Chef-Verfassungsschützerin: Zersplitterte Szene, aber Häufung von Propagandadelikten
Ländergrenzen sind für die rechte Szene beim Begehen von Straftaten kein Hindernis. Deshalb will der Verfassungsschutz in Brandenburg und in Berlin beim Kampf gegen Neonazis die Zusammenarbeit weiter intensivieren. Die beiden Behördenchefinnen Winfriede Schreiber und Claudia Schmid legten dazu gestern in Potsdam eine gemeinsame Broschüre vor, die über rechtsextremistische Symbole und deren Bedeutung aufklären soll.
»Das Heft soll insbesondere jugendlichen Lesern helfen, auch weniger eindeutige Hinweise auf rechtsextremistisches Gedankengut zu erkennen«, sagte Schreiber. Die mit einer Auflage von 10 000 Exemplaren erschienene Broschüre gibt einen Überblick über die unter Rechtsextremisten verbreiteten Symbole, Grußformen, Parolen und Musiktexte. Dazu gehören u.a. das Parteiabzeichen der NSDAP, das Hakenkreuz, Flaggen aus der Zeit des Nationalsozialismus oder SS-Runen. »Das Heft erschien erstmals bereits 2001 in Berlin und wird seither stark nachgefragt«, sagte Schmid. In einer vierten überarbeiteten Form stehe es jetzt auch dem Land Brandenburg zur Verfügung.
Es handele sich ebenfalls um eine Handreichung für Lehrer, Ausbilder, Mitarbeiter von Behörden und Ordnungsämtern, betonte Schreiber. Während in beiden Ländern die rechten Gewaltstraftaten zurückgingen, verzeichnet der Verfassungsschutz einen starken Anstieg bei den Propagandadelikten. In Brandenburg registrierte die Polizei 2004 in diesem Bereich 722 Taten. Im vergangenen Jahr waren es bereits 917. In Berlin schnellte innerhalb dieses Zeitraums die Anzahl dieser Delikte sogar von 655 auf 1018 nach oben. Damit waren hier im vorigen Jahr zwei von drei der insgesamt 1551 erfassten rechten Straftaten Propagandadelikte.
»Dieser Anstieg ist beängstigend«, merkte Schreiber an. Sie appellierte an die Bürger, sich mit den rechten Symbolen zu beschäftigen. »Bei deren Auftreten darf niemand wegschauen.« Es sollte möglichst umgehend eine Anzeige bei der Polizei erstattet werden.
Nach Einschätzung der Verfassungsschützerin gibt es in der Mark keine geschlossene rechtsextremistische Szene. Diese sei zersplittert. »Vorhanden sind eine Hand voll von Kameradschaften sowie mehrere lokale Gruppierungen«, so Schreiber. Vermehrt würden inzwischen Neonazis aus der Hauptstadt nach Brandenburg umziehen. Schwerpunkte bildeten dabei die Landkreise Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald. Es gebe aber auch in Berlin Zuzüge von Rechtsextremisten aus Brandenburg. Allerdings stehe hinter dieser Entwicklung nach den bisherigen Erkenntnissen kein System.
»Viele Rechte zieht es ebenso wie andere Bürger von der Großstadt ins Umland«, resümierte die Behördenchefin. Zugleich kündigte sie länderübergreifende Aktionen gegen Rechts vor allem mit Sachsen an. Dazu gebe es bereits Abstimmungen mit der dortigen Polizei. Die Beamten wollten besonders die sich häufenden rechtsextremistischen Konzerte stärker ins Visier nehmen.