(Yahoo News) Potsdam (ddp-lbg). Das Verbrechen geschieht am 16. Juni 1996. Der farbige Brite Noel Martin wird in Mahlow von jungen Rechtsextremisten überfallen und aufs Schwerste verletzt. Seitdem ist der Bauarbeiter vom Hals abwärts gelähmt und an den Rollstuhl gefesselt. 2001 verabreden er und der damalige Brandenburger Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) die Einrichtung eines Fonds, der Begegnungen junger Leute aus den Regionen Mahlow und Birmingham, dem Wohnort Martins, befördern soll. Doch richtig in Schwung kommt das Projekt nicht. Erst zwei Brandenburger Schülergruppen besuchen Noel Martin. Er sei «enttäuscht», dass der Fonds nicht schneller zum Tragen kommt, sagt Martins Beauftragte Robin Herrnfeld.
Das soll nun anders werden. Die «Stiftung Großes Waisenhaus zu Potsdam» will dem «Noel-und-Jaqueline-Martin-Fonds» endlich «Leben einhauchen», wie Geschäftsführer Jürgen Pankonin sagt. Denn «das Projekt ist bislang nicht optimal gelaufen». Die Stiftung verwaltet seit kurzem den Fonds mit 25 564,60 Euro aus Landesmitteln und will unter anderem unter Hinzuziehung weiterer Partner zusätzliche Gelder einwerben. Am 9. März wird es zudem in Mahlow ein Treffen mit Gemeinden, Initiativen gegen Rechts und Schulen aus der Region geben, bei dem die Ausgestaltung des Fonds auf der Tagesordnung steht. Die regionalen Gruppen sollen dabei ermuntert werden, selbst den Jugendaustausch zu organisieren, sagt Pankonin. Sollten diese aber «nicht aus den Puschen kommen», dann werde die Stiftung allein tätig werden.
Denn Handlungsbedarf besteht, betont Pankonin unter Verweis auf den Dezember 2003. Damals überfielen vier Jugendliche in Mahlow einen Aussiedler, verletzten ihn lebensgefährlich und raubten ihn aus. Die Staatsanwaltschaft rechnete sie dem Neonazi-Milieu zu.
Die Vorstellungen, was die Stiftung fördert, seien «so klar noch nicht», erklärt der Geschäftsführer. Die Einrichtung, die sich Pankonin zufolge ausschließlich über eigene Vermögenseinnahmen finanziert, will «flexibel» über Anträge befinden. Für eine «preiswerte Reise» nach England würden die Mittel aber nicht locker gemacht. Die mitfahrenden Jugendlichen müssten sich schon die Mühe machen, die Multikultur Birminghams kennen zu lernen. Zudem müsse der Antragsteller eine Eigenbeteiligung aufbringen. Ausdrücklich hebt Pankonin hervor, dass auch solche Schüler und Jugendlichen mitmachen sollen, die rassistisch eingestellt sind. Diese könnten durch interkulturelle Jugendarbeit sensibilisiert oder gar zum Umdenken bewogen werden. Eine Auffassung, die sich mit der Noël Martins deckt.
«Fremdenfeindlichkeit kann nur dadurch abgebaut werden, dass man junge Menschen zusammenführt», unterstreicht Pankonin. Mit dieser Überzeugung will er Eltern aus Birmingham konfrontieren, die in der Vergangenheit Vorbehalte gegen einen Besuch ihrer Kinder in Mahlow und Umgebung mit der Angst vor rechtsextremistischen Übergriffen begründet hatten. Der Geschäftsführer verweist darauf, dass Martin mit der Stiftung «Großes Waisenhaus zu Potsdam» als Fonds-Verwalterin «einverstanden» ist. Der Brite habe auch ein «ganz großes Interesse», noch in diesem Jahr wieder nach Brandenburg zu kommen«. 2001 war er zum fünften Jahrestag des Anschlags dort gewesen.
Herrnfeld bestätigt den Wunsch Martins, im Sommer nach Mahlow zu reisen und dabei eventuell Jugendliche aus Birmingham mitzunehmen. Doch die Finanzierung sei »noch völlig unklar”. Noel Martin liege nach wie vor am Herzen, Jugendlichen zu zeigen, was ihm vor fast acht Jahren passiert ist, um zu verhindern, dass so eine brutale Gewalttat gegen Ausländer wieder geschieht.