(BM, M. Lukaschewitsch) Neuruppin — Karsten G., wegen versuchten Mordes an sechs Menschen angeklagter Neonazi aus Rathenow, wollte gestern beim Prozessauftakt vor dem
Landgericht Neuruppin erst einmal klarstellen: “Mit meiner politischen Auffassung haben die Tatvorwürfe nichts zu tun”, beteuerte der 27-jährige ehemalige Chef der 1997 vom Brandenburger Innenministerium verbotenen
rechtsradikalen “Kameradschaft Oberhavel”. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, am Abend des 3. September vergangenen Jahres zwei Molotow-Cocktails auf
die Döner-Gaststätte “Schabalala” in Hennigsdorf (Oberhavel) geschleudert zu haben.
G. räumte gestern lediglich ein, er habe ein “Zeichen” setzen wollen, dass “die so was nicht mit mir machen dürfen”. Damit meinte er den türkischen
Inhaber und einen türkischen Angestellten des Döner-Restaurants. Dort tauchte G. an jenem Abend gegen 20 Uhr wieder auf, nachdem er Stunden zuvor von Inhaber Buhan A. (48) wegen einer Schlägerei mit einem anderen Gast
hinausgeworfen worden war. Bei sich trug G. zwei Brandsätze. Einen davon zündete er an und versuchte, in die Gaststätte zu gelangen. Offenbar — so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft — um “Türken abzufackeln”. Doch Buhatian
A., ein stämmiger Kurde, der im Lokal als Tresenkraft arbeitete, stemmte sich gegen die Tür.
Daraufhin schleuderte Karsten G. zwei brennende Flaschen gegen die Scheibe des Imbisses. Der türkische Angestellte und die fünf deutschen Gäste hatten Glück: Der Brandsatz durchschlug nur eine Scheibe der Doppelverglasung. Der
zweite prallte von der Tür ab, ohne zu zerbrechen. Hätten die Brandsätze die Scheiben durchschlagen, so wären die Folgen womöglich tödlich gewesen: Hinter dem Tresen befand sich eine Gasflasche.
Der “Denkzettelversion” widersprach gestern der als Zeuge geladene Döner-Inhaber: “Du sollst Angst haben, wir werden euch töten”, das seien die Worte von G. gewesen, als Buhan A. ihn vor die Tür setzte.
G. war in den Imbiss gekommen, um den Betreiber dazu zu bewegen, von einer Beleidigungsklage Abstand zu nehmen. Ein “rechtsorientierter” Freund von G. hatte Buhan A. mit ausländerfeindlichen Schmähungen überzogen. Doch Buhan A.
bestand darauf, dass sich der Übeltäter bei ihm erst entschuldigen solle. G. erwiderte, dies sei inakzeptabel: “Du hast uns den Krieg erklärt.” Dann
schlug er grundlos und ohne Vorwarnung einen Gast. Buhan A. schmiss ihn aus dem Lokal.
Auf versuchten Mord stehen zwischen drei und 15 Jahren Gefängnisstrafe. Der Prozess wird morgen fortgesetzt.
Versuchter Mord oder schwere Brandstiftung?
Dem Neonazi Karsten G. wird vorgeworfen, mit Molotow-Cocktails das Leben von sieben Menschen gefährdet zu haben
(Berliner Zeitung, Katrin Bischoff und Jens Blankennagel) NEURUPPIN. Brannte der Molotow-Cocktail bereits, als Karsten G. im September 2003 in Hennigsdorf (Oberhavel) in einen türkischen Imbiss eindringen wollte? Oder hat der 27-Jährige den Brandsatz erst angezündet, nachdem ihm
der Wirt den Zutritt verwehrte? Das ist die zentrale Frage in dem Prozess vor dem Landgericht Neuruppin. Denn dort muss sich der einstige Vorsitzende der rechtsextremen “Freien Kameradschaft Oberhavel” seit Dienstag verantworten. Die Anklage wirft dem Neonazi versuchten Mord in sieben Fällen vor, weil er das Lokal mit brennendem Brandsatz betreten wollte — sonst wäre
die Tat nur schwere Brandstiftung.
Am 3. September war G. gegen 16 Uhr in das Bistro gekommen. Er wollte den Wirt von einer Anzeige wegen Beleidigung abbringen, die der Wirt gegen einen Freund von G. erstattet hatte. Der Wirt erklärte sich dazu nur bereit, wenn
sich der Freund bei ihm entschuldigt. Daraufhin soll der bereits reichlich betrunkene G. auf einen Gast eingeprügelt haben. Der Wirt, der aussagte, in der Türkei beim Geheimdienst gearbeitet zu haben, schlug zurück, warf den
Randalierer raus und alarmierte die Polizei. G. soll gebrüllt haben: “Wir töten euch und eure Kinder. Wir fackeln hier. Kanaken.”
Nach dem Rausschmiss gab G. keine Ruhe. “Ich wollte ihnen zeigen, dass sie es mit mir nicht einfach so machen können. Aber ich hatte bestimmt kein fremdenfeindliches Motiv”, sagte der in Schlips und Kragen erschienene
Angeklagte. Er sei mit der S‑Bahn nach Berlin gefahren und habe dort bei Bekannten noch zwei, drei Bier getrunken. Die leeren Flaschen habe er mit Benzin gefüllt und einen Stofffetzen in die Flaschen gehängt. So für seinen
Rachefeldzug ausgerüstet, fuhr er zurück nach Hennigsdorf. Doch er kam nicht ins Bistro, weil ein Kellner von innen die Tür zuhielt. G. warf zwei Brandsätze gegen Tür und Scheiben. Doch sie durchschlugen nur eine der
beiden Sicherheitsscheiben und brannten ab, ohne die Gäste im Bistro zu gefährden.
Der Kellner, der einen Dolmetscher brauchte, machte vor Gericht widersprüchliche Angaben. Zunächst gab er an, G. habe an der Tür gerüttelt und in der anderen Hand eine Flasche gehalten — die noch nicht brannte.
Später sagte er, der Molotow-Cocktail habe bereits gebrannt, als G. ins Lokal wollte. Das hatte er auch bei der ersten Polizeivernehmung gesagt. Da war aber kein Dolmetscher anwesend. Und obwohl der Kellner kein deutsches
Wort lesen kann, unterschrieb er das Protokoll. “Mal wieder eine Glanzleistung unserer Polizei”, bemerkte der Vorsitzende Richter.
Für den Anwalt von G. war der Zeuge willkommen. Zumal der Kellner in seiner zweiten Vernehmung angegeben hatte, G. sei mit einer Plastiktüte vor dem Bistro aufgetaucht. “Damit sind die Aussagen wohl wertlos”, sagte Peter Stöckicht. Der Anwalt ist in der rechten Szene kein Unbekannter. Der NPD-Mann verteidigte bekannte Neonazis wie Manfred Roeder oder den Obdachlosenmörder von Ahlbeck, Gunnar Doege. Außerdem vertritt er die “Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene” (HNG). Er vertrat
auch G., als dessen rechtsextreme “Kameradschaft Oberhavel” 1997 vom brandenburgischen Innenminister verboten worden war. Danach widmete sich G. verstärkt der HNG-Arbeit und war bis zu seiner Verhaftung für das Layout der
rechtsextremistischen Vereinszeitung verantwortlich.
Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.
Imbiss-Anschlag: Täter gesteht
(TAZ) NEURUPPIN dpa Im Prozess wegen des Brandanschlags auf einen türkischen Imbiss im brandenburgischen Hennigsdorf (Oberhavel) hat ein wegen versuchten Mordes Angeklagter ein Geständnis abgelegt. “Damit wollte ich denen einen
Denkzettel für vorherige Prügel verpassen”, sagte der 27-Jährige vor dem Landgericht Neuruppin gestern. Die Staatsanwaltschaft wirft dem gelernten Bürokaufmann, der zeitweise Chef der rechten Kameradschaft Oberhavel war,
versuchten Mord und versuchte schwere Brandstiftung vor. Er hatte nach einem Streit am Abend des 3. September 2003 zwei brennende Molotowcocktails auf das Lokal geworfen, in dem sich sieben Menschen aufhielten. Verletzt wurde
niemand. Doch habe er aus Ausländerfeindlichkeit heraus den Tod der sieben Imbissgäste in Kauf genommen, so die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage.
Brandanschlag auf Türkenimbiss war “Racheakt”
27-jähriger Angeklagter gesteht die Tat
(LR) Im Prozess um einen Brandanschlag auf einen türkischen Imbiss in Hennigsdorf hat der Angeklagte ein Geständnis abgelegt. “Damit wollte ich denen einen
Denkzettel für vorherige Prügel verpassen”, sagte der 27-Jährige gestern vor dem Landgericht Neuruppin.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem gelernten Bürokaufmann, der zeitweise Chef der rechten Kameradschaft Oberhavel war, versuchten Mord und versuchte schwere Brandstiftung vor. Er hatte nach einem Streit zwei Molotowcocktails
auf das Lokal geworfen, in dem sich sieben Menschen aufh
ielten. Verletzt
wurde niemand.
Auf versuchten Mord steht Freiheitsstrafe zwischen drei und 15 Jahren.