Neonazi-Stratege spinnt Netz in der Lausitz
Die Rechten wollen am 13. Dezember erst in Hoyerswerda, dann in Cottbus aufmarschieren. Mit dumpfen Parolen gegen die Ost-Erweiterung der Europäischen Union wie «Sachsen bleibt deutsch!» wollen sie offenbar eine Anti-Polen-Stimmung schüren und Sympathisanten gewinnen. Der Hamburger Christian Worch, «Vordenker» und «strategischer Kopf» der deutschen Neonazi-Szene, ist einer der Drahtzieher der Demonstrationen. Er spinnt die Fäden zu Lausitzer «Kameradschaften».
Der «Kampf auf der Straße» ist seine Sache. Schon oft hat Christian Worch einer hinterher trottenden Anhängerschar von der Ladefläche des Führungsautos markige Worte eingepeitscht. Und die Männer und Frauen in den Springerstiefeln brüllten ihm die Parolen dann artig nach.
Dabei sieht Christian Worch anders aus als die meisten Menschen, die ihm hinterherlaufen. Er hat Haare auf dem Kopf und trägt in der Regel unauffälliges Schuhwerk. Doch diese Harmlosigkeit täuscht.
Mehrmals stand Worch schon vor Gericht. Das letzte Mal ist er 1997 aus der Haft entlassen worden. Er war für ein Jahr und neun Monate im Gefängnis, weil er die «Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten» trotz deren Verbots weitergeführt hatte.
Verfassungsschützer bezeichnen Worch als «Vordenker» und «strategischen Kopf» der Neonazi-Szene, als eine ihrer Führungsfiguren. Seinen «Kampf auf der Straße» beschränkt der Hamburger inzwischen längst nicht mehr auf den Norden Deutschlands. Auch in Sachsen und Brandenburg trampelt er immer häufiger mit seinen Anhängern durch die Innenstädte. Ende letzten Jahres organisierte er Aufmärsche in Potsdam und Teupitz. Jetzt will er in Cottbus und Hoyerswerda braunes Gedankengut auf die Straße tragen. Nach RUNDSCHAU-Informationen liegt der Cottbuser Polizei eine Voranfrage von ihm für eine Demonstration vor. Beim Ordnungsamt Hoyerswerda hat er eine schon angemeldet.
«Wir sind noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen, auch vom Publikum, von den Teilnehmern her nicht. Daran muss noch gearbeitet werden» , hatte Worch vor gut einem Jahr in einem Interview die Strategie erklärt. «Themen und Ausdrucksformen müssen aktualisiert werden und den Nerv der breiten Masse treffen, die Bedürfnisse der einfachen Menschen ansprechen.»
In der Lausitz sieht Worch diesen Nerv offenbar in der Angst vor Ost-Europa. In Cottbus und in Hoyerswerda will er gegen «die durch die EU-Ost-Erweiterung drohende Masseninvasion der so genannten Ostvolk-Angehörigen» wettern. Der «Widerstand», erklärt er im Demonstrationsaufruf, richte sich gegen die «Vergabe deutschen Geldes für Polen, Tschechen & Co.», die «Entdeutschung Sachsens» und gegen den «Abbau deutscher Arbeitsplätze in Brandenburg».
Als Redner in Cottbus und Hoyerswerda kündigt Worch den Weinheimer Holocaust-Leugner Günter Deckert an. Und Gordon Reinholz aus Frankfurt (Oder). Der ist in der Lausitz ein alter Bekannter. Für eine so genannte «Lausitzer Arbeitsloseninitiative» hatte Reinholz im vergangenen Dezember eine Demo in Hoyerswerda angemeldet, an der 100 Rechtsextreme aus Sachsen und Brandenburg teilnahmen.
Der brandenburgische Verfassungsschutz bezeichnet Reinholz als einen «Neonazi» , der sich intensiv um den «Märkischen Heimatschutz» kümmert. Diese Gruppierung will sich als «Sammelbecken für neonazistische Kameradschaften» profilieren und soll 50 Mitglieder zählen.
Reinholz taucht auch im Impressum der «Mitteldeutschen Jugendzeitung» (MJZ) auf. Mit dem Blatt, das auch an Cottbuser Schulen verteilt wird, soll Nachwuchs für «freie Kameradschaften» geködert werden. Nach Erkenntnissen der Verfassungsschützer mischen bei dieser Postille etliche rechtsextremistische Gruppierungen aus Sachsen und Brandenburg wie die «Schlesischen Jungs» aus Niesky, die «Kameradschaft Schlesien» aus Weißwasser, die «Lausitzer Front» aus Guben und eine «Kameradschaft Cottbus» mit. Die «Freien Aktivisten Hoyerswerda» waren bis Anfang des Jahres sogar Mitherausgeber der MJZ.
«Diese Gruppierung spielte eine zentrale Rolle bei den Vernetzungsbestrebungen der rechtsextremistischen Kameradschaftsszene in Ostsachsen» , erklärt Alrik Bauer vom sächsischen Verfassungsschutz, der das Potenzial der rechtsextremistischen Skinhead- und Kameradschaftsszene in Hoyerswerda auf 50 bis 70 Personen schätzt. Nach dem Wegzug eines führenden Aktivisten nach Mecklenburg-Vorpommern hätten deren Aktivitäten aber deutlich nachgelassen.
Worch galt lange als Verbindungsmann der NPD zu den freien Kameradschaften. Sein Verhältnis zu dieser Partei ist aber merklich abgekühlt. Inzwischen kocht Worch offensichtlich mehr und mehr sein eigenes rechtes Süppchen, das er mit dem Wort «echter Nationaler Widerstand» umschreibt.
«Bei diesem Begriff handelt es sich nur bedingt um eine Organisationsbezeichnung» , erklärt Verfassungsschützer Alrik Bauer. «Er steht auch für die Vernetzungsbestrebungen aller rechtsextremistischen Kräfte, gleichgültig ob Einzelpersonen, Parteien, Kamerad-schaften oder andere Organisationen.» Vor allem rechtsextremistische Kame-radschaften verstünden sich aber als Teil dieses «Nationalen Widerstandes».
Das verbindet sie mit Worch, der nicht müde wird, sie zu Demos auf die Straße zu treiben.
Veranstaltungsverbote pflegt er bis vor das Bundesverfassungsgericht anzufechten. Mehrfach haben Verfassungsrichter Worch schon Recht gegeben. In einer Eilentscheidung stellten sie fest, eine Versammlung könne «nicht schon deshalb verboten werden, weil politisch missliebige Meinungen geäußert werden» . Wie eine Trophäe trägt Worch seither diesen Beschluss bei Demos vor sich her.
«Das politische Potenzial von Demonstrationen ist gewaltig», hat Worch einmal gesagt. «Dafür reicht es natürlich nicht, wenn ein paar hundert oder bestenfalls wenige tausend Menschen auf die Straße gehen. Sind es hingegen zigtausende oder hunderttausende, entsteht echte Gegenmacht.»
Das gilt natürlich auch umgekehrt. Beim letzten Mal, als Rechtsextreme durch Hoyerswerda marschierten, stellte sich allerdings nur eine einzige Frau mutig gegen den Nazi-Zug.
(Inforiot) Mehr zur Nazidemo in Cottbus und Hoyerswerda: www.asncottbus.org.