Gefahr der illegalen Einreise an Oder und Neiße steigt — Bundesgrenzschutz setzt auf Abschreckung durch Großaufgebot
(BM, 26.7.) Frankfurt (Oder) — Auf einer Anhöhe am Oderufer nördlich von Frankfurt steht
ein dunkelgrüner Kleintransporter. Das einzig Auffällige an dem Fahrzeug ist
ein eiserner Schwenkarm mit schwarzem Objektiv auf dem Dach. Im Inneren des
Fahrzeugs sitzen zwei Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS) vor einem
Computermonitor, der ihnen das gegenüberliegende, dicht bewaldete Oderufer
näher bringt. Etwas Verdächtiges bemerken sie in der drückenden Mittagshitze
jedoch nicht.
Der BGS hat angesichts der niedrigen Wasserstände der Oder derzeit alles
aufgefahren, was zum Schutz der Grenze vor illegalen Aktivitäten dienen
kann: Vermehrte Fuß- und Fahrzeugstreifen, Diensthunde, Hubschrauber. Und
eben die Wärmebildgeräte, die normalerweise nur in den Nachtstunden zum
Einsatz kommen, um Menschen in der Dunkelheit sichtbar zu machen. Dann aber
stehen die Hightech-Transporter nicht weithin sichtbar, sondern versteckt im
Gebüsch. “Wir setzen jetzt verstärkt auf die abschreckenden Wirkung am Tage,
arbeiten präventiv”, erklärt Claudia Skowronek, Sprecherin des Frankfurter
Grenzschutzamtes, die Präsentation des Wärmebild-Autos auf der Anhöhe.
Das heißt: Der BGS will mögliche Schmuggler, Menschenschleuser und
potenzielle Flüchtlinge warnen, dass es keinen Zweck hat, den 25 Grad
Celsius warmen und nur etwa 99 Zentimeter tiefen Grenzfluss illegal zu
überqueren oder zu durchschwimmen. Die so genannte Gefahrenabwehr scheint zu
funktionieren, denn bislang haben die Beamten an der
brandenburgisch-polnischen Grenze keinen erhöhten Ansturm auf die zum
malerischen Flüsschen mit feinen Sandstränden geschrumpfte Oder registriert.
625 illegale Grenzgänger weist die BGS-Statistik für das erste Halbjahr 2003
aus. Die meisten von ihnen stammen aus Russland und der Ukraine. Die
Situation ist nicht mehr vergleichbar mit den Anfangsjahren nach der
Grenzöffnung 1993, als Tausende von Flüchtlingen an der EU-Außengrenze nach
Deutschland strömten. Die Zahlen sind inzwischen stark rückläufig — auf
Grund der hohen BGS-Präsenz und der guten Kooperation mit Polen.
Allein 537 Grenzer sind gegenwärtig im 30 Kilometer langen Frankfurter
Abschnitt der entsprechenden Grenzschutzinspektion im Einsatz. Nach Angaben
von BGS-Polizeihauptmeister Peter Schneider wurden dort im Juli bisher 26
Ausländer festgestellt, die heimlich die Grenze nach Deutschland überqueren
wollten.
Schwerpunkte der meist im Schutz der Dunkelheit startenden illegalen
Grenzübertritte im Raum Frankfurt sind laut Schneider die Eisenbahnbrücke
sowie die Ziltendorfer Niederung. Dort reicht der Wald auf polnischer Seite
bis ans Ufer. Auf deutschem Territorium gibt es schnell erreichbare
Stichstraßen. Die meisten versteckten Grenztransfers laufen nach
BGS-Erkenntnissen organisiert ab: Arbeitsteilig agierende Schleuserbanden
bringen die Flüchtlinge ans Ufer, setzen sie mit Schlauchbooten oder
schwimmend über und sorgen für den Abtransport ins deutsche Hinterland.
“Ohne die gut ausgerüsteten Menschenschmuggler hat ein Flüchtling kaum noch
eine Chance, unentdeckt ins Bundesgebiet zu gelangen”, sagt BGS-Sprecherin
Skowronek. Wer nehme heute noch einen verschmutzten Ausländer in nassen
Klamotten als Tramper mit, ergänzt ihr Kollege Schneider. Die Statistik gibt
ihnen Recht: Von 1132 im vergangenen Jahr ertappten illegalen Grenzgängern
waren 932 geschleust worden.