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Neonazi freigesprochen

Über­fall in Rathenow bleibt ungesühnt

Das Amts­gericht Rathenow hat am 20. Sep­tem­ber den 25-jähri­gen Neon­azi Math­ias M. vom Vor­wurf der gefährlichen Kör­per­ver­let­zung freige­sprochen. Die Staat­san­waltschaft hat­te ihm vorge­wor­fen, in der Nacht zum 23. August 2004 zusam­men mit drei nicht ermit­tel­ten Tätern ver­mummt und mit Totschlägern bewaffnet eine Gruppe Link­er in einem Auto über­fall­en und einen der Insassen schw­er zusam­mengeschla­gen zu haben.

Nach der fast fün­f­stündi­gen Beweisauf­nahme stand für die Staat­san­waltschaft und für die Neben­klage fest: Math­ias M. ist als Täter iden­ti­fiziert, er war am Über­fall beteiligt. Das legte nicht nur seine Gesin­nung nahe — bei ein­er Haus­durch­suchung waren Klei­dungsstücke mit der Auf­schrift “B & H” (für die ver­botene Neon­azi-Grup­pierung “Blood and Hon­our”) und ein Gum­miknüp­pel gefun­den wor­den, M.´s Teil­nahme an Nazi-Demon­stra­tio­nen war in Fotos fest­ge­hal­ten wor­den — M. selb­st gab zu, dass er mit seinem Wagen, einem dun­klen VW-Kom­bi, in jen­er Nacht durch Rathenow fuhr. Allerd­ings will er, wie er in sein­er Ein­las­sung angab, nicht in der Nähe des Angriffs auf den Wagen des Antifaschis­ten Flo­ri­an E. gewe­sen sein; er selb­st sei von Unbekan­nten ver­fol­gt wor­den. Eine Behaup­tung, die durch keine weit­eren Beweise unter­mauert wurde und nach Ansicht von Staat­san­waltschaft und Neben­klage eine Schutzbe­haup­tung darstellte.

Fest ste­ht also, dass er den Wagen fuhr, den zwei Zeu­gen, die beim Über­fall ver­let­zt wur­den, ein­deutig am Kennze­ichen iden­ti­fizieren kon­nten. Außer­dem hat­te Flo­ri­an E. ihn direkt iden­ti­fiziert, als M., mit einem Teleskop­schlag­stock bewaffnet, bis auf Arm­länge an Flo­ri­an herangestürmt kam. Durch die Löch­er der Has­s­maske kon­nte Flo­ri­an Augen und Mund­par­tie von M. wieder­erken­nen, den er vom Sehen kan­nte. Wenige Tage später lief M. während eines Fußball­spiels dicht an Flo­ri­an vorbei.

Richter Ligi­er sah die Sache anders, selb­st die Wieder­erken­nung des Kennze­ichens zog er in Zweifel. Das Erin­nerungsver­mö­gen der Zeu­gen sei getrübt, ihre Wahrnehmung sei gestört gewe­sen. Der Richter zog als Begrün­dung einige Wider­sprüche und Erin­nerungslück­en der Zeu­gen her­an, die nach Auf­fas­sung der Neben­klage jedoch aufk­lärt wur­den. Björn S., der als einziger im Wagen blieb und, während die anderen flüchteten, von mehreren Ver­mummten mit Met­allschlagstöck­en gegen Kopf und Oberkör­p­er geschla­gen wurde, stand unter Schock, als die Polizei ihn in der­sel­ben Nacht ver­nahm. Bei der polizeilichen Vernehmung hat­te er sich zusam­men­gereimt, dass Flo­ri­ans Auto von einem vor ihnen fahren­den PKW aus­ge­bremst wor­den sei, vor Gericht war er sich sich­er, dass ein Wagen hin­ter ihnen Lichthupe gegeben hätte, so dass Flo­ri­an dachte, an seinem Wagen sei etwas nicht in Ord­nung, und arg­los ausstieg, um nachzuse­hen. Der plöt­zliche Über­fall der bewaffneten Ver­mummten löste bei Flo­ri­an eine Schreck­sekunde aus, die ihn erstar­ren ließ, bei Björn einen Tun­nel­blick, er achtete nur auf die Waf­fen und das Kennze­ichen, alles andere war neben­säch­lich. Warum die ein­deutige Iden­ti­fika­tion des Auto­kennze­ichens durch die Konzen­tra­tion aufs Wesentliche beein­trächtigt gewe­sen sei, das wird das Geheim­nis des Richters bleiben.

Der Fall zeige, so die Auf­fas­sung der Neben­klagev­ertreterin Antje Kla­mann, wie die Jus­tiz mit zweier­lei Maß messe: während die Staat­san­waltschaft Pots­dam gegen fünf Antifaschis­ten wegen ver­sucht­en Mordes ermit­telt, weil ein Teleskop­schlag­stock gegen einen Neon­azi einge­set­zt wor­den sei, ermit­telte dieselbe Staat­san­waltschaft im Fall des Angriffs in Rathenow nur wegen gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung und ver­säumte selb­st, die Blut­spuren an bei der Haus­durch­suchung gefun­de­nen Klei­dungsstück­en von M. mit denen des Opfers ver­gle­ichen zu lassen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Staat­san­waltschaft gegen das Urteil Beru­fung ein­legt und die Sache vors Landgericht in Pots­dam kommt. Wenn nicht, und das sei hier angekündigt, wird die Neben­klage Revi­sion ein­le­gen, wofür die Neben­kläger Geld brauchen. Denn eins ist sich­er: das Urteil ist inakzept­abel, es ist inakzept­abel, dass Neon­azis, die solcher­art organ­isierte und bewaffnete Über­fälle in ihrem Reper­toire haben, weit­er­hin frei herumlaufen.

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