(Frank N. Furter) Am 30. März 2004 wurde im Filmmuseum Potsdam in der Reihe “aktuelles Kinogespräch” in Anwesenheit der Regisseurin der neue Film von Franziska Tenner “No Exit” gezeigt. Der Dokumentarfilm begleitet das Leben der “Freien Kameradschaft Frankfurt/Oder” einer Gruppe von Neonazis, die zumindest vom Sehen den meisten
FrankfurterInnen bekannt sein dürften. Der Film setzt sich zusammen aus gefilmten Kameradschaftstreffen, Einzelinterviews mit drei ausgewählten Nazis, zwei
Männern und einer Frau, Interviews mit deren Angehörigen, Szenen aus dem Alltagsleben der drei ausgewählten Nazis sowie einigen wenigen politischen
Aktionen der freien Kameradschaft. Wir sehen “Vollopfer” vor der Kamera. Zu großen
Teilen ist der Film Slapstick: ein einziger Naziwitz, wie er spät abends in
Punkerkneipen erzählt wird. Nazis mit schwieriger Kindheit, der deutschen Sprache
nicht mächtig, zu keiner koordinierten politischen Aktion in der Lage — fast
könnte mensch Mitleid mit dem Anführer Nico bekommen, dessen Ambitionen als
Führer und Liedermacher an der eigenen Unzulänglichkeit und der geistigen Armut
der KameradInnen scheitern. Einmal wird ein Opfer der Nazis interviewt. Keine
Frage, warum er angegriffen wurde, welche politische Bedeutung der Angriff auf
ihn gehabt habe. Denn der Film will — so auch von Tenner im Gespräch bestätigt
— die Nazis nicht mit anderen Meinungen konfrontieren, sie nicht politisch
demontieren, sondern sie VERSTEHEN. Für Tenner sind bei aller politischen
Ablehnung die Nazis zuerst Opfer — Jugendliche, denen man mit Verständnis begegnen
müsse. Im Gespräch mit Tenner offenbarte sich, das dem Filmteam dennoch einige
interessante Beobachtungen gelungen sind, die jedoch nicht verstanden wurden.
So behauptete Franziska Tenner, das Hauptproblem der “Jugendlichen” (die
Nazis der freien Kameradschaft wurden an diesem Abend konsequent nur als
“Jugendliche tituliert) sei, dass sie keine politischen Werte hätten, keine ideellen
Vorbilder in unserer Gesellschaft fänden. Doch der Film zeigt deutlich, wie die
“Jugendlichen” in der deutschen Gesellschaft derartige Vorbilder finden. Nicos
Vater (der im Gespräch von Tenner fast als Antifaschist gezeichnet wurde)
lehnt Hitler ab, schwärmt aber für Rommel. Die Forderung nach härteren Strafen
für “Kinderschänder” ist auf den Straßen von FFO (und nicht nur dort)
konsensfähig. Nico singt im Altersheim nationalistisches Liedgut für die Angehörigen
der
“Erlebnisgeneration” des zweiten Weltkrieges. Mit Fackeln halten die
“Jugendlichen” eine Gedenkfeier für deutsche Soldaten vor einem Gedenkstein ab, der
ganz offensichtlich nach der Wende von bürgerlichen Faschisten irgendwo im Wald
bei FFO aufgestellt wurde. Trotz alledem: Tenner hält daran fest, dass
Hauptproblem der “Jugendlichen” sei, dass sie weder Werte noch Vorbilder hätten.
Tenner steht nach eigenen Aussagen heute noch in Kontakt mit den Frankfurter
KameradInnen. Doch weder während der Dreharbeiten noch danach sei es ihr Ziel
gewesen, diese vom Nazitum abzubringen oder zumindest politisch zu demontieren, ihr
gehe es um Verständnis. Denn es sei keine Lösung, wenn sie etwas, was den
“Jugendlichen” eigentlich fremd sei, an diese herantragen würde. Der Titel “No
Exit” steht ihr zufolge für die Ausweglosigkeit einer ganzen Generation
“ostdeutscher Jugendlicher”. Das junge Menschen Nazis werden: für sie zwangsläufig;
dass sie es bleiben: alternativlos. Franziska Tenner beschäftigt sich schon seit
Jahren mit dem Thema “Rechtsextremismus”, sie ist “vom Fach”. U.a. hat sie
über Frauen in der rechten Szene geschrieben und für den dahingegangenen ORB
über Rechtsextremismus in Brandenburg bericht. Die Kritik an akzeptierender
Jugendsozialarbeit — und nichts als deren cinematographische Umsetzung ist der Film
“No Exit” — muss ihr wohlbekannt sein. Dass sie den Film trotzdem in der Art
und Weise gemacht hat deutet daraufhin, dass sie diese Kritik nicht teilt,
dass sie mit ihrem Film genau das macht, was von den GegnerInnen der
akzeptierenden Sozialarbeit mit Nazis immer auf´s schärfste kritisiert worden ist. Der
Film “No Exit” ist auf keinen Fall ein antifaschistischer Film, seine MacherInnen
auch keine AntifaschistInnen.
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