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Nette Jungs” und Neonazis

POTSDAM Der Bun­destagswahlkampf der recht­sex­tremen NPD ist in diesem Jahr
durch eine Beson­der­heit gekennze­ich­net. NPD-Spitzenkan­di­dat für Brandenburg
ist der Lan­desvor­sitzende der DVU, Sig­mar-Peter Schuldt. Der 55-jährige
Ökonom aus Groß Kreutz in Pots­dam-Mit­tel­mark ist zugle­ich parlamentarischer
Geschäfts­führer der DVU im Landtag.

Hin­ter­grund dieser Koop­er­a­tion ist der so genan­nte Deutsch­land-Pakt der
bei­den recht­sex­tremen Parteien vom 15. Jan­u­ar 2005. Die Bundesvorsitzenden
der DVU und NPD — der Ver­leger und Mul­ti­mil­lionär Ger­hard Frey sowie der
ehe­ma­lige Bun­deswehrof­fizier und Poli­tik­wis­senschaftler Udo Voigt — hatten
vere­in­bart, dass von den bei­den Parteien bei der näch­sten Bundestagswahl
allein die NPD und bei der näch­sten Europawahl nur die DVU antrete.

“Es ist unser Ziel, die BRD eben­so abzuwick­eln, wie das Volk vor fünfzehn
Jahren die DDR abgewick­elt hat. Dies geht offen­sichtlich auch über die
Wahlurne”, hat­te NPD-Chef Voigt im Herb­st 2004 in einem Inter­view die
Ziel­rich­tung vorgegeben.

Er habe “keine Dif­feren­zen” mit der NPD, ver­sicherte DVU-Lan­deschef Schuldt
gestern der MAZ. “Ich bin als Kan­di­dat der NPD ange­treten und akzep­tiere das
Wahl­pro­gramm.” Eine Fusion bei­der Parteien sei eventuell “irgend­wann
möglich, aber jet­zt noch nicht”. Schon gegen­wär­tig sei eine “sehr gute
Zusam­me­nar­beit” von DVU, NPD und Kam­er­ad­schaften bei der Verteilung von
bish­er 800 000 Flug­blät­tern und Wahlkampfzeitun­gen in Bran­den­burg erkennbar.

Prob­leme mit den laut Ver­fas­sungss­chutz neon­azis­tis­chen Kam­er­ad­schaften hat
Schuldt nach eige­nen Worten nicht — offen­bar auch nicht mit dem “Märkischen
Heimatschutz”. Auch deren Mit­glieder unter­stützen nach Auskun­ft von
NPD-Sprech­er Thomas Salomon die NPD beim Verteilen von Flug­blät­tern und
Aufhän­gen von Plakat­en. “Die Mehrheit der Kam­er­ad­schaften unter­stützt uns”,
sagt Salomon. Bei den Kam­er­ad­schaftsmit­gliedern han­dele es sich oft um
“nette Jungs”. “Typen, die von ihrer Charak­ter­struk­tur zum Hakenkreuzzeigen
neigen”, wür­den als Wahlkamp­fun­ter­stützer allerd­ings nicht in Erscheinung
treten. Nach Erken­nt­nis­sen des bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzes besteht
die Ide­olo­gie des “Märkische Heimatschutzes” aus ein­er Mix­tur von
“Anti­semitismus, Ras­sis­mus und Ver­her­rlichung des Nation­al­sozial­is­mus”. Auch
ehe­ma­lige Mit­glieder der ver­bote­nen Kam­er­ad­schaft “Hauptvolk” aus dem Raum
Rathenow in Ober­hav­el sind nach Infor­ma­tio­nen der MAZ für die NPD als
Wahlkampfhelfer aktiv.

Die durch Sig­mar-Peter Schuldts Spitzenkan­di­datur offenkundi­ge Nähe zur NPD
und zu neon­azis­tis­chen Kam­er­ad­schaften ist manchen DVU-Poli­tik­ern nicht
geheuer. Schon im Novem­ber 2004 — nach einem ersten auf Bundesebene
beschlosse­nen Bünd­nis, das zunächst nur für die Land­tagswahlen in
Bran­den­burg und Sach­sen galt — hat­te Bran­den­burgs stellvertretender
DVU-Frak­tionsvor­sitzen­der, Michael Claus, den Pakt abgelehnt. Claus
kri­tisierte die radikalen Ansicht­en der NPD und das Erschei­n­ungs­bild der
Neon­azi-Partei. “Wir haben solche Leute nicht in der Partei”, set­zte sich
Claus mit Blick auf die ihm sus­pek­ten Kam­er­ad­schaften von der NPD ab. Bei
Frak­tion­schefin Liane Hes­sel­barth fand Claus jedoch keine Unterstützung.
Erst in diesem Jahr wurde bekan­nt, dass Hes­sel­barths Sohn, der im
elter­lichen Haus in Straus­berg wohnt, der im Juli 2005 verbotenen
Neon­azi-Organ­i­sa­tion “ANSDAPO” angehörte.

Der offenkundi­gen Sym­pa­thie sein­er Parteispitze für die NPD zum Trotz hat
sich der DVU-Land­tagsab­ge­ord­nete Markus Non­ninger gestern erneut von der NPD
dis­tanziert. “Die Skep­sis gegenüber dem Pakt mit der NPD ist bei mir nicht
ver­flo­gen”, sagte der 34-jährige Chemielab­o­rant. Er habe auch keine Minute
Zeit gefun­den, um die NPD in deren Wahlkampf zu unter­stützen. Eine Fusion
bei­der Parteien sei für ihn unvorstell­bar. Er plädiere für Mei­n­ungs- und
Ver­samm­lungs­frei­heit, sagte Non­ninger, während die NPD “das System
rev­o­lu­tion­ieren”, dieses Grun­drecht also abschaf­fen wolle.

Eine Wahlempfehlung für die NPD und somit für seinen Landesvorsitzenden
Schuldt will Non­ninger nicht abgeben. “Ich gebe grund­sät­zlich keine
Wahlempfehlun­gen ab”, sagt er, “Gott sei Dank haben wir freie und geheime
Wahlen.”

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