(Verfassungsschutz Brandenburg) Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung des NPD-Kreisverbandes Prignitz-Ruppin — sie fand am 16. Januar in Wittstock statt — kam es zu einer Entscheidung. Alle 22 Anwesenden erklärten ihren Austritt aus der Partei. Doch damit nicht genug: Die NPD hat nicht nur einen kompletten Kreisverband verloren, sondern auch ihren Landesvorsitzenden, Mario Schulz, sowie vier weitere Mitglieder des Landesvorstands.
Doch woran haben sich die Gemüter entzündet?
Rassismus versus Nationalismus
Schulz begründet den Massenaustritt mit der Nominierung des gebürtigen Bosniers Safet Babic zum NPD-Kandidaten für die Europa-Wahl. Damit verabschiede sich die NPD von dem Grundsatz “Deutscher ist, wer deutschen Blutes ist”. Die NPD habe ihr Existenzrecht verloren und reihe sich ein bei den Feinden unseres Volkes.
Babic ist in der NPD kein Unbekannter. Er hat einen deutschen Pass und ist seit Jahren aktives Mitglied der Partei. Weltanschaulich versteht er sich als Befreiungsnationalist, eine Strömung, die seit eh und je in der NPD beheimatet ist. Er schreibt regelmäßig für das Parteiorgan “Deutsche Stimme”.
Für bundesweite Furore sorgte Babic, als bekannt wurde, dass er sich als Mitarbeiter undercover in einen von gemäßigten Linken dominierten AStA (Allgemeiner Stundentenausschuss) der Universität Trier eingeschlichen hatte. Sein Versuch, für die Jusos zum StuPa (Studentenparlament) zu kandidieren, flog jedoch auf. Noch einmal erregte er mediales Aufsehen, als es ihm im vergangenen November doch noch gelang, für eine “Freiheitlich Soziale Liste” ins StuPa einzuziehen.
Schulz grenzt sich von einem nationalsozialistischen Standpunkt aus gegen die NPD ab. Er ächtet die Partei aus rassistischen Gründen und wirft ihr deren Verständnis von Nationalismus vor. Für ihn und alle, die mit ihm die NPD verlassen haben, ist und bleibt Babic ein Ausländer. Die Entscheidung, ob dem Nationalismus oder dem Rassismus Priorität einzuräumen ist, wird auch auf andere NPD-Mitglieder zukommen. Ob dies der Anfang einer landes- oder gar bundesweiten Austrittswelle sein wird, bleibt vorerst abzuwarten.
Rechtsextremistische Parteienlandschaft in Brandenburg im Fluss
Schulz ist ein eigenbrödlerischer Aktivist.
Schon in der Vergangenheit hatte er zahlreiche Demonstrationen angemeldet und durchgeführt, nicht für die NPD, sondern im Namen von Organisationen, die nur auf dem Papier standen: “Aktionsgemeinschaft Nordbrandenburg”, “AG rechts hat Vorfahrt”, “Aktionsgemeinschaft der Anständigen”, “Aktionsgemeinschaft für Frieden und Selbstbestimmung” und jüngst “Bund nationaler Sozialisten Brandenburgs”. Ob dies bereits ein Ausdruck seiner Distanz zu der Partei war, die er in Brandenburg anführte?
Schulz und Mathias Wirth werden ihre jüngst bei den Kommunalwahlen für die NPD gewonnenen Mandate im Kreistag bzw. im Stadtparlament von Wittstock nicht aufgeben, sondern wollen einer noch zu gründenden “Bewegung neue Ordnung” (BNO) beitreten.
Neun Monate vor der Brandenburger Landtagswahl ist damit die rechtsextremistische Parteienlandschaft in Bewegung geraten. Die “Deutschen Volksunion” (DVU) ist zwar im Landtag vertreten, doch ihr parlamentarischer Auftritt hat viele ihrer Mitglieder enttäuscht. Zudem haben die Kommunalwahlen im vergangenen Herbst gezeigt, dass die NPD, da wo sie antrat, der DVU den Rang abgelaufen konnte. Es gelang den Nationaldemokraten, fünf Mandate zu erringen. “Die Republikaner” (REP) spielen in Brandenburg schon seit Jahren keine Rolle mehr. Die NPD war die einzige ernstzunehmende Kraft in der rechtsextremistischen Parteienlandschaft Brandenburgs. Kaum dass sie sich von dem gescheiterten Verbotsverfahren erholen konnte, droht ihr nun die Spaltung.
Ob es der BNO gelingen wird, ein eigenes Profil aufzubauen, darf bezweifelt werden, zu eng ist der Spielraum rechts der NPD. Aber sie könnte der NPD und der rechtsextremistischen Parteienlandschaft überhaupt als Spaltpilz gefährlich werden. Womöglich entwickelt sich die BNO zum Sammelbecken enttäuschter NPD-Anhänger und Neonazis aus der Kameradschaftsszene.
Schulz hat der BNO einen Bärendienst erwiesen, indem er die NPD ohne Not zum Volksfeind erklärte, denn damit erschwert er eine künftige Zusammenarbeit und treibt die BNO in die Isolation.