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Nichts ist für die Ewigkeit

Keine deutsche Band war erfol­gre­ich­er als die Böh­sen Onkelz und keine hat
stärk­er polar­isiert. Bis zu ihrer Auflö­sung im Juni 2005 hat man der 1980
gegrün­de­ten Hardrock-Band ihre Wand­lung — weg vom recht­en Skin-Image hin zu
Unter­stützern zahlre­ich­er “Rock gegen Rechts”-Konzerte — nur schwer
abgenom­men. Was bleibt, sind die Fans. Doch wer sich als Anhänger der Onkelz
out­et, ste­ht selb­st in der Kritik.

Der Jour­nal­ist und Grün­der des Berlin­er Archivs der Jugend­kul­turen, Klaus
Farin, präsen­tierte am ver­gan­genen Woch­enende im Berlin­er Sound-Klub die
zweite Auflage vom “Buch der Erin­nerun­gen. Die Fans der Böh­sen Onkelz”. Es
ist das Ergeb­nis sein­er langjähri­gen Arbeit über Sub- und Jugendkulturen
(darunter mit Veröf­fentlichun­gen zu Skin­heads, Punks und Hooli­gans). Sein
Ansatz: stig­ma­tisierte Jugendliche. “Die Kri­tik der Medi­en hat sich längst
von der Band auf ihre Fans ver­lagert, die pauschal­isiert als Rechte oder
Neon­azis beze­ich­net wer­den”, sagt Farin.

1998 ver­bre­it­ete er einen Aufruf an die Fans, Erfahrungs­berichte an ihn zu
schick­en. “Was bedeutet es, ein B.O.-Fan zu sein?”, wollte er wis­sen. So
kamen aus Hun­derten von Zuschriften poli­tisch Unin­ter­essierte, Linke und
Rechte zu Wort. Denn, das bestre­it­et nie­mand, es gibt rechte Onkelz-Fans,
doch ger­ade die hät­ten es immer schw­er­er, so Farin. Auf Konz­erten wur­den sie
nicht ein­ge­lassen oder durch die Band­mit­glieder per­sön­lich nach draußen
kom­pli­men­tiert. Auch “Nazis raus!”-Chöre der anderen Konz­ertbe­such­er sind
bezeugt.

Auf der Fan-Par­ty im Sound-Klub fan­den sich auch Pots­damer Onkelz-Hörer.
Allen voran Con­ny Wit­tig (35), die im Archiv der Jugend­kul­turen angestellt
ist und auch an dem Buch mit­gewirkt hat. Sie hört die Band seit 1999, als
ihr Fre­und ihr Lieder der Onkelz vor­spielte. Sie tat das zunächst als
“rechte Musik” ab, habe aber “beim Mithören gemerkt, dass man das hören
kann” — und wurde Fan. Recht­es Gedankengut ist Con­ny Wit­tig kaum
vorzuw­er­fen. Für das bran­den­bur­gis­che Jus­tizmin­is­teri­um arbeit­et die
Pots­damerin in einem Pro­jekt über “präven­tive Arbeit mit rechtsextremistisch
bee­in­flussten Jugendlichen im Strafvol­lzug”. Vorurteile gegenüber den Fans
gebe es, sie sei aber noch nie neg­a­tiv darauf ange­sprochen wor­den, meint
Wittig.

Der Pots­damer Thomas Gransee hat andere Erfahrun­gen gemacht. Er habe die
Band bere­its 1984 das erste Mal gehört, sagt der 39-Jährige. Gransee ist in
seinem früheren Beruf als Fer­n­fahrer und später im öffentlichen Dienst oft
als Onkelz-Fan ange­grif­f­en wor­den. Aber er geste­ht selb­st, dass er auf der
Fan-Par­ty ohne Prob­leme auf zehn Men­schen zeigen könne, die “weit rechts”
stünden.

Neben Gransee sitzt der 15-jährige Oliv­er mit seinen Eltern. Oliv­er hört
seit seinem siebten Leben­s­jahr die Onkelz. Sein Vater hat ihn dazu gebracht.
Anfangs sei er wegen sein­er T‑Shirts, auf denen zum Beispiel “gehas­st,
ver­dammt, vergöt­tert” ste­ht, für “rechts” gehal­ten wor­den, berichtet der
Pots­damer. Mit­tler­weile wür­den die Onkelz “auch in der Pause” an seiner
Gesamtschule gespielt.

Eines der ersten Fan-State­ments in Farins Buch begin­nt fol­gen­der­maßen: “Als
erstes: Ich bin rechts eingestellt! Aber damit eins klar ist: Im Gegensatz
zu anderen halte ich die Onkelz NICHT für eine Neon­azi-Band!” Die Lektüre
des Buch­es und die Gespräche mit den Fans deuten in dieselbe Rich­tung. So
stellt sich die Frage: Wie kommt es eigentlich, dass Recht­sex­treme sich
über­haupt noch zur Band hinge­zo­gen fühlen?

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