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Noch ein Thor

(MAZ, 5.10., Jan Stern­berg) Bil­lig sind die Sachen nicht. Von 60 Euro aufwärts müssen Kun­den für ein
Sweat­shirt der Marke “Thor Steinar” auf den Tisch leg­en. Auch die
Bestell­seite im Inter­net ist edel aufgemacht: Hier verkauft man Qualität.
“Thor Steinar” ist eine Erfolgsgeschichte. 

Seit einein­halb Jahren vertreibt die Fir­ma Medi­a­tex aus Zeesen bei Königs
Wuster­hausen (Dahme-Spree­wald) die Klam­ot­ten beson­ders unter Jugendlichen -
zu einem großen Teil solchen, die nicht nur für den dis­co­tauglichen Schick,
son­dern auch für die Gesin­nung bezahlen. Denn die auf dem globalisierten
Welt­markt zusam­men­genäht­en Sachen sind zur “nationalen” Haute Couture
gewor­den. Runen-Sym­bo­l­ik und “nordis­che” Mytholo­gie passen zur schleichenden
Eroberung der ost­deutschen Jugend­kul­tur durch die Kad­er der rechten
Parteien. 

Wer nicht auf Springer­stiefel und Lons­dale-Shirts abfuhr, hat­te bish­er keine
Möglichkeit zu erkennbarem Auftreten. “Thor Steinar macht die Szene um eine
Facette reich­er”, sagt Matthias Adri­an vom Zen­trum demokratis­che Kul­tur in B
erlin. “Die Recht­en, die sich immer dage­gen wehrten, Skins zu sein, können
so ihre Gesin­nung zeigen.” Aber auch in “nor­malen” Bou­tiquen sind
Steinar-Sachen immer öfter zu haben. Der dezente Runen-Schick ver­fängt auch
bei eigentlich unpoli­tis­chen Jugendlichen auf der Suche nach
tech­no­tauglichen Marken­klam­ot­ten. Die recht­en Kad­er freut der Trend: Man
komme an die Kids jet­zt viel bess­er her­an, frohlock­te ein Funk­tionär des
“Märkischen Heimatschutzes” kür­zlich im Fernsehen. 

Neue Marke ist bei der Polizei kaum bekannt 

Weit­er­er Vorteil für die Szene: Die Marke mit dem Runen­schrift-Logo ist bei
der Polizei bish­er kaum bekan­nt. Im “Thor Steinar”-Signet sind die
alt­ger­man­is­che Tyr-Rune und die Gibor-Rune oder “Wolf­san­gel” miteinander
ver­schlun­gen. Erstere war in der NS-Zeit Abze­ichen der
SA-Reichs­führerschulen, let­ztere das Sym­bol für die SS-Divi­sion “Das Reich”.
Die Jus­tiz zeigte sich bis­lang ziem­lich macht­los: Noch nie wurde bish­er ein
ver­bun­denes Sym­bol als Kennze­ichen ver­fas­sungs­feindlich­er Organisationen
ver­boten, bemän­gelt Klaus Park­er, Jurist und Recht­sex­trem­is­mu­s­ex­perte, der
für das Inter­net-Forum “hagalil-online” arbeitet. 

“Doch nach dem Zweck des Geset­zes und dem Willen des Geset­zge­bers fallen
der­ar­tige Verbindun­gen ganz klar unter das Ver­bot”, meint Park­er. “Die Marke
Thor Steinar nutzt Geset­zes­lück­en aus, um dicke Geschäfte zu machen.” Anruf
beim Medi­a­tex-Geschäfts­führer Uwe Meusel. Der elo­quente 29-Jährige ist auf
die Presse nicht allzu gut zu sprechen. “Unser Logo? Das ist ein T und ein
S, in Runen­schrift. Unsere Kollek­tion basiert auf dem nordis­chen Mythos.”
Mehr sei da nicht. Und über­haupt: “Warum fra­gen Sie uns nicht mal, wie viele
Arbeit­splätze wir hier geschaf­fen haben?” Gerne doch. Wie viele Angestellte
haben Sie denn? Meusel: “Das werde ich Ihnen jet­zt nicht sagen.” 

Darüber, dass “Thor Steinar” auch Sweat­shirts mit Maschinengewehr-Aufdruck
und Drohsprüchen wie “Wei­d­manns Heil” und “Haus­be­suche” anbi­etet, will er
schon gar nicht reden. Nur soviel: “Wir haben mit kein­er Organ­i­sa­tion auch
nur ansatzweise etwas zu tun.” Der Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutz hat
andere Erken­nt­nisse: “Es gibt Recht­sex­trem­is­ten, die der Fir­ma angehören”,
sagt Jonas Grutz­palk von der Behörde. 

Medi­a­tex-Anwalt Michael Rosch­er, im ver­gan­genen Jahr mit ein­er Kampagne
gegen Dieter Bohlen aufge­fall­en, ver­tritt die Fir­ma im Rechtsstre­it gegen
Berlin­er Antifa-Grup­pen: “Thor Steinar ver­wen­det keine
ver­fas­sungs­feindlichen Sym­bole”, sagt er knapp, “und wenn Leute, die mit der
Ver­fas­sung Prob­leme haben, die Sachen tra­gen, ist das nicht das Prob­lem der
Firma.” 

Rosch­ers Juris­tenkol­lege Klaus Park­er sieht das anders: “Im Gegen­satz zu
Fir­men wie Lons­dale, die wirk­lich nichts dafür kön­nen, gehört Thor Steinar
zu den Marken, die ein­deutig für die recht­sex­treme Szene pro­duziert werden.” 

Staat­san­wälte noch uneins 

Die Staat­san­waltschaften stre­it­en sich indesssen darum, ob das Runen-Logo
nicht doch rechtswidrig sein kön­nte. Die Berlin­er Staat­san­waltschaft sieht
keine Möglichkeit, Anklage zu erheben. “Wir hal­ten das eher nicht für
straf­bar”, sagt ihr Sprech­er Michael Grun­wald. Seine Kol­le­gen in Neuruppin
wollen sich damit nicht abfind­en. In zwei Fällen wurde Anklage gegen Träger
von “Thor Steinar”-Kleidung erhoben. Eine davon richtet sich gegen eine
Her­anwach­sende aus Pren­zlau (Uck­er­mark). “Wir haben sie angeklagt, da wir
meinen, dass das Fir­men­l­o­go ver­fas­sungs­feindlichen Sym­bol­en zum Verwechseln
ähn­lich sieht”, sagt Neu­rup­pins Lei­t­en­der Ober­staat­san­walt Gerd Schnittcher.
Er gibt sich kämpferisch: Sollte das Amts­gericht Pren­zlau die Anklage nicht
zur Hauptver­hand­lung zulassen, werde man sich um eine obergerichtliche
Entschei­dung bemühen. 

Für den Erfolg von “Thor Steinar” kön­nte das unan­genehm wer­den, für die
rechte Szene wäre es höch­stens ein Schar­mützel. Das weiß auch Gerd
Schnittch­er: “Diese Leute ver­suchen dauernd, Ersatzsym­bole für verbotene
NS-Sym­bole zu find­en.” Runen gibt es ja genug.

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