Nach dem die NPD im Zuge der Kommunalwahlen in 2008 nun auch im havelländischen Kreistag vertreten ist und im laufenden Jahr neue Wahltermine anstehen ist die (neo)nazistische Partei bestrebt ihre regionalen Strukturen zu konsolidieren und weiter auszubauen. Dabei kann beobachtet werden, dass die so genannten „Nationaldemokraten“ vor allem bereits aktive (Neo)nazis aus dem personenstarken regionalen Kameradschaftsmilieu in plakative Aktionen einbinden und dadurch den Anschein erwecken im Raum Rathenow – Premnitz immer stärker aufzutreten.
Die Allianz der (neo)nazistischen Partei mit den so genannten „freien“ Kameraden ist jedoch nicht unproblematisch. Nur wenige Kameradschaftsangehörige – gemessen an den Teilnehmerzahlen entsprechender Veranstaltungen – interessieren sich tatsächlich für Tagespolitik, sondern sind eher bestrebt die NS – Diktatur zu glorifizieren bzw. deren historisch erwiesene Verbrechen zu leugnen bzw. durch revisionistische Kampagnen, wie die jährlichen Aufmärsche zu den Gedenktagen an die alliierten Bombenangriffe, zu relativieren.
Insofern ist die NPD hier seit 2005 bestrebt, durch das Angebot von entsprechenden Veranstaltungen das lokale Milieu für sich zu gewinnen. Ein regionaler Schwerpunkt bildet dabei, dass „Gedenken“ an die Opfer des alliierten Bombenangriffs auf Rathenow, am 18. April 1944, bei dem ungefähr 60 Menschen ums Leben kamen.
Das auch in diesem Jahr an jenen Tag vor 65. Jahren erinnert werden soll, hat die lokale NPD Sektion bereits am vergangenen Wochenende durch als Postwurfsendung verteilte Flugblätter verlauten lassen, die schon beim ersten Hinblick die tatsächliche Intension der geplanten Veranstaltung erkennen lassen. Das Bild, welches auf dem A5 Flugblatt unter der bezeichnenden Überschrift „Gedenken an den Bombenterror vor 65 Jahren“ abgedruckt ist und das zerstörte Postgebäude in der heutigen Berliner Straße sowie die Ruine der Sankt Marien Andreas Kirche quasi als Beweis präsentiert, zeigt gar nicht die Auswirkungen des Bombenangriffs im Jahr 1944, sondern stellt die Zerstörungen im Stadtgebiet unmittelbar nach den letzten Kämpfen im Mai 1945 dar.
Wir erinnern uns. Um die Flucht von Angehörigen der letzten kämpfenden Einheiten der nationalsozialistischen Wehrmacht und der Waffen SS über die Elbe bei Tangermünde, Schönhausen und Ferchland zu ermöglichen, erklärten die verantwortlichen Generäle die Städte Rathenow und Brandenburg aufgrund ihrer strategischen Position, als wichtige Havelübergänge, zu so genannten „Festungen“, die um jeden Preis die vorrückende Rote Armee aufhalten sollten.
Über die Geschehnisse in und um Rathenow ist diesbezüglich in der Militärliteratur ausführlicher in Gellermanns „Die Armee Wenck – Hitlers letzte Hoffnung“ und in Tiekes Buch „Das Ende zwischen Oder und Elbe“ eingegangen worden. Die dortigen Texte, die auf Aufzeichnungen ehemalige Kommandeure der nationalsozialistischen Wehrmacht basieren, bezeugen darin vordergründig den Ablauf der militärischen Operation, den detaillierten Aufbau der Kampfverbände sowie die „Verdienste“ der Armeeführung im Hinblick auf den Rückzug der Truppe über die Elbe.
Dort genannte Orte erscheinen hingegen lediglich als Punkte auf der Landkarte bzw. als militärische Stellung ohne das dabei sonderlich auf die Situation der damaligen Bevölkerung eingegangen wird, es sei denn, dass die auch in der damaligen NS Propaganda aufgewerteten „Gräueltaten“ der Roten Armee, als Rechtfertigung für die Fortsetzung des sinnlosen Kampfes dienten.
In Rathenow war gemäß den Angaben genannter Literatur die 309. Infanteriedivision des XXXIX. Panzerkorps stationiert. Diese Einheit verfügte auch über Artillerie, die jenseits der Havel, aus dem Raum Kleinbuckow und Göttlin, die diesseits gelegene Rathenower Altstadt sowie die Neustadt im Abwehrkampf mit den heranrückenden sowjetischen Truppen Salve um Salve kurz und klein schoss. Auch die auf oben genannten NPD Flugblatt zu erkennenden Gebäude wurden erst zu dieser Zeit zerstört.
Der Schaden den die Amerikanischen Bomberverbände am 18. April 1944 verursachten waren vergleichsweise hierzu eher gering. Trotzdem spricht die NPD diesbezüglich von einem „Verbrechen an der deutschen Zivilbevölkerung in Rathenow“, dass „Millionen von Deutsche vom Leben und von Haus und Hof befreite“.
Auch wenn die Formulierung schon offensichtlich falsch verfasst wurde, da in Rathenow niemals weder „Millionen“ Menschen lebten noch starben und die Partei später auch nur von 54 Toten spricht, bezeugt der Inhalt doch in welche Richtung die Partei den Empfänger des Flugblattes lotsen will. Es geht um Zahlenspiele, um Gegenrechnung der im Krieg getöteten deutschen Zivilbürger mit den Millionen in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten ermordeten Menschen. Wobei diese Absicht am offensichtlichsten durch den von der NPD Fraktion im sächsischen Landtag geprägten Begriff „Bombenholocaust“ verdeutlicht wird.
Das dieser Begriff in jeglicher Hinsicht hinkt, braucht hier nicht erläutert werden. Jedoch auch der Begriff “Bombenterror”, den die NPD in der Region Rathenow verwendet, hält den Vergleich mit der damaligen Wirklichkeit weder qualitativ noch quantitativ stand. Im Gegensatz zu Städten wie Hamburg, Berlin und Dresden, wo eben auch die Zivilbevölkerung erheblich durch das starke Bombardement betroffen war, traf es nämlich in Rathenow, als „Ersatzziel“ für einen eigentlich auf die damalige Reichshauptstadt geplanten Angriff, nicht ausschließlich, jedoch in erster Linie die Kriegsindustrie.
Ein Schwerpunkt des Fliegerangriffs am 18. April 1944 waren nämlich die ARADO Flugwerke in Heidefeld. Hier wurde das Kesselhaus und zwei der drei Montagehallen stark beschädigt und somit die Lizenzproduktion der berüchtigten Heinkel — Bomber, die in den vorherigen Kriegsjahren Städte wie London, Coventry, Warschau und Rotterdam in Schutt und Asche legten, hier endgültig gestoppt.
Den „sinnlosen Bombenterror“ den die NPD in ihrem Flugblatt darstellte und bei ihrem Aufmarsch am 18. April 2009 in Rathenow wieder darstellen wird, so denn er nicht verhindert wird, hat es hier so nicht gegeben.
Im Gegenteil der Untergang der Stadt im zweiten Weltkrieg, den die NPD heute beklagt und den alliierten Befreiern anlasten will, trägt allein die Handschrift der geistigen Vorväter der Partei, den Nationalsozialisten.