Im westlichen Havelland scheint die Welt für die (neo)nazistische NPD zumindest in Bezug auf die Aktionsfähigkeit sowie der inneren Harmonie noch in Ordnung zu sein. Weder das Damoklesschwert der Insolvenz noch die parteiinternen Flügelkämpfe scheinen dem lokalen Apparat so sonderlich zuzusetzen. Sogar die unberechenbaren und oftmals gegenüber der NPD aufmüpfigen so genannten „Freien Kräfte“ sind hier noch freimütig bestrebt diszipliniert ihren “Fron(t)dienst” für die Partei zu leisten.
In Rathenow verteilten so am Samstag, den 14. März 2009, beispielsweise fünf (Neo)nazis, die der im Jahr 2005 verbotenen Kameradschaft „Sturm 27“ bzw. ihrem Umfeld angehörten, flächendeckend das lokale NPD Organ „Havelland Stimme“. Herausragend dabei „Sturm 27“ – Führer Benjamin Kuhirt und sein Kamerad Marian Schneider, der inzwischen seinen Familiennamen seiner Gesinnung angepasst hat und nunmehr Marian Braun heißt.
Entsprechender Inhalt findet sich so auch in der “Havelland Stimme” wieder, in denen im Hintergrund der aktuellen „Finanzkrise“ (gemeint ist hier allerdings nicht die drohende Zahlungsunfähigkeit der NPD) einmal mehr gegen die „allseits propagierte Globalisierung“ und den „Turbokapitalismus“ zu Felde gezogen wird und als Alternative zur Ohnmacht gegenüber dem multinationalen Liberalismus ein „nationales Wirtschaftsmodell“ propagiert wird.
Allerdings wird bei näherem Hinblick auch erkennbar, dass die NPD, bei einer eventuellen Betrauung mit politischer Verantwortung, lediglich versuchen wird den internationalen Kapitalismus zu nationalisieren und nicht etwa grundlegend zu verändern. Klassenkampf und die Enteignung des Privateigentums an Produktionsmitteln hat die Partei nämlich trotz der offensichtlichen Verwendung von marxistischem Vokabular nicht im Sinn, da eine solche Linie mit der von ihr idealisierten Volksgemeinschaft inkompatibel ist.
In diesem Sinne projiziert die NPD hier lediglich die rassistischen Grundgedanken des Parteiprogramms in die Ökonomie, um eine in jeglicher Hinsicht „rassereine“ Volkswirtschaft zu erhalten.
Weitere Exemplare der “Havelland Stimme” wurden bereits am Sonntag, dem 1. März 2009, in der Rathenower Nachbarstadt Premnitz durch Mitglieder der so genannten „Nationalen Sozialisten Premnitz“ verteilt, die ebenso der regionalen NPD hörig sind. Ihre Fügung gegenüber dem lokalen Parteiapparat bietet den noch recht jungen Kameraden, den Anschluss ans bundesweite Milieu sowie Schutz bei heiklen Kampagnen.
Unlängst veröffentlichte so eine Suborganisation der “Nationalen Sozialisten Premnitz” eine so genannte “Anti Antifa Seite”, die mit den hierfür gewählten Titel “Redwatch” bewusst an das britische Vorbild anknüpft um in der Region eine Drohkulisse gegen die Betroffenen zu erzeugen. Hier offenbart sich die eigentliche Intension des lokalen Milieus, jenseits der vorgegaukelten Politikfähigkeit.
Doch nicht nur beim kameradschaftlichen Fußvolk sind solche Tendenzen en vogue. Die parlamentarische Deputation der NPD im havelländischen Kreistag, allen voran der aktuelle Vorsitzende des NPD Stadtverband Rathenow, Dieter Brose, versucht ebenfalls Druck auf die lokalen Antagonisten des regionalen (Neo)nazimilieus auszuüben und durch als “Anfragen” getarnte Verbalaggressionen insbesondere Mitglieder des anti(rechts)extremistischen Aktionsbündnisses “Rathenow zeigt Flagge” einzuschüchtern.
Von konkreten Konzepten gegen die allgegenwärtige Finanzkrise ist jedoch vom “staatlich geprüften Betriebswirt” und “Wirtschaftsberater” Dieter Brose hier weit und breit nichts zu spüren. Im Gegenteil, den permanenten Aggressionen gegen den politischen Gegner schlossen sich bisher nur Attacken gegen die im Landkreis Havelland untergebrachten Flüchtlinge aus dem Trikont an. Ihnen wird jeder Cent an Unterstützung streitig gemacht und ihre Anwesenheit zwischen den Zeilen als parasitär diffamiert. Auch dies ist ein Beispiel dafür, wie die NPD “Antikapitalismus” tatsächlich interpretiert.
Verbrecherischer tritt nur noch der pressrechtlich Verantwortliche der “Havelland Stimme”, Michel Müller, in Erscheinung. Der Vorsitzende des NPD Kreisverband Havel — Nuthe ist so u.a. wegen Beihilfe zum versuchten Mord vorbestraft, weil er und weitere (Neo)nazis in Rathenow pakistanische Flüchtlinge gejagt und im Anschluss halb Tod geprügelt hatten.