(BM)Potsdam — Erstmals in seiner fast fünfjährigen Amtszeit hat Innenminister
Jörg Schönbohm eine rechtsextremistische Kameradschaft verboten. Es handelt
sich um den Verein “Hauptvolk” und deren Untergliederung “Sturm 27”. Mehr
als 300 Beamte haben gestern ab 5 Uhr früh über 40 Objekte im Havelland
sowie in Sachsen-Anhalt und Niedersachen durchsucht und umfangreiches
Material sichergestellt. In 34 Wohnungen trafen die Beamten der
Polizeipräsidien Potsdam und Frankfurt (Oder), des Verfassungsschutzes sowie
des Landeskriminalamtes die Bewohner an, die übrigen Wohnungen wurden durch
den Schlüsseldienst geöffnet. Sichergestellt wurden neben Hunderten CDs mit
rechtsextremer Musik neonazistische Propaganda-Schriften, NS-Devotionalien
sowie Schreckschußwaffen und ein Bajonett.
“Zweck und Tätigkeit der Kameradschaft Hauptvolk und deren Untergliederung
richtet sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der
Völkerverständigung”, begründete Schönbohm das Verbot.
Laut Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber weist die Kameradschaft
Nähe und Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus auf. In eigenen
Veröffentlichungen hätten sich die Anhänger der Kameradschaft selbst als
Nationalsozialisten bezeichnet und wiederholt Vertreter des NS-Regimes
zitiert. Nach Angaben des Innenministeriums waren Mitglieder der
Kameradschaft auch an Überfällen auf einen linken Jugendclub und auf
alternative Jugendliche in Rathenow beteiligt. Rechtsextreme wie Maurice K.,
Daniel K., Jens R. und Christian W. waren zudem 2002 als Wachschutzmänner in
einem Asylbewerberheim der Arbeiterwohlfahrt in Rathenow tätig und sollen
Verbindungen ins Rotlichtmilieu haben. Im Auftrag der Sicherheitsfirma Z.
sollen sie auch Besuche von Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber und
Innenminister Jörg Schönbohm abgesichert haben.
Die Verfassungsschutzchefin nannte vor allem die Aktivität der
rechtsextremistischen Musikszene besorgniserregend: Auch “Hauptvolk” habe
über CDs ihre Parolen unter den Jugendlichen verbreitet. Die Kameradschaft
habe sich sogar als Fußballteam in Rathenow engagiert. Mehrere Mitglieder
vom “Hauptvolk” spielten lange Zeit beim BSC Rathenow II sowie bei der BSG
Einheit Bamme/Gräningen (2. Kreisklasse). Die rechten Kicker organisierten
in Brandenburg mehrere “Nationale Fußballturniere”.
In der Kameradschaft und ihrer Untergliederung waren rund 60 Personen
organisiert. Die Gruppe entstand etwa 2000 aus dem Kern der
rechtsextremistischen Szene in Rathenow/Premnitz. Regelmäßig traten die
Mitglieder durch die Kleidung deutlich sichtbar als Verband auf.
Vereinszeichen war ein altdeutscher Schriftzug “Hauptvolk”. Der Name “Sturm
27″ lehnt sich an die zur Nazi-Zeit in der Region Rathenow aktive SA-Brigade
27 an.
Rechtsextreme Kameradschaft verboten
41 Wohnungen im Havelland durchsucht / “Hauptvolk” hatte mehr als 60
Mitglieder
(Berliner Zeitung)POTSDAM. Mehr als 300 Polizeibeamte haben am Dienstagmorgen 41 Wohnungen im
Landkreis Havelland sowie in Sachsen-Anhalt durchsucht. Der Großeinsatz
richtete sich gegen die rechtsextremistische “Kameradschaft Hauptvolk” und
ihre Untergliederung “Sturm 27”. Gegen beide Gruppen hatte Innenminister
Jörg Schönbohm (CDU) zuvor eine Verbotsverfügung nach dem Vereinsrecht
erlassen. Die Aktivitäten der Kameradschaft richteten sich gegen die
verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung, sagte
Schönbohm: “Mit dem Verbot setzen wir ein eindeutiges Signal im Kampf gegen
den Rechtsextremismus.”
Bei den Durchsuchungen, die sich auf die Städte Rathenow und Premnitz
konzentrierten, beschlagnahmte die Polizei umfangreiches
nationalsozialistisches Propagandamaterial. In den Schriften seien
prominente Nazis verherrlicht und Juden verunglimpft worden, sagte
Schönbohm. Auch Schreckschusswaffen, die derzeit noch genauer untersucht
werden, wurden gefunden. Ferner mehr als 100 Musik-CDs mit
rechtsextremistischen Texten sowie T‑Shirts, Mützen und Schlüsselanhänger,
die in weißer, altdeutscher Schrift die Aufschrift “Hauptvolk” tragen.
Der Potsdamer Polizeipräsident Bruno Küppers nannte es “einmalig”, dass die
Mitglieder der Kameradschaft mit diesen Kleidungsstücken “so offen, mit
Stolz geschwellter Brust rumgelaufen sind”. Auch mit Tätowierungen hätten
sich die Mitglieder zu der Kameradschaft bekannt. Die Polizei stellte auch
Plastiktüten mit größeren Geldbeträgen — insgesamt etwa 2 000 Euro — sicher.
Dies könne ein Beleg dafür sein, dass Mitgliedsbeiträge erhoben wurden,
sagte Küppers. Ob und welche strafrechtlichen Schritte gegen Einzelne
eingeleitet werden, könne erst nach Auswertung der beschlagnahmten
Gegenstände bewertet werden.
Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass der “Kameradschaft Hauptvolk” und
dem “Sturm 27” mehr als 60 männliche Mitglieder im Alter bis Mitte 20
angehörten. “Hauptvolk” sei ihrer Behörde seit etwa vier Jahren bekannt,
sagte Verfassungsschutz-Chefin Winfriede Schreiber. Die Indizien für
verfassungswidrige Bestrebungen hätten sich mehr und mehr verdichtet. Zudem
sei erst in jüngerer Zeit deutlich geworden, dass der als aggressiver und
gewalttätiger geltende “Sturm 27” eine Untergruppierung sei. Der Name ist
abgeleitet von der im Dritten Reich im Raum Rathenow aktiven SA-Brigade 27.
Dort seien vor allem Jugendliche aktiv gewesen, sagte Schreiber. Auch eine
eigene Fußballmannschaft sei unterhalten worden. Auf Vernetzungen mit
anderen rechtsextremen Gruppierungen habe ihre Behörde keine Hinweise, so
Schreiber. Zu der Zahl rechter Kameradschaften in Brandenburg wollte sie
keine Angaben machen.
Mit dem am Dienstag vollzogenen Verbot verbietet das Brandenburger
Innenministerium zum dritten Mal seit Bestehen des Landes eine rechtsextreme
Kameradschaft nach dem Vereinsrecht. Schönbohms Vorgänger Alwin Ziel (SPD)
ging 1995 in gleicher Weise gegen die “Direkte Aktion/Mitteldeutschland
(JS)” und 1997 gegen die “Kameradschaft Oberhavel” vor.
Der Verein und seine Mitglieder seien in den vergangenen Jahren immer wieder
durch neonazistische Propaganda sowie zahlreiche Straftaten aufgefallen,
sagte Schönbohm. Unter anderem seien sie an Angriffen auf antifaschistische
Gruppen in Rathenow beteiligt gewesen. “Die verfassungsfeindliche Betätigung
war für den Rechtsstaat nicht mehr länger hinnehmbar”, erklärte der
Innenminister. Zugleich mahnte der CDU-Politiker erneut bei Politik,
Vereinen und Kirchen mehr gesellschaftliches Engagement gegen
rechtsextremistische Tendenzen an. “Die Polizei kann Strukturen zerschlagen,
aber nicht extremistisches Gedankengut beseitigen”, sagte Schönbohm. In
diesem Zusammenhang griff er die PDS an und warf ihr Doppelzüngigkeit vor:
Einerseits fordere die Partei, den Kampf gegen den Rechtsextremismus zu
verstärken. Gleichzeitig wolle sie den Verfassungsschutz durch empfindliche
Streichungen schwächen.
Braunes Netzwerk
(Berliner Zeitung)Neonazis: Bundesweit gibt es laut Verfassungsschutz 160 freie
Kameradschaften von Neonazis. In ihnen sind viele der 3 000 Neonazis
organisiert. Die Zahl der weniger gewaltbereiten Rechtsextremisten wird auf
10 000 geschätzt.
Überregional: Es gibt vier überregionale Kameradschaften — darunter das
Nationale und Soziale Aktionsbündnis Mitteldeutschland (NSAM), das unter
anderem auch in Brandenburg präsent ist.
Brandenburg: Im Land gibt es etwa ein Dutzend Neonazi-Kameradschaften -
insgesamt sollen ihnen etwa 200 Neonazis angehören.
MHS: Besonders aktiv ist der “Märkische Heimatschutz” (MHS), der im
Nordosten des Landes versucht, die Kameradschaften zu koordinieren.
Hochburgen: Kameradschaft
en haben sich auch im Havelland, in
Potsdam-Mittelmark, in Königs Wusterhausen, Cottbus, Senftenberg und
Spremberg gebildet.
Havelland: Die Kameradschaft “Hauptvolk” wirkte vor allem im Kreis Havelland
und nicht wie der “Heimatschutz” in mehreren Kreisen.
Eigene Sportmannschaft
(Berliner Zeitung)RATHENOW. Die Neonazis der “Kameradschaft Hauptvolk” traten in Rathenow gern
öffentlich in Erscheinung. Ihre eigene Fußballmannschaft namens “Sportvolk”
spielte sogar in der Zweiten Stadtliga. “Doch sie waren ziemlich schlecht
und lagen auf dem letzten Platz”, sagt ein Sprecher der Antifa Havelland.
Auf den Straßen der Stadt sollen die Mitglieder der Kameradschaft aber
durchaus “dominant” gewesen sein. “Viele hatten Angst vor ihnen”, sagte der
Antifa-Sprecher. Die Mitglieder bildeten eine “sektenähnliche, gewaltbereite
Neonazi-Gruppe”. Etwa 30 gehören zum harten Kern der Kameradschaft, weitere
20 zur Untergruppe “Sturm 27”.
Viele Mitglieder der Kameradschaft sind laut Antifa seit 1990 in der
Neonazi-Szene aktiv und haben sich Ende 2000 als Kameradschaft zusammen
geschlossen. Die meisten seien bereits wegen Gewalttaten der Polizei
bekannt, verurteilt oder haben Haftstrafen abgesessen. 2002 wurde bekannt,
dass vier Mitglieder der Kameradschaft im Auftrag einer Wachschutzfirma das
örtliche Asylbewerberheim bewachten. Nach öffentlichen Protesten wurde die
Wachschutzfirma gewechselt.
Die Mitglieder der Kameradschaft reisten zu Neonazi-Aufmärschen
oder ‑Konzerten nach Potsdam, Dresden, Magdeburg und Dessau. Sie betrieben
eigene Internet-Seiten, die inzwischen abgeschaltet wurden. In einer
einstigen Fabrikhalle bauten sie ein Kick-Box-Projekt auf und fanden vor
kurzer Zeit in einer ehemaligen Brauerei einen Proberaum für eine eigene
Band. Die Sturm-27-Mitglieder sollen sich zuletzt in einem Bungalow einer
Rathenower Kleingartenkolonie getroffen haben.
Neonazi-Verein verboten
Brandenburg erhöht Verfolgungsdruck auf die rechtsextreme Szene
(MAZ)POTSDAM Brandenburg hat gestern früh die seit März 2001 im Havelland aktive
Neonazi-Kameradschaft “Hauptvolk” sowie deren Jugendverband “Sturm 27”
verboten. Zeitgleich durchsuchten mehr als 300 Polizeibeamte etwa 40
Wohnungen vorwiegend in Rathenow und Premnitz. Dabei wurden hunderte CDs mit
rechtsextremer Musik, Hitler-Bilder sowie zahlreiche den Nationalsozialismus
verherrlichende Gegenstände beschlagnahmt. Scharfe Waffen, die nach
MAZ-Information existieren sollen, wurden nicht entdeckt. Dem harten Kern
der Kameradschaft rechnet das Innenressort etwa 35 Neonazis zu, weitere 35
dem Umfeld.
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sprach in Potsdam von einem “deutlichen
Signal im Kampf gegen den Rechtsextremismus”. Die verfassungswidrigen
Bestrebungen sowie antisemitischen und demokratiefeindlichen Äußerungen der
Kameradschaft “Hauptvolk” seien für den Rechtsstaat nicht länger hinnehmbar
gewesen.
Seit der Gründung der Kameradschaft Anfang 2001 waren deren Mitglieder nach
Erkenntnissen des Innenministeriums sechsmal an Straftaten wegen
Körperverletzung beteiligt. Die Angriffe richteten sich vorwiegend gegen
linke Jugendliche, zuletzt im August 2004, als auch Neonazis von “Sturm 27”
in Göttlin (Havelland) mit Eisenstangen ein Auto von Linken attackierten.
Fremdenfeindlich motivierte Gewaltstraftaten von “Hauptvolk”-Mitgliedern
sind seit 2001 dagegen nicht bekannt. Im Landtagswahlkampf 2004
unterstützten Mitglieder der Kameradschaft die neonazistische
Wählerinitiative “Ja zu Brandenburg” des früheren NPD-Landesvorsitzenden
Mario Schulz. Anführer von “Hauptvolk” ist ein wegen Körperverletzung
mehrfach vorbestrafter Informatikstudent.
“Wir werden auch künftig im Kampf gegen Rechtsextremismus nicht nachlassen”,
kündigte Schönbohm an. “Für Rassenhass gibt es in unserem Land keinen
Platz.” Ob demnächst weitere Neonazi-Vereine verboten werden, ließ der
Minister offen. Besonders aktiv sind derzeit der “Märkische Heimatschutz”,
die “Kameradschaft Oder-Spree” und die “Kameradschaft Lausitzer Front
Guben”. Seit der Wende wurden in Brandenburg zwei Neonazi-Organisationen
verboten: 1995 die “Direkte Aktion/Mitteldeutschland” und 1997 die
“Kameradschaft Oberhavel”. Trotz des hohen Verfolgungsdrucks durch die
Polizei hält sich die rechtsextreme Gewalt in Brandenburg seit langem auf
hohem Niveau. 2004 wurden 105 Gewalttaten registriert, 20 Prozent mehr als
2003.
Brandenburg lässt Neonazi-Kameradschaft hochgehen
(MOZ)Potsdam (dpa) Brandenburg hat mit dem Verbot einer rechtsextremistischen
Gruppe einen der größten Schläge gegen Neonazis der vergangenen Jahre in
Deutschlands geführt. Wenige Tage vor dem 60. Jahrestag der Befreiung der
Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen wurde am Dienstag bei
einer Razzia das Vereinsverbot gegen die “Kameradschaft Hauptvolk” und deren
Untergliederung “Sturm 27” vollzogen. 300 Polizisten durchsuchten mehr als
40 Objekte. Mit dem Verbot “setzen wir ein deutliches Signal im Kampf gegen
den Rechtsextremismus”, sagte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) in Potsdam.
Der Gruppe sollen etwa 60 Mitglieder angehören.
Die Chefin des Verfassungsschutzes Brandenburg, Winfriede Schreiber, wirft
der Kameradschaft vor, die Wesensverwandtschaft und Nähe zum
Nationalsozialismus angestrebt zu haben. Die Beamten hatten ab dem frühen
Morgen vor allem in Rathenow und Umgebung gelegene Objekte durchsucht, aber
auch je eine Wohnung in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Der Verbotsantrag
gegen die im Jahr 2000 entstandene Gruppe wurde am 6. April erlassen.
“Die verfassungsfeindliche Betätigung der “Kameradschaft Hauptvolk” und
ihrer Untergliederung waren für den Rechtsstaat nicht länger hinnehmbar”,
sagte Schönbohm. In Schriften des “Hauptvolkes” schrieben die Autoren von
“wir Nationalsozialisten” und glorifizierten die SS. Nach Angaben der
Verfassungsschutzchefin sind die meisten Mitglieder des “Hauptvolkes” junge
Männer, nur wenige älter als Mitte zwanzig.
Bei den Hausdurchsuchungen seien mehrere hundert rechte Musik-CDs gefunden
worden, sagte Schreiber: “Musik ist das Transportmittel, das neonazistisches
und nationalsozialistisches Gedankengut in die Köpfe der Jugend
transportiert.” Auch Computer, Schreckschusswaffen, Reichskriegsflaggen,
zahlreiche Schriften und ein Bajonett wurden sichergestellt. Anhand des
Materials würden Straftatbestände geprüft. Festnahmen gab es bisher nicht.
Nach Schönbohms Angaben war die Gruppe für mehrere Angriffe auf linke
Gruppen mit Schlagstöcken und einer Pistole verantwortlich.
Im März waren in Berlin zwei Gruppen mit jeweils 10 bis 15 Mitgliedern
verboten worden, 2004 eine in Bayern mit 40 Aktivisten. Bedeutend war auch
das Verbot der “Skinheads Sächsische Schweiz” 2001. Der sächsischen Gruppe
wurden 120 Mitglieder zugeordnet.
Potsdam verbietet Nazigruppe
(TAZ)Brandenburger Innenministerium verhängt das Vereinsverbot nach Razzia in
mehr als 40 Räumen gegen “Kameradschaft Hauptvolk” und Untergruppe “Sturm
27″
POTSDAM dpa/ap Schlag gegen die Brandenburger Neonazi-Szene:
Landesinnenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat zwei gewaltbereite und
antisemitische Kameradschaften mit insgesamt 60 Mitgliedern verboten. Die
Gruppierung “Hauptvolk” und deren Unterorganisation “Sturm 27” richteten
sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, den Gedanken der
Völkerverständigung und das Strafgesetz, erklärte er gestern in Potsdam. Dem
Verbot waren am frühen Morgen Durchsuchungen in etwa 40 Wohnungen im
Havelland westlich von Potsdam und in Sachsen-Anhalt vorausgegangen.
Die Chefin des Landesverfassungsschutzes, Winfriede Schreiber, wirft der
Kameradschaft vor, die Wesensverwandtschaft und Nähe zum Nationalsozialismus
angestrebt zu
haben. “Die verfassungsfeindliche Betätigung der
‚Kameradschaft Hauptvolk und ihrer Untergliederung waren für den
Rechtsstaat nicht länger hinnehmbar”, so Schönbohm. In Schriften des
“Hauptvolks” schrieben die Autoren von “wir Nationalsozialisten” und
glorifizierten die SS. Nach Schreibers Angaben sind die Mitglieder des
“Hauptvolks” vor allem männlich, Mitte zwanzig und jünger.
Die Beamten hatten vor allem in Rathenow und Umgebung gelegene Objekte
durchsucht, aber auch je eine Wohnung in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen.
Der Verbotsantrag wurde am 6. April erlassen. Die Gruppen waren vor vier
Jahren aus dem Kern der Neonazi-Szene des Havellands rund um Rathenow
hervorgegangen. Mit dem Namen “Sturm 27” hatten sich die Rechten offenbar
auf die während des NS-Regimes in der Region aktive SA-Gruppe “Brigade 27”
bezogen.
Bei den Razzien seien mehrere hundert rechte Musik-CDs gefunden worden. Auch
Computer, Schreckschusswaffen, Reichskriegsflaggen, zahlreiche Schriften und
ein Bajonett wurden sichergestellt. Anhand des Materials würden
Straftatbestände geprüft. Festgenommen wurde zunächst niemand. Nach
Schönbohms Angaben war die Gruppe für mehrere Angriffe auf linke Gruppen
verantwortlich.
Im März waren in Berlin zwei rechte Gruppen mit je 10 bis 15 Mitgliedern
verboten worden, 2004 eine in Bayern mit 40 Aktivisten. Bedeutend war das
Verbot der “Skinheads Sächsische Schweiz” 2001.
Schönbohm verbietet Nazi-Gruppen
“Hauptvolk” und “Sturm 27” hatten rund 60 Mitglieder im Havelland
(Tagesspiegel)Potsdam — Die rechtsextreme Szene in der Region gerät immer stärker unter
Druck. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat die Neonazi-Kameradschaft
“Hauptvolk” verboten, die seit vier Jahren vor allem in Rathenow und
Umgebung (Landkreis Havelland) ihr Unwesen trieb. Die Polizei durchsuchte
mit einem massiven Aufgebot die Wohnungen von etwa 40 Rechtsextremisten, die
als Mitglieder und Anhänger der Gruppierung gelten. “Mit dem Verbot setzen
wir ein deutliches Signal im Kampf gegen den Rechtsextremismus”, sagte
Schönbohm. Der demokratische Staat müsse “seine Waffen im Kampf gegen die
Feinde der Freiheit konsequent einsetzen”. Schönbohm dankte vor allem dem
Verfassungsschutz, “dessen Mitarbeiter durch aufwändige und akribische
Aufklärung die Basis für das Verbotsverfahren gelegt haben”. Anfang März
hatte bereits Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) die Kameradschaften
“Tor” und “Berliner Alternative Süd-Ost” verboten.
Das Innenministerium hält der Kameradschaft “Hauptvolk” eine
Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus vor. In Publikationen mit
Namen wie “Der Landbote” verherrlichte die Gruppierung prominente Nazis und
agitierte gegen Juden. Außerdem wurde der Holocaust als “Schwindel”
bezeichnet. Im Sommer 2002 beklebten Mitglieder des “Hauptvolks” Rathenower
Straßenschilder mit Zetteln, auf denen “Rudolf- Heß- Straße” stand. Heß war
Hitlers Stellvertreter in der NSDAP.
Schönbohm beendete auch die Existenz der zu der Kameradschaft zählenden
Neonazi-Clique “Sturm 27”. Deutlicher noch als “Hauptvolk” zeugt ihr Name
von brauner Gesinnung: In Rathenow unterhielt einst die SA eine “Brigade
27″.
Die Staatsanwaltschaft hat in den vergangenen Jahren fast die Hälfte der
ungefähr 60 Mitglieder von “Hauptvolk” und “Sturm 27” mit Verfahren
überzogen. Dabei ging es um Propagandadelikte und Gewalttaten. So soll
mindestens ein Mitglied von “Hauptvolk” am Überfall von Neonazis auf einen
jungen Linken in Rathenow beteiligt gewesen sein. Die vermummten Schläger
stoppten im August 2004 das Auto, in dem der Linke saß, dann wurde er
herausgezogen und geprügelt. Fünf Monate zuvor attackierte in Göttlin
(Havelland) ein brauner Mob, darunter Neonazis vom “Sturm 27”, mit
Eisenstangen und Steinen ein Auto, in dem Linke saßen. Die Insassen kamen
knapp mit dem Schrecken davon. Im Mai 2003 warfen “Sturm 27”-Mitglieder in
Rathenow Steine auf Linke. Größere Empörung gab es 2002, als bekannt wurde,
dass “Hauptvolk”-Mitglieder — für eine Security- Firma — das Rathenower
Asylbewerberheim bewachten. Flüchtlinge hatten Schikanen beklagt.
Schließlich übernahm ein anderes Unternehmen den Wachschutz.
Das Verbot der Neonazi-Gruppen und das staatliche Vorgehen gegen
Rechtsextreme müssen laut Schönbohm durch verstärktes Engagement in der
Gesellschaft ergänzt werden. “Der anhaltende Verfolgungsdruck kann
rechtsextremistische Strukturen zerschlagen, nicht aber extremistisches
Gedankengut in den Köpfen beseitigen”, so der Minister. Er appellierte an
“Politik, Kirchen, Vereine, aber auch Schulen und Eltern”, sie müssten “ihre
besondere Verantwortung wahrnehmen”.
Vor dem Verbot des “Hauptvolks” wurden in Brandenburg nur zweimal
Neonazi-Gruppen aufgelöst. 1995 traf es die “Direkte
Aktion/Mitteldeutschland”, zwei Jahre später war die “Kameradschaft
Oberhavel” an der Reihe.
40 Wohnungen von Neonazis bei Razzia durchsucht
Minister Schönbohm verbietet zum zweiten Mal rechte Kameradschaft
(LR)Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat die Neonazi-Kameradschaft “Hauptvolk”
und deren Jugend-Untergliederung “Sturm 27” aus dem Havelland verboten. “Die
verfassungsfeindliche Betätigung der Kameradschaft war für den Rechtsstaat
nicht länger hinnehmbar”, erklärte Schönbohm gestern in Potsdam. Zuvor
hatten rund 300 Beamte in den frühen Morgenstunden das Verbot vollstreckt -
und rund 40 Wohnungen der Neonazis vorwiegend in Rathenow und Premnitz
durchsucht, aber auch in Sachsen-Anhalt und Niedersachen.
Dabei wurden umfangreiche braune Propaganda-Schriften und einige hundert
rechtsextreme Musik-CD, aber auch Schreckschusswaffen und die verbotene
Reichskriegsflagge sichergestellt. Es ist das dritte Verbot einer
rechtsextremistischen Vereinigung im Land Brandenburg seit 1990. Es sei nur
durch die “akribische Arbeit” des Brandenburger Verfassungsschutzes möglich
gewesen, betonte der Minister.
Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber begründete das Verbot damit,
dass die Kameradschaft “Hauptvolk” und deren Jugend-Untergliederung eine
klare erkennbare “Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus” hatte. Dies
sei in Publikationen sichtbar, in denen gegen Juden agitiert und prominente
Nazis verherrlicht wurden. In einem Aufruf habe sich die Kameradschaft
selbst als “Wir Nationalsozialisten” bezeichnet. Schreiber wies darauf hin,
dass das Verbot der Kameradschaft auch für jedwede Versuche,
Nachfolgeorganisationen zu gründen, vollzogen wurde.
Mitglieder der Kameradschaft waren wiederholt durch einschlägige
rechtsextreme Gewalt- und Propagandastraftaten aufgefallen. So sollen sie im
vergangenen Jahr beim Überfall auf ein Mitglied der Rathenower Antifa-Szene
beteiligt gewesen sein, der aus seinem Auto gezerrt und verprügelt worden
war. Im Jahr 2002 sorgte die Kameradschaft für Schlagzeilen, weil Mitglieder
als Angestellte einer Sicher-heitsfirma für die Bewachung des
Asylbewerberheims in Rathenow zuständig waren und dabei Bewohner schikaniert
haben sollen.
Das “Hauptvolk” ist bereits die zweite Neonazi-Kameradschaft, die jetzt im
Havelland ausgehoben wird. Kürzlich waren bereits die Mitglieder der
Kameradschaft “Freikorps”, die Brandanschläge auf ausländische Restaurants
und Imbisse verübt hatten, wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung
verurteilt worden.
Der Verfassungsschutz hat nach Angaben von Schreiber bislang keine Hinweise
auf Querverbindungen zwischen beiden Organisationen. Auch sei das Havelland
keinesfalls besonders auffällig. Nach dem letzten Verfassungsschutzbericht
gibt es Neonazi-Kameradschaften oder ähnliche Strukturen auch in den Städten
Cottbus, Frankfurt (Oder), Fürst
enwalde, Guben, Lübben, Lübbenau, Potsdam,
Rathenow, Schwarzheide, Spremberg, Strausberg, Templin und Vetschau, mit
landesweit insgesamt rund 180 Mitgliedern.
Hintergrund Neonazi-Kameradschaft
In der Kameradschaft “Hauptvolk”, die im Jahr 2000 aus dem Kern der
rechtsextremistischen Szene in Rathenow und Premnitz im Havelland entstanden
war, waren rund 60 Neonazis organisiert: Sie hatten eigene
Schlüsselanhänger, traten regelmäßig in einheitlichen Vereins-T-Shirts mit
der Aufschrift in altdeutscher Schrift “Hauptvolk” auf. Der Name “Sturm
27″ — den die Jugend-Untergliederung trug — lehnt sich an die im Dritten
Reich in der Region Rathenow aktive SA-Brigade 27 an.