den Ein­druck, legit­ime Sitzblock­aden seien grund­sät­zlich eine Straftat und wür­den grund­sät­zlich strafrechtlich-sank­tion­iert. Es wurde zu keinem Zeit­punkt erwäh­nt, dass die Rechts­frage von Block­aden inner­halb der „deutschen Jus­tiz“ umstrit­ten ist und das jede Block­ade juris­tisch einzeln und ganz spez­i­fisch bew­ertet wird. Es ist anzunehmen, dass diese zweifel­haften Äußerun­gen kurz vor dem 15. Feb­ru­ar die Mobil­isierun­gen der Gege­nak­tiv­itäten schwächen soll­ten. Das Bünd­nis ließ sich jedoch nicht ein­schüchtern und hielt am Block­adekonzept weit­er­hin fest. 

Die unmit­tel­baren Auswirkun­gen der Krim­i­nal­isierung von zivilge­sellschaftlichem Engage­ment erfuhr ein Team Plakatierer_Innen am eige­nen Leib. Sie wur­den von Polizist_Innen in Gewahrsam genom­men und wur­den über Nacht auf der Polizeis­ta­tion fest­ge­hal­ten. Ihnen wurde “Aufruf zu Straftat­en” durch die For­mulierung “Nazi­auf­marsch block­ieren” vorge­wor­fen. Nur durch die mas­sive Inter­ven­tion sowohl vor dem Knast als auch auf juris­tis­chem Wege kon­nte eine rechtswidrige DNA-Ent­nahme ver­hin­dert wer­den. Die Tatvor­würfe erwiesen sich später als halt­los. Mit­tler­weile wur­den alle Anzeigen fall­en gelassen. 

Dieser Kri­m­inil­isierungstrend bot auch dem Vor­sitzen­den der NPD-Lausitz Ron­ny Zasowk eine Möglichkeit gegen „Cot­tbus Naz­ifrei!“ rechtlich vorzuge­hen. Mit dem gle­ichen Vor­wurf „Aufruf zu Straftat­en“ stellte dieser Anzeigen gegen alle Unterstützer_Innen und Organ­isatoren von „Cot­tbus Naz­ifrei!“. Jedoch wur­den alle Ver­fahren in kom­menden Monat­en von der Staat­san­fwaltschaft fall­en gelassen. 

Cot­tbus Naz­ifei! block­iert – Polizei prügelt für Neon­azis den Weg frei 

Am Dien­stag, den 15.02.2011, nah­men etwas mehr als 200 Neon­azis am Auf­marsch teil. Schon von Anfang an hat­ten sie mas­sive Prob­leme. Cot­tbuser Neon­azis fiel es schw­er zum Start­punkt ihrer Demo zu kom­men, da der Haupt­bahn­hof von vie­len Men­schen umzin­gelt wor­den war. An der Ver­anstal­tung des „Cot­tbuser Auf­bruch“, einem bürg­er­lichen Aktions­bünd­nis, nah­men 1000 Men­schen, darunter auch ein „Fin­ger“ von „Cot­tbus Naz­ifrei!“, teil. Zu den Kundge­bun­gen und Block­adefin­gern von „Cot­tbus Naz­ifrei!“ kamen mehrere hun­dert Men­schen zusammen. 

An diesem Abend kam es zu mehreren Block­ade­v­er­suchen. Die ersten, kleineren Block­aden gab es vor der Lutherkirche, direkt neben der bürg­er­lichen Gedenkver­anstal­tung. Diese wurde auf­grund der fehlen­den Men­schen­massen rel­a­tiv schnell geräumt. Nach den ersten kurzen Block­ade­v­er­suchen ori­en­tierten sich die Blockierer_Innen neu. Sie ließen sich nicht aufhal­ten, sucht­en Schle­ich­wege und Lücke
n und über­wan­den die Polizeiab­sper­run­gen. Als sich wieder eine größere Masse zusam­men­fand, kam es zu ein­er zweit­en, län­geren und größeren Block­ade. Mehrere hun­dert Men­schen set­zten sich mit Trans­par­enten auf die Straßen­route und block­ierten den Nazi­auf­marsch für etwa eine Stunde. Immer mehr Men­schen schlossen sich spon­tan an. Die Neon­azis mussten ohne Pro­gramm an ihrem Kundge­bung­sort fernab der öffentlichen Wahrnehmung ste­hen bleiben und warten. Ein Stim­mungsver­lust der Neon­azis war deut­lich zu spüren, so gin­gen einige Cot­tbuser Neon­azis bere­its frühzeit­ig nach Hause. Die ein­stündi­ge Block­ade wurde nach drei Auf­forderun­gen von der Polizei geräumt. Beamt_Innen lösten die Block­ade unsan­ft auf und macht­en den Neon­azis somit den Weg frei. Lei­der gelang es einem weit­eren “Fin­ger”, welch­er für mehrere Stun­den von der Polizei eingekesselt wurde, nicht zur größeren Block­ade zu kom­men.

Büger­lich­er Protest und fragliche Gedenkkultur 

Erfreulich­er Weise blieben im Jahr 2011 auch die bürg­er­lichen Proteste nicht aus. An der Lutherkirche, unmit­tel­bar in Sicht und Hör­weite des Start­punk­tes des Nazi­auf­marsches, ver­anstal­tete der “Cot­tbus Auf­bruch” eine Gedenk- und Mah­n­ver­anstal­tung. Unter dem Mot­to “Cot­tbus – Kein Ort für Nazis” sollte den Cottbuser_Innen ein angemessen­er Rah­men für „ihr“ Gedenken geben wer­den. Wir sehen diese Ver­anstal­tung als erfol­gre­ichen Inter­ven­tionsver­such. Bürg­er­liche Ini­tia­tiv­en haben sich offen gegen den Nazi­auf­marsch posi­tion­iert, erst­ma­lig „Gegen­ver­anstal­tun­gen“ organ­isiert und das Prob­lem öffentlich the­ma­tisiert. Wir sehen es jedoch als notwendig an, die prak­tizierte Gedenkkul­tur sach­lich zu kritisieren. 

Lei­der fand von Seit­en der Stadt bish­er keine, den his­torischen Tat­sachen angemessene, inhaltliche Auseinan­der­set­zung zu dieser The­matik statt. Die Rolle der Stadt Cot­tbus in Zeit­en des Nation­al­sozial­is­mus und den Hin­ter­grün­den zur Bom­bardierung, wur­den einzeln von linken Grup­pen beleuchtet. Im offiziellen Gedenken dominiert die per­sön­liche Betrof­fen­heit durch den alli­ierten Angriff. Dem­nach ste­ht die Trauer um eigene „Opfer“ und die Zer­störung von baulich­er Sub­stanz im Mit­telpunkt. Dabei rückt die Frage der his­torischen Kriegss­chuld in den Hin­ter­grund. Bei einem der­art geführten offiziellen Diskurs bieten sich den Neon­azis zwangsläu­fig inhaltliche Anknüp­fungspunk­te für Geschichtsver­drehung und die kon­stru­ierte eigene „Opfer­rolle“. Dabei wird ein wichtiger Aspekt vergessen: Der nation­al­sozial­is­tis­che Angriff­skrieg ging von deutschem Boden aus und brachte Not, Elend und Massen­ver­nich­tung über weite Teile der Welt. Dieser Krieg kam zwangsläu­fig an seinen Ursprung­sort zurück und musste notwendi­ger Weise in deutschen Städten been­det werden. 

Nazi­auf­marsch am 15.02.2012? Gemein­sam blockieren! 

In diesem Jahr gibt es vom Bünd­nis „Cot­tbus Naz­ifrei!“ mehrere Ver­anstal­tun­gen. Neben der Haup­tkundge­bung am Staat­sthe­ather / Schiller­park um 17:30 Uhr, wurde auf dem Bahn­hofsvor­platz eine Kundge­bung angemeldet. Auf dieser sollen eine den his­torischen Tat­sachen angemessene, inhaltliche Auseinan­der­set­zung stattfinden.

Infos unter: www.antifa-cottbus.de — www.cottbus-nazifrei.info

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Inforiot