Es folgt ein Beitrag von den Herausgeber_innen des Sammelbandes “ ‘Was ein rechter Mann ist…’ Männlichkeiten im Rechtsextremismus”. Das Buch ist kürzlich im Karl Dietz Verlag Berlin erschienen. Es kann kostenlos als PDF-Datei heruntergeladen werden. Bezugsinfos für die Printausgabe hier.
Familie, Sexualität und Geschlecht sind zentrale Elemente des Rechtsextremismus. Sie prägen seine öffentliche Inszenierung und stellen zugleich Felder dar, in denen sich männliche Dominanz konstituiert. Trotzdem werden Männlichkeit beziehungsweise Interessen von Männern im Rechtsextremismus nur selten als solche benannt. Der Versuch, männliche Herrschaft infrage stellende Programme wie Gender Mainstreaming, als künstlich oder diktatorisch zu verunglimpfen, geriert sich derweil als des Volkes bodenständige Stimme: eine Welt, in der man sich noch treu sein kann, in der Mann noch Mann sein darf.
Grundsätzliches vorweg: Die Kategorie Gender, deren Verwendung in der Bundesrepublik im Zuge der Etablierung von Frauen- und Geschlechterforschung Eingang in den bundesrepublikanischen Diskurs gefunden hat, wird vom Rechtsextremen (bewusst) nicht verstanden . Mehr noch: Die Behauptung, dass aus der (vermeintlichen) Biologie einer Person nicht sogleich ihre sozialen Eigenschaften resultieren, wird von völkischen Ideologen in aller Härte abgestritten, bringt sie doch das Grundgerüst biologisch orientierten Denkens ins Wanken, auf das sich Rechtsextreme seit eh und je berufen. Denn innerhalb der rechtsextremen Geschlechterkonstruktion funktionieren Geschlecht, „Rasse“ und Sexualität als eindeutige soziale Platzanweiser, die Lebenswege unveränderlich festschreiben sollen. Nicht, dass sich hier nicht Anschlussfähigkeiten in die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“ fänden, nur hat diese durch Frauenbewegung und weitere soziale Bewegungen eine spezifische soziale Durchlässigkeit erreicht, die Rechtsextreme nur verächtlich als die Schaffung „identitätskastrierter Gegenwartskrüppel“ beschimpfen (Aufruf auf antikap.de).
Aus dieser Kastrationsangst heraus werden Programme wie Gender Mainstreaming als „Genderterror“ verunglimpft und zum Widerstand gegen die als „Umerziehung“ empfundene Gleichstellungspolitik aufgerufen. Hierbei bilden Feminismus, Homosexualität und Einwanderung bzw. das, was Rechtsextreme darunter verstehen wollen, ein abzuwehrendes Konglomerat aus allem, was dem völkischen Weltbild als „pervers“ bis künstlich aufstoßen muss, über jegliche Widersprüche hinweg.
Im Kern geht es den Rechtsextremen einzig und allein um das Festklammern an bisher als solide und sicher betrachteten Identitäten. So basiert das hierarchische Gefüge neonationalsozialistischen Denkens auf gewalttätig vertretenen Ausschlüssen, in denen ein mythischer „früherer Zustand“ herbei gerufen und romantisiert wird. Dieser, so die Argumentation, fußte auf klaren (Geschlechts-) Identitäten, in denen sich Mann und Frau entlang ihrer angeblichen biologischen Veranlagung am Besten im Dienst am Volke entfalten konnten. Aus dieser Perspektive muss jede Unternehmung, Identitäten zu pluralisieren oder gar aufzulösen, als verbrecherisch gegeißelt werden. Migrant_innen, emanzipierte Frauen, Homosexuelle oder alternative Jugendliche verkörpern hierbei das „Andere“, das der „natürlichen“ Ordnung widerspräche.
So ruft die rechtsextreme Internetseite „spreelichter.info“ (Untertitel: „Infosystem der Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“) in ihrem Beitrag über die befreundete rechtsextreme Initiative „Raus aus den Köpfen — Genderterror abschaffen“ zum Kampf gegen die „‘Gender’-Ideologie“ auf. Über die französische Feministin Simone de Beauvoir heißt es dort: „Dabei ist das ‘Lebensmodell’, das Beauvoir entwarf und heute aus uns den neuen ‘Gender-Menschen’ formen soll, nichts weiter als eine auf sich selbst zugeschnittene Theorie, mit der sie ihre eigene Misere zur bewussten Entscheidung stilisierte.“ De Beauvoirs Aufruf, „der Sklaverei der Mutterschaft“ zu entfliehen, wird hier verkürzt als die Grundformel des Feminismus beschworen und zugleich als „Misere“ ausgegeben.
Daran anschließend unternehmen die Redakteure des aufwendig gestalteten rechtsextremen Blogs mal eben einen fixen Ritt, der von John Money, einem Sexualtherapeuten der 1960er Jahre, bis zum Gender Mainstreaming führt. Zwischendrin gehen mehrere Jahrzehnte Frauen- und Geschlechterforschung samt all ihrer Brüche, Widersprüche und inhaltlichen Neuorientierungen verlustig. Der Sinn dieser gewollten Verkürzung ist simpel: Empörung erzeugen, Widerwillen schüren. Dem rechten Populismus war der Feminismus schon immer ein Dorn im Auge, Vorwürfe überzogener Sexualisierung nach „1968“ bis hin zu Pädophilie nicht weit: “Zur Sprache kommen unter anderem der Psychologe und Sexologe John Money, der einer der ersten Verfechter der Theorie war, was der Unterschied zwischen Gleichberechtigung zu Gleichmacherei ist, wie sich die Gendermainstreaming-Politik auf unseren Alltag auswirkt, wie aus Bruce Brenda und aus Brenda David wurde, was es mit der systematischen Sexualisierung des Volkes auf sich hat und wie Gendermainstreaming pädophiles Verhalten fördert.“ (Aus der Ankündigung des selbstproduzierten Radiofeatures „Gendermainstreaming“)
Den braunen Ideologen zufolge, sei das Ziel von Gender Mainstreaming ein gigantisches „Umerziehungsprogramm“, in dessen Folge Frauen nicht mehr Frauen und Männer nicht mehr Männer seien dürften. Eine Riesenlücke starker männlicher Vorbilder sei die Folge, Geburtenraten gingen zurück, familiäre Bindungen würden allzu früh durch die Berufstätigkeit der Mütter und staatliche Erziehungseinrichtungen zerstört – die Kinder zu „Gender-Menschen“ umerzogen. Im Beklagen dieses Bedrohungsszenarios stehen die Rechtsextremen nicht allein, was schon ein Blick in die Linklisten der Beiträge verrät: Unter anderem wird auf einen Artikel des rechtskonservativen Journalisten Volker Zastrow in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zu „politischer Geschlechtsumwandlung“ vom Juni 2006 Bezug genommen.
Aus den Quellen und Praxen aktiver Rechtsextremer ist jedoch bekannt, wozu man sich hinter der propagandistischen Hetze nur selten bekennt: Starre Identitäten in klassischen Mustern sollen erhalten werden. Emanzipation in jeglicher Hinsicht bleibt ein Hassbegriff für sich. Insofern entpuppt sich der Diskurs um bzw. gegen Gender Mainstreaming als antifeministische Strategie zur Resouveränisierung traditioneller, hegemonialer Männlichkeit. Hinter der Agitation gegen alles, was Gender im Namen trägt, steckt das Beschwören traditioneller Identitäten: Da ist der soldatische und heldenhafte Mann auf der einen und die an Heim und Herd fürsorgende Mutter vieler Kinder auf der anderen Seite. Archaischer geht’s nicht.