(MAZ, 15.12.) HENNIGSDORF Die Berliner Polizei durchsuchte gestern Nachmittag die
Verkaufsräume eines Geschäfts in der Hennigsdorfer Hauptstraße. Die Aktion
richtete sich gegen den Vertrieb verbotener Neonazi-CDs. Die Beamten
beschlagnahmten drei Umzugskartons voller CDs und Kleidungsstücke der
verbotenen Marke “Thor Steinar”.
Die Berliner Behörden ermitteln im Zusammenhang mit dem Straftatbestand der
Volksverhetzung im Umfeld der Neonazi-Band “Spreegeschwader”, teilte ein
Sprecher der Berliner Polizei gestern mit. Die Spur führte auch nach
Hennigsdorf.
In der Hauptstraße 27, in einem Backsteinbau schräg gegenüber vom
historischen Rathaus, existiert seit einigen Jahren das Geschäft “On the
Streets”, ein in der Stadt bekannter Treffpunkt der rechtsextremen Szene. Zu
kaufen gibt es dort Bekleidung mit rechtsradikaler Symbolik und einschlägige
Musik-CDs. Bis vor wenigen Tagen prangte an der Ladentür noch die Reklame
für das inzwischen verbotene “Thor-Steinar”-Label.
Die von der Firma Mediatex GmbH in Zeesen (Dahme-Spreewald) produzierten
Sachen tragen ein Runen-Wappen, in dem Eingeweihte die Doppel-Sig-Rune der
SS erkennen.
Bereits in den vergangenen Wochen hatte es polizeiliche Durchsuchungen in
dem Laden gegeben. Auch diesmal wurden die Beamten fündig. Beschlagnahmt
wurden T‑Shirts mit dem verbotenen Logo sowie ein ganzer Karton mit der CD
“White Covers to Landser”. Mit Liedern von Neonazi-Bands wie
“Spreegeschwader” und “Deutsch Stolz Treu”, deren Texte als volksverhetzend
eingestuft sind.
Die gestrige Polizeiaktion erstreckte sich über drei Bundesländer. An
insgesamt 14 Orten waren Polizeibeamte im Einsatz. In Berlin-Wedding wurden
die Probenräume der Gruppe “Spreegeschwader” durchsucht, teilte die Polizei
mit. Außerhalb von Berlin hatten die Beamten nur Hennigsdorf sowie einen Ort
in Sachsen-Anhalt im Visier.
Volksverhetzung im Probenkeller
Schlag der Polizei gegen die rechtsextreme Band “Spreegeschwader”
(Tagesspiegel, 15.12.) Der Hüne mit der schwarzen Thor-Steinar-Hose stand frierend auf dem
Fabrikhof in der Drontheimer Straße in Wedding. Dort, wo sich der Mann hätte
aufwärmen können, durfte er nicht hin: Die Polizei durchsuchte gestern den
Probenraum der rechtsextremen Berliner Rockband “Spreegeschwader”. In dem
muffig riechenden Keller waren ein Schlagzeug und mehrere Gitarren
aufgebaut, an der Decke hingen Tarnnetze und auf den Wänden prangten Runen.
Doch die Beamten der Abteilung Staatsschutz im Landeskriminalamt
interessierten sich vor allem für einschlägige CDs. Die Durchsuchung war
keine Einzelaktion: In Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt rückte die
Polizei in mehr als einem Dutzend Objekten der rechtsextremen Musikszene an.
Und wurde fündig.
Wie viele Tonträger beschlagnahmt wurden, konnte die Polizei allerdings
gestern noch nicht sagen. Die Durchsuchungen zogen sich den Tag über hin.
Anlass für den Einsatz waren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen
sieben rechtsextreme Musiker. Die Behörde spricht von Volksverhetzung und
Verstößen gegen das Urhebergesetz. Als volksverhetzend gelten Texte von
Spreegeschwader und der Berliner Band “Deutsch, Stolz, Treue” auf der CD
“White Covers to Landser”. Dieser Sampler ist der Berliner Nazi-Band Landser
gewidmet. Deren Mitglieder hatte das Kammergericht als kriminelle
Vereinigung abgeurteilt.
Verstöße gegen das Urhebergesetz sehen Staatsanwaltschaft und LKA bei dem
Sampler “Hier tobt der Bär”. Die Melodien dreier Titel seien aus populären
Songs übernommen worden. So wurde beispielsweise ein höhnischer Text über
den in der Szene verhassten Berliner Polizeidirektor Michael Knape mit der
Tonfolge von “Pink Panther” kombiniert.
Schon mehrmals haben Künstler den Diebstahl geistigen Eigentums durch braune
Bands beklagt. Die Berliner Liedermacherin Bettina Wegner konnte sich jedoch
mit einem Strafantrag nicht durchsetzen — obwohl das sächsische LKA sie
ermuntert hatte. Spreegeschwader hat laut Wegner ihr Lied “Kinder — sind so
kleine Hände” in zynischer Weise umgetextet. Der Song erschien auf einer CD
der NPD für den vergangenen Wahlkampf in Sachsen. Doch das Landgericht
Leipzig, so Wegner, habe signalisiert, die Klage sei chancenlos.