BELZIG In den letzten Kriegstagen 1945 wurde der Fläming zum
Durchmarschgebiet von Truppen in alle Richtungen. Helga Kästner hat mit
Hilfe verschiedener Publikationen, Zeitzeugen und Chroniken ein Tagebuch der
letzten Kriegsereignisse in der Region zusammengestellt.
21. April 1945 : Treuenbrietzener Chronisten berichten von diesem Tag:
“Mittags Panzeralarm, alle Panzersperren werden geschlossen (Berliner Straße
am Verstärkeramt, bei Karstadts). Die Sirene heult 10 Minuten. Vor 17 Uhr:
Panzer der Roten Armee erreichen die Stadt von der Berliner Chaussee aus.
Sie kommen aus Luckenwalde und haben Jüterbog nebst Schießplatz links liegen
lassen. Vor der Panzersperre der Berliner Straße wird Stellung bezogen.
Panzer und Geschütze fahren in die Ringstraße, Geschütze stehen zwischen den
Häusern und sind auf die Stadt gerichtet. Soldaten durchkämmen die Häuser
und sichern nur, ob sie Widerstand finden und fürchten müssten. In der
Ringstraße sind drei Familien geblieben, alle anderen sind spätestens nach
dem Panzeralarm geflohen. Soldaten gehen und kommen, aber Bedrohliches
geschieht nicht. Ein älterer Offizier (Rang unbekannt) und einige jüngere
Offiziere beziehen in unserem Haus Quartier. Vom Boden kann die Berliner
Straße bis zur Siedlung beobachtet werden und die Berliner Straße bis zum
Verstärkeramt. — Wir sitzen in der Nacht im Keller mit unseren Berliner
Verwandten und der Familie von gegenüber, die keinen Keller hat. Wir bleiben
unbehelligt.”
An diesem Tage ertönt auch in Berlin zum ersten Mal das Sirenensignal
“Feindalarm”. Die Stadt liegt an diesem Tag erstmals in Reichweite
sowjetischer Artillerie. In der Niemegker Chronik heißt es: “Die Gefahr kam
jetzt aus Richtung Treuenbrietzen und aus dem Raum Wittenberg. Im KZ-Lager
Niemegk hörten die Häftlinge einige Schüsse aus Handfeuerwaffen im Wald
östlich des Lagers. Das waren erste Berührungen mit sowjetischen Vorposten
oder Spähtrupps, die aus Richtung Rietz die Gegend um Niemegk erkunden
wollten.
Etwa um den 20. oder 21. April herum, die Zeit steht nicht genau fest, wurde
eine Kolonne Häftlinge eines KZ durch Niemegk und Hohenwerbig getrieben, die
von SS-Leuten stark bewacht wurde. In zerschlissener Kleidung, mit
Holzpantoffeln, hungrig und durstig, kamen sie vor Erschöpfung nur langsam
voran. Durch Niemegk mussten Männer des Volkssturms diesen Zug begleiten.
Niemand durfte ihnen auf dem Marsch Wasser oder Essen reichen.
Ein Häftling konnte vor Erschöpfung nicht mehr laufen, und seine Kameraden
waren alle so schwach, dass sie ihn nicht tragen oder stützen konnten. Er
wurde vor dem Grundstück Tittel in der Wittenberger Straße aus dieser
Kolonne heraus von der SS erschossen. Der Leichnam blieb dort liegen. In
Hohenwerbig legte der Häftlingszug auf einem Platz in der Nähe der Kirche
Rast ein. Hohenwerbiger Kinder brachten den Häftlingen Kartoffeln und Rüben,
die sich die Häftlinge auf kleinen Feuern kochen konnten, zunächst mit
Duldung der SS. Kurz bevor die Früchte gar waren, wurden die Feuerstellen
von den SS-Leuten zertreten und zerstört, und es wurde der Aufbruch
befehligt.
Der Marsch ging weiter auf dem so genannten Mittelweg, südlich des Dorfes,
bis zur etwa 500 Meter entfernten Feldscheune des Bauern Tietz. Dahinein
mussten die Häftlinge. Nachts versuchten drei von ihnen zu den in der Nähe
liegenden Kartoffelmieten zu kommen. Sie wurden entdeckt und mit MPi-Salven
getötet. Die Bürger brachten sie später zum Friedhof, wo sie in einer Grube
an der Friedhofsmauer beerdigt wurden. In diese Grabstelle wurde auch ein
Landarbeiter aus Hohenwerbig gelegt, der sich erhängt hatte.” (wird
fortgesetzt)