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Noten in der Schule

Ein weit­er­er Text der JD/JL Bran­den­burg zu ihrer Schul­tour. Dieses Mal geht es um Notenkritik.

Alle Schülis sind mit dem sel­ben Prob­lem kon­fron­tiert: Noten! Zuhause der Druck von den Eltern, welche gute Zen­suren von einem erwarten, in der Schule der Konkur­ren­zkampf oder sog­ar Mob­bing, spitze Kom­mentare des Lehrers/der Lehrerin, sollte die Klausur mal schlechter aus­ge­fall­en sein.

Sog­ar die PISA-Studie zeigt: das deutsche Bil­dungssys­tem ist eines der sozial Selek­tivsten. Den­noch stem­pelt es mit­tels Noten für Schu­lar­beit­en und Klausuren, für Hausar­beit­en und auf Zeug­nis­sen tagtäglich junge Men­schen zu gesellschaftlichen “Gewin­nern” und “Ver­lier­ern” ab und legit­imiert diese Selek­tion als Beste­nauslese — ohne dass dies jemand als ungerecht empfind­et oder hinterfragt. 

Leis­tung ist nicht gle­ich Verstehen…
Eine der Grun­dan­nah­men der Gesellschaft, in der wir leben, lautet: Nur wer bere­it ist, Leis­tung zu erbrin­gen, der oder die brächte es auch zu was. Mühe, Engage­ment und Fleiß wür­den sich let­ztlich auszahlen. Aber wie kommt eigentlich jemand auf die Idee, gel­erntes Wis­sen (also Qual­ität) in ein­er Zahl (also Quan­tität) zum Aus­druck brin­gen zu wollen?
Sehen wir uns dies ein­mal am Beispiel ein­er schulis­chen Klasse­nar­beit an: Ein bes­timmtes The­ma wird im Unter­richt durchgenom­men und soll gel­ernt wer­den. Ab und an lässt der Lehrer/die Lehrerin Klasse­nar­beit­en schreiben, in denen er “das Gel­ernte abfra­gen” will. Der/die Lehrende ist sich eigentlich gar nicht unsich­er, ob alle das The­ma ganz ver­standen haben, son­dern hat vielmehr die Gewis­sheit, dass in der Klasse nach dem Durch­nehmen des Stoffs noch eine ganze Menge Unken­nt­nis beste­ht. Völ­lig unab­hängig vom Ken­nt­nis­stand, vom Lern­tem­po, von den unter­schiedlichen Inter­essen, den beson­deren Lern­prob­le­men und Schwierigkeit­en der Schü­lerin­nen und Schüler ist im Lehrplan, der den Lehren­den vom Staat vorgeschrieben wird, fest­gelegt, dass in ein­er bes­timmten Zeit eine bes­timmte Stoff­menge “durchgenom­men” wer­den muss.

Ler­nen in Zeit ist dann die geforderte Leis­tung – nicht Ler­nen als Ver­ste­hen an sich. 

Gle­ich­machung sozialer und indi­vidu­eller Unterschiede
Diese “Gle­ich­be­hand­lung” aller Schülis (gle­ich­er “Stoff” in gle­ich­er Zeit) sieht von den Unter­schieden der­sel­ben vol­lkom­men ab: Ob sich jemand für das The­ma inter­essiert, Nach­hil­fe bekommt oder Eltern hat, die ihm oder ihr die Hausar­beit­en erk­lären oder eben eine “pos­i­tiv” beset­zte Ein­stel­lung zum Ler­nen hat bleibt völ­lig außer acht.
Da die Schü­lerin­nen und Schüler jedoch ver­schiede­nen Moti­va­tio­nen und Ein­stel­lun­gen zum jew­eili­gen “Stoff” sowie eben den Unter­richtsstoff unter­schiedlich schnell begreifen, ist es notwendi­ge Folge ein­er solchen Gle­ich­be­hand­lung, dass sie zum Zeit­punkt der Kon­trolle (Test, Klasse­nar­beit usw.) einen unter­schiedlichen Wis­sen­stand aufweisen. Statt Hil­fe zu leis­ten wer­den fol­gen­schwere “Urteile” gefällt. An dieser Stelle zeigt sich, dass es nicht darum geht, dass alle Schüler den Gegen­stand, der da im Unter­richt erk­lärt wird, begreifen sollen. Son­st würde wohl kaum der Lern­prozess abge­brochen, bevor alle den Stoff begrif­f­en haben.
Daran sieht man, dass Schule nicht ger­ade eine fre­undliche Angele­gen­heit für jeman­den ist, der dort (wirk­lich) etwas ler­nen will. Aber auch die Klausuren bieten keine gerechte Möglichkeit des Wis­sensnach­weis­es: Auf die Schü­lerin­nen und Schüler kommt nun die zusät­zliche Auf­gabe hinzu, das Gel­ernte in bes­timmter Zeit zu repro­duzieren. Sie sind dadurch mit ein­er neuen Unwäg­barkeit kon­fron­tiert; so manch­er und manche näm­lich, der oder die den Stoff halb­wegs durch­drun­gen hat­te, gerät nun unter dem Zeit­druck der Prü­fung sowie dem “Darstel­lungszwang” erneut ins Schleud­ern. Eine weit­ere Fehlerquelle schlägt zu und pro­duziert Unter­schiede in der Benotung. 

Beno­tung ist immer auch Selektion!
Hat der Lehrer oder die Lehrerin ein­mal ein The­ma so aus­führlich erk­lärt, dass alle Schüler es ver­standen haben und unter nor­malen Bedin­gun­gen in der näch­sten Klausur eine 1 schreiben wür­den, so muss der Lehrer/die Lehrerin die Zeit, die für die Klausur ange­set­zt ist, verkürzen bzw. mehr Auf­gaben in der­sel­ben Zeit den Schülern aufs Auge drück­en, so dass wieder nur die flinkesten Schüler alles schaf­fen. So wird sichergestellt, dass über die Gle­ich­be­hand­lung aller auf keinen Fall sich bei allen das­selbe Resul­tat her­ausstellt: Schließlich heißt Chan­cen­gle­ich­heit nicht Resul­tats­gle­ich­heit, son­dern soll vielmehr eine Konkur­renz ins Werk set­zen, die Gewin­ner und Ver­lier­er produziert.
Da Schule mit­tels Noten­ver­gabe ungle­iche Men­schen unter gle­iche Bedin­gun­gen zwingt, wird nicht nur ein Einge­hen auf Unter­schiede unmöglich gemacht, son­dern sog­ar noch vorhan­dene Bevor- und Benachteili­gun­gen weit­er aus­ge­baut. Eben weil die Noten­be­w­er­tung rel­a­tiv ist, wun­dert es zudem wenig, dass sich leis­tungsstarke Schüler_innen aus sozial “besseren” Eltern­häusern (und tat­säch­lich hat die “Leis­tungsstärke” hier nach­weis­lich — auch — mit der “Herkun­ft” und dem angenomme­nen Geschlecht zu tun) am oberen Ende der Noten­skala wieder zu finden. 

Ungerechte Urteile zur Legit­i­ma­tion ein­er ungerecht­en Welt
Dieser sozial-selek­tiv­en Wirkungsmech­a­nis­men wird sich jedoch kaum je ein_e Schüler_in bewusst. Das liegt vor allem daran, dass men­sch dieses Sys­tem fast unmöglich zu durch­schauen ver­mag (und ja auch nicht durch­schauen soll, sorgt es doch für Repro­duk­tion, Legit­i­ma­tion sowie Machter­halt der gesellschaftlichen Eliten), hat es sich doch hin­ter dem Mythos der “Leis­tungs- und Chan­cen­gerechtigkeit” per­fekt getarnt in Deck­ung gebracht.

Die Zeug­nisse bilden somit eine ent­gültige gesellschaftlich anerkan­nte Bew­er­tung der Stärken und Schwächen der Schülers/der Schü­lerin und wer­den somit oft auch in die Selb­st­wahrnehmung aufgenom­men. Er oder sie muss ein­se­hen und sich darin ein­richt­en, dass das Ganze sein­er Nei­gun­gen und Abnei­gun­gen, Stärken und Schwächen nur soviel “wert” ist, wie es sich auch als Note her­aus­gestellt hat. ´Jed­er ist seines Glück­es Schmied´ ist ja ger­ade eine Lehre, die der Schüler nicht nur für sein Schüler­da­sein anwen­den soll und anwen­det, son­dern eine Lehre fürs Leben: Egal, wie schlecht es einen trifft, ist Durch­beißen ange­sagt. Wer länger krank ist oder eben ein­fach keinen Bock auf Arbeit hat, fällt oft durch das Raster der Selek­tion und kommt somit am unteren Ende der Gesellschaft an. 

Stör­fak­tor Lehrer
Unsere Über­legun­gen haben bis jet­zt aber die Per­sön­lichkeit des Lehrers/der Lehrerin ganz außer acht gelassen. Denn es ist natür­lich ganz und gar unmöglich, dass ein_e Lehrer_in alle Schüler_innen gle­ich und gerecht beurteilt. Es spie­len immer ein paar andere Fak­toren bei der Beno­tung eine Rolle. Bin ich dem/der Leher_in sym­pa­thisch oder wieder­spreche ich zu oft? Sog­ar Ausse­hen und Herkun­ft kön­nen eine wichtige Rolle spie­len, denn kaum ein_e Lehrerin wird frei von Vorurteilen (oder gar diskri­m­inieren­den Denkweisen) sein. Sprüche wie: „Na ja von dir hab ich auch nichts anderes erwartet.“ Sind für viele Schüler_innen Alltag.
Und bei einem Lieblingsschüler/einer Lieblingss­chü­lerin drückt der/die Lehrer_in sich­er auch mal ein Auge zu, wenn noch ein Punkt bis zur besseren Note fehlt, schließlich will men­sch ja nie­man­dem die Zukun­ft ver­sauen. Somit sind die Noten nicht der einzige Selek­tions­fak­tor, son­dern der/die Lehrer_in, welche die Beno­tung vorn­immt, ist let­ztlich die Instanz, welche über die Zukun­ft der Schüler_innen entscheidet.

So kann es schon mal vorkom­men, dass men­sch bei einem Lehrerwech­sel plöt­zlich 2 Noten schlechter wird. Tritt diese Ver­schlechterung im let­zten Schul­jahr auf – Pech! Die Uni, Arbeitsstelle
oder Aus­bil­dungsstelle wird das wenig inter­essieren, warum die Note auf dem Zeug­nis die ist, die sie ist. 

Wir kön­nen also sagen, dass Noten nicht nur konkur­ren­zfördernd, selek­tiv und Gle­ich­macherei sind und somit ein Mod­ell verkör­pern, was in der gesamten kap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaft zu find­en ist, son­dern auch völ­lig sub­jek­tive Ein­drücke der Lehren­den widerspiegeln. 

Noten abschaf­fen!

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