NEURUPPIN Glatzen und Bomberjacken — das Aussehen der vier Männer, die in der Nacht zum Sonntag einen im Bahnhof Neustadt (Dosse) stehenden Regionalzug durchstreiften, ließ kaum Zweifel an ihrer Gesinnung aufkommen.
Vom Wortschatz ganz zu schweigen: “Kanake, was willst Du hier?” beschimpften sie einen 42-jährigen in Berlin lebenden Ägypter. Der verbalen Attacke folgten Schläge und Tritte, gemeinsam prügelten die zwischen 19 und 22 Jahre alten Neonazis auf ihr Opfer ein.
Der Ägypter erlitt so schwere Verletzungen, dass er in einem
Krankenhaus
behandelt werden musste. Seine Peiniger wurden wenige Stunden nach der
Tat
von der Polizei festgenommen. Bereits einen Tag später standen sie vor
dem
Richter. Und der verurteilte die vier wegen gefährlicher
Körperverletzung zu
Haftstrafen zwischen acht und zehn Monaten auf Bewährung.
“Da hat die Abstimmung zwischen den Verfahrensbeteiligten gut
geklappt”,
freut sich die Neuruppiner Oberstaatsanwältin Lolita Lodenkämper: “Wir
sind
froh, wenn wir solche schlimmen Taten in beschleunigten Verfahren
ahnden
können. Gerade für junge Täter gilt, dass eine Strafe, die auf dem Fuße
folgt, wirksamer ist. Voraussetzung ist, dass der Sachverhalt in der
Beweisaufnahme schnell und eindeutig geklärt werden kann, oder die
Angeklagten geständig sind.”
Nicht nur in Neuruppin setzt die Justiz auf beschleunigte Verfahren.
Brandenburg gehört zu den Spitzenreitern in der Anwendung dieser
Sondermöglichkeit der Rechtssprechung. Hier fanden im Jahr 2001 mehr
als die
Hälfte aller beschleunigten Verfahren in den neuen Bundesländern statt.
In
2845 von insgesamt knapp 200 000 Verfahren sprachen Brandenburger
Richter
ihr Urteil unmittelbar nach der Tat. Am häufigsten werden beschleunigte
Verfahren bei Verkehrsdelikten angewendet: Rund eineinhalbtausend
solcher
Prozesse resultieren jährlich allein aus Trunkenheitsfahrten am Steuer.
Im
Bereich der Grenzkriminalität sind beschleunigte Verfahren manchmal die
einzige Möglichkeit, die Täter zur Verantwortung zu ziehen.
Rechtsradikale und fremdenfeindliche Straftaten wurden im Vorjahr in 86
Fällen so schnell wie in Neuruppin geahndet, meist handelte es sich um
Propaganda-Delikte wie das Zeigen des Hitlergrußes. “Wir könnten noch
öfter
zu diesem Mittel greifen”, sagt die Sprecherin des Potsdamer
Innenministeriums Petra Marx: “Aber zu den Voraussetzungen für ein
beschleunigtes Verfahren gehört auch, dass das zu erwartende Strafmaß
ein
Jahr Freiheitsentzug nicht überschreitet.” Brandenburg fordert daher
die
Anhebung des Strafmaßes auf zwei Jahre. Der Bundesrat prüft die
Gesetzesinitiative gegenwärtig. Auch Opferschutzverbände, sagt Petra
Marx,
würden die verstärkte Anwendung von beschleunigten Verfahren begrüßen:
“Eine
schnelle Klärung und Verurteilung nimmt jenen, die unter den Folgen von
Straftaten leiden, einen Teil des Drucks und der Angst.”