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Antifaschismus

(Neo)nazis in Brandenburg an der Havel – ein aktueller Überblick

Ein Jahr nach dem skan­dalösen Auf­marsch von unge­fähr 250 Holocaustleugner_innen vor der JVA in Bran­den­burg an der Hav­el, plant die NPD erneut in der Havel­stadt aufzu­marschieren. Am 31. März 2012 wollen die Parteim­it­glieder und deren Sympathisant_innen dabei vom Haupt­bahn­hof, durch die Innen­stadt, hin zum Alt­städtis­chen Bahn­hof laufen.
Das Mot­to der Ver­anstal­tung lautet „Wir arbeit­en – Brüs­sel kassiert“ und knüpft damit an die Kam­pagne „Raus aus dem Euro“ des Vor­jahres an. Im Som­mer und Herb­st 2011 wur­den in diesem Zusam­men­hang mehrfach Pro­pa­gan­daak­tio­nen der NPD im gesamten Gebi­et des Kreisver­ban­des Hav­el-Nuthe wahrgenom­men. Auch dessen Orts­bere­ich Bran­den­burg an der Hav­el war davon betrof­fen.
Der diesjährige Aktion­s­grad der Kam­pagne wurde jedoch offen­bar expliz­it auf Lan­desebene aus­geweit­et. Drei, der vier großen Städte im Land Bran­den­burg, wur­den so für aufeinan­der­fol­gende, the­ma­tisch ähn­liche Märsche der NPD aus­gewählt. Neben Bran­den­burg an der Hav­el, bet­rifft dies auch Frankfurt/Oder am 24. März 2012 und Cot­tbus am 12. Mai 2012.
Der hohe Stel­len­wert der Kam­pagne für die NPD spiegelt sich auch in der Organ­isierung wieder. In Flug­blät­tern für den Auf­marsch in Bran­den­burg an der Hav­el wird der stel­lvertre­tende Lan­desvor­sitzende der Partei, Ron­ny Zasowk aus Cot­tbus, als Ver­ant­wortlich­er angegeben. Als Anmelder fungiert der Lan­des­or­gan­i­sa­tion­sleit­er der NPD, Michel Müller aus Rathenow.

NPD Kreisver­band Havel-Nuthe

Den­noch ist der NPD Lan­desver­band bei der Organ­isierung der Ver­anstal­tung auch auf die lokalen Parteistruk­turen angewiesen. Insofern ist es für die Partei von Vorteil, dass Michel Müller auch Vor­sitzen­der des regionalen Kreisver­ban­des „Hav­el-Nuthe“ ist und sich somit auch für Bran­den­burg an der Hav­el direkt ver­ant­wortlich sieht. Der Rathenow­er ist seit spätestens 2007 ver­stärkt in der unge­fähr 25km südlich von sein­er Heimat­stadt gele­ge­nen Havel­stadt aktiv und hat hier bere­its mehrere Kundge­bun­gen und Aufmärsche durchge­führt. Für das Engage­ment in Bran­den­burg an Hav­el ste­ht ihm vor allem Ste­fan Rietz aus Kloster Lehnin zur Ver­fü­gung. Rietz ist neben sein­er Tätigkeit für den Kreisvor­stand auch im Bran­den­burg­er Lan­desvor­stand aktiv. Darüber hin­aus wird er bei Aufmärschen häu­fig als Ord­ner einge­set­zt. Müller und Rietz gehörten vor ihrem Engage­ment bei der NPD ver­bote­nen (Neo)naziorganisationen an. Michel Müller war Mit­glied der 2005 vom Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­um aufgelösten Vere­ini­gung „Kam­er­ad­schaft Hauptvolk“. Zu dem saß er wegen Bei­hil­fe zum ver­sucht­en Mord mehrere Jahre im Gefäng­nis. Ste­fan Rietz ist wegen der Fort­führung der seit 2000 ver­bote­nen Organ­i­sa­tion „Blood&Honour“ gerichts­bekan­nt. Er gilt auch als Führungskad­er der inzwis­chen inak­tiv­en „Aktion­s­gruppe Pots­dam-Mit­tel­mark“. Sowohl Müller als auch Rietz haben, auf­bauend auf ihrer eige­nen Ver­gan­gen­heit eine gute Verbindung zu den derzeit aktiv­en Vere­ini­gun­gen der so genan­nten „Freien Kräfte“ und beziehen diese auch in das Parteileben mit ein.

NPD Orts­bere­ich Bran­den­burg an der Havel

Für den seit April 2011 existieren­den NPD Orts­bere­ich in Bran­den­burg an der Hav­el wurde so beispiel­sweise Franz Pop­pen­dieck von den „Nationalen Sozial­is­ten Prem­nitz“ als Orts­grup­pen­leit­er einge­set­zt. Bish­er allerd­ings mit wenig Erfolg. Der zwis­chen­zeitlich in Pots­dam wohn­hafte Pop­pen­dieck ist erst seit Jan­u­ar 2012, kurz nach der Tren­nung von sein­er Lebens­ab­schnitts­ge­fährtin, wieder aktiv. Am 14. Jan­u­ar 2012 fuhr er gemein­sam mit weit­eren (Neo)nazis aus Bran­den­burg an der Hav­el zu einem Auf­marsch nach Magde­burg und am 13. Feb­ru­ar 2012 nach Dres­den. Auch im Bran­den­burg­er Stadt­bild ist Pop­pen­dieck erst in jüng­ster Zeit wieder öfter zu bemerken, wenn er Antifa-Plakate oder Stick­er abreißt.
Als Adju­dan­ten ste­hen ihm zurzeit vor allem Patrick Huber und Andy Lehmann nahe. Bei­de nah­men in der Ver­gan­gen­heit an (Neo)naziaufmärschen in Magde­burg, Lehmann im Jahr 2010, Huber in 2012, teil, wur­den zu „Ver­net­zungstr­e­f­fen“ der NPD ein­ge­laden und waren bei Pro­pa­gan­daak­tio­nen in Bran­den­burg an der Hav­el beteiligt. Lehmann und Huber spi­onierten auch bei einem antifaschis­tis­chen Solikonz­ert im Bran­den­burg­er „Haus der Offiziere“ und ver­sucht­en dort Fotos von den Konzertbesucher_innen anzufer­ti­gen. Sie wur­den aber ent­deckt und des Saales verwiesen.

Freie Kräfte Brandenburg/Havel

Patrick Huber ist, neben seinem Engage­ment für die NPD, min­destens auch Sym­pa­thisant der „Freien Kräfte Brandenburg/Havel“. Während des (Neo)naziaufmarsches am 14. Jan­u­ar 2012 in Magde­burg trug er beispiel­sweise das Ban­ner dieser Vere­ini­gung.
Erst­mals trat­en die „Freien Kräfte Brandenburg/Havel“ bere­its am 7. Feb­ru­ar 2009 im Rah­men eines (Neo)naziaufmarsches in Bran­den­burg an der Hav­el in Erschei­n­ung. Hier hielt der Grup­pen­sprech­er Danielo Mey­er einen Rede­beitrag für die Vere­ini­gung.
In Dessau-Roßlau wurde dann am 12. März 2011 erst­mals das Spruch­band der „Freien Kräfte Brandenburg/Havel“ gezeigt. Dort wurde das Ban­ner allerd­ings von Den­nis Wendt und dem Rathenow­er Naz­ibar­den Thomas Lange alias „Preussen.wut“ sowie weit­eren (Neo)nazis aus Bran­den­burg an der Hav­el getra­gen, die sich in der Ver­gan­gen­heit auch für die lokalen NPD Struk­turen engagierten.

Freie Kräfte Ost

Danielo Mey­er und Den­nis Wendt trat­en zudem während der (Neo)naziaufmärsche in Neu­rup­pin am 9. Juli und am 24. Sep­tem­ber 2011 als Sym­pa­thisan­ten der „Freien Kräfte Ost“ (FKO) in Erschei­n­ung. Diese Vere­ini­gung sah sich im ver­gan­genen Jahr, laut inzwis­chen abgeschal­teter Inter­net­seite, vor allem in Wittstock/Dosse und Bran­den­burg an der Hav­el verortet. Während der Aufmärsche in Neu­rup­pin wurde zudem durch ein entsprechen­des Ban­ner darauf hingewiesen.
Belege für Aktiv­itäten der „Freien Kräfte Ost“ in Bran­den­burg an der Hav­el wur­den im Jahr 2011 vor allem in Form von Far­ban­schlä­gen an Gebäu­den fest­gestellt. An einem Dön­er­stand sprüht­en (Neo)nazis die mit „FKO“ sig­nierte Parole „Gute Heim­reise“.
Zulet­zt wurde am 7. März 2012 ein Vertreter der Linksju­gend SOLID durch ein Aktivis­ten der „Freien Kräfte“ in Bran­den­burg an der Hav­el gezielt tätlich ange­grif­f­en und bedro­ht (Siehe: http://www.youtube.com/watch?v=5GItkbyJl6k).

Hooli­gans des FC Stahl Brandenburg

Neben NPD und „Freien Kräften“ existiert in Bran­den­burg an der Hav­el auch ein stark (neo)nazistisch geprägtes Hooli­gan­m­i­lieu. Deren Pro­tag­o­nis­ten trat­en in der Ver­gan­gen­heit vor allem als Anhänger der Vere­ine FC Stahl Bran­den­burg, BFC Dynamo und Lazio Rom auf. Ein Großteil dieser Per­so­n­en war bere­its Anfang der 1990er Jahre im (neo)nazistischen Milieu aktiv und machte sich bere­its zu dieser Zeit durch bru­tale Gewal­tak­te sowie durch die Ver­bre­itung von (neo)nazistischer Pro­pa­gan­da einen Namen. Obwohl Einzelper­so­n­en immer noch bei (Neo)naziaufmärschen mit­laufen, gele­gentlich den Arm zum „Deutschen Gruß“ („Hit­ler­gruß“) erheben und auch Kon­tak­te zu NPD Funk­tionären wie Michel Müller oder Ste­fan Rietz pfle­gen, ver­sucht der Großteil dieser Per­so­n­en in erster Lin­ie im Bere­ich des Türste­herm­i­lieus oder der organ­isierten Krim­i­nal­ität „schnelles Geld“ zu machen. In diesem Zusam­men­hang entwick­elt sich in Bran­den­burg an der Hav­el auch seit ger­aumer Zeit eine Ortsvertre­tung der Rock­ervere­ini­gung „Red Dev­ils“, die im benach­barten Sach­sen-Anhalt bere­its ehe­ma­lige Funk­tionäre des NPD Kreisver­band Alt­mark sowie der „Freien Nation­al­is­ten Alt­mark-West“ in ihre Struk­turen einge­bun­den haben.

Faz­it:

Der NPD Lan­desver­band kann für den Ablauf des Auf­marsches am 31. März 2012 in Bran­den­burg an der Hav­el auf eine gewisse Basis­struk­tur von Funk­tionären aus dem lokalen Kreisver­band sowie dem Orts­bere­ich zurück­greifen. Ein Großteil der zu erwartenden Teilnehmer_innen der Ver­anstal­tung wird jedoch von außer­halb des Stadt- und Kreis­ge­bi­etes anreisen. Dabei ist nicht nur mit Parteim­it­gliedern und Sympathisant_innen zu rech­nen, son­dern auch mit Aktivist_innen aus den „Freien Kräften“ sowie Einzelper­so­n­en aus dem (neo)nazistischem Hooli­gan­m­i­lieu. Ins­ge­samt wer­den bis zu 250 (Neo)nazis, haupt­säch­lich aus den Bun­deslän­dern Bran­den­burg, Berlin und Sach­sen-Anhalt, erwartet.
Gegen den (Neo)naziaufmarsch sind mehrere Protes­tak­tio­nen geplant. Die Proteste sollen ab 10 Uhr in Bran­den­burg an der Hav­el beginnen.

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