Der Bundesvorsitzende der neonazistischen Jugendorganisation »Heimattreue Deutsche Jugend« (HDJ), Sebastian Räbiger, ist am Freitag nachmittag vor dem Amtsgericht Zossen wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Strafe von 3000 Euro verurteilt worden. Verhandelt wurde ein brutaler Angriff auf die Journalistin Andrea Röpke in einem Supermarkt in Blankenfelde. Zusammen mit dem 23jährigen Friedrich Tinz hatte Räbiger am 4. November 2006 am Rande des alljährlichen »Märkischen Kulturtages« in Blankenfelde die Journalistin und einen Kollegen attackiert. Die beiden wollten unter anderem für den Norddeutschen Rundfunk (NDR) von der konspirativ geplanten Zusammenkunft im Lokal »Zur Eiche« berichten, in dem sich knapp 200 Rechtsextremisten versammelt hatten.
In Zossen herrschte am Freitag Ausnahmezustand: Mehrere Einsatzwagen der Bereitschaftspolizei patrouillierten vor dem Gerichtsgebäude, drinnen durchsuchten Justizbeamte Besucher penibel nach Waffen. Unterstützung bekam Räbiger durch mehrere Neonazis als Prozeßbeobachter, darunter Ragnar Dam, führender Kopf der »HDJ-Nord« und Tino Müller, NPD-Abgeordneter im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern.
Zu Beginn des Verfahrens erklärte Räbiger, daß er Röpke zwar verfolgt und sich vor ihr aufgebaut hätte, sie aber ohne sein Zutun im Supermarkt plötzlich nach hinten umgefallen sei und er keinesfalls zugeschlagen habe. Wenig glaubhaft schien diese Version nicht nur Richter Böhm, auch das ärztliche Gutachten ließ an dieser Version Zweifel aufkommen. Nach Angaben der beiden Journalisten bedrängte der HDJ-Führer Röpke mehrfach, bevor er ihre Kamera beschädigte und ihr heftig ins Gesicht schlug. Als ihr Kollege helfen wollte, griff Neonazi Tinz ein, schlug und würgte ihn. Der Großteil der zum Zeitpunkt des Überfalls anwesenden Kunden weigerte sich anscheinend aus Angst vor Racheakten aus der rechten Szene, vor der Polizei gegen die Neonazis auszusagen.
Richter Böhm sagte in seiner Urteilsbegründung, »investigativen Journalismus« müsse Räbiger bei seiner politischen Tätigkeit »ertragen«. Aufgabe des Staates sei, »sich vor und hinter Journalisten zu stellen«. Zum Erstauen vieler Prozeßbeobachter wollte der Richter in der Urteilsbegründung gegen Räbiger »keine politisch motivierte Tat« erkennen, der Neonazi habe »nicht aus der Gesinnung heraus gehandelt«, so Böhm. Das Verfahren gegen Friedrich Tinz wurde abgetrennt und vertagt.