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Nur der Schock bleibt

In der vorigen Woche wurde das Urteil rev­i­diert. Die Guben­er Het­z­jagd gilt nun als »ver­suchte Kör­per­ver­let­zung mit Todes­folge«. von mariel­la schwertmüller
Feix­ende Naziskins blieben ihnen zwar erspart. Doch dafür trafen die Brüder Malik und Kamel Guen­doul auf die Anwälte jen­er Neon­azis, die ihren Brud­er Farid am 13. Feb­ru­ar 1999 in Guben in den Tod het­zten. Als der fün­fte Straf­se­n­at des Bun­des­gericht­shofs am Don­ner­stag der vorigen Woche in Leipzig über die Revi­sion im so genan­nten Guben­er Het­z­jagd-Ver­fahren entsch­ied, ließen die Vertei­di­ger nichts unver­sucht, dem Opfer die Ver­ant­wor­tung für die Tat ihrer Man­dan­ten in die Schuhe zu schieben. 

Auch die Argu­men­ta­tion der Anwälte war stel­len­weise kaum von den recht­sex­tremem Pro­pa­gan­dalü­gen über die Vor­fälle in Guben zu unter­schei­den. So behauptete der Vertei­di­ger des Haupt­täters Alexan­der Bode, sein Man­dant habe lediglich aus »Grup­pen­zwang« und »im Selb­stfind­ung­sprozess« Farid Guen­doul in den Tod gejagt. Und der Neon­azian­walt Wol­fram Nahrath ver­trat die Ansicht, Farid Guen­doul und seine Begleit­er hät­ten sich lediglich ordentlich ver­hal­ten müssen, als die Naziskins auf sie zustürmten, dann wäre ihnen auch nichts passiert. Denn es sei schließlich darum gegan­gen, einen »Schwarzen zu stellen«, sagte Nahrath und betonte, dass er nicht ver­ste­he, warum der Begriff »Neger« vom Gericht miss­bil­ligt wor­den sei. 

Die Strate­gie der Vertei­di­ger nützte nichts. Am Ende der Ver­hand­lung stand ein Schuld­spruch, der dem Revi­sion­santrag der Neben­kläger fol­gte. Sowohl die Fam­i­lie Guen­doul, die als Neben­klägerin auf­trat, als auch die Vertei­di­ger der neun Angeklagten hat­ten gegen das Urteil des Cot­tbusser Landgerichts vom Novem­ber 2000 Revi­sion ein­gelegt. Den Anwältin­nen der Guen­douls, Regi­na Götz und Christi­na Klemm, ging es vor allem darum, den Schuld­spruch der »fahrläs­si­gen Tötung« aus der Welt zu schaf­fen, mit dem das Gericht den Tod des 27jährigen algerischen Asyl­suchen­den qua­si als Unfall klassifizierte. 

Denn »die Angeklagten nah­men den tödlichen Aus­gang der Het­z­jagd bewusst in Kauf«, sagte Götz. »Sie han­del­ten vorsät­zlich.« Deshalb strebten die Anwältin­nen »eine Verurteilung wegen Totschlags oder wegen ver­suchter Kör­per­ver­let­zung mit Todes­folge« an. Den Vertei­di­gern ging es hinge­gen darum, die ohne­hin niedri­gen Strafen noch weit­er zu reduzieren. 

Nach dem Richter­spruch vom Don­ner­stag gilt der Tod von Farid Guen­doul zwar offiziell als »ver­suchte Kör­per­ver­let­zung mit Todes­folge«. Auch stellte das Gericht fest, dass alle neun Angeklagten das gle­iche Maß an Ver­ant­wor­tung trü­gen. Doch das Straf­maß wurde nicht mehr geändert. 

Während der kurzen mündlichen Ver­hand­lung wur­den die Jagdszenen in jen­er Feb­ru­ar­nacht noch ein­mal geschildert. In den frühen Mor­gen­stun­den provozierten Naziskin­heads einen Stre­it mit aus­ländis­chen Besuch­ern ein­er Diskothek. Es kam zu Hand­grei­flichkeit­en, in deren Ver­lauf ein schwarz­er Kubaner erst zu sein­er Vertei­di­gung ein Met­all­stück zück­te und schließlich vor dem Mob floh. Die her­beigerufe­nen Polizeibeamten ließen den Neon­azis bei ihrem Ver­such, den Schwarzen »zu stellen«, freie Hand. Elf Rechte drängten sich in drei Autos und patroul­lierten sys­tem­a­tisch durch die Straßen, auf der Suche nach Opfern. 

Zunächst bekam eine deutsche Frau, die Kon­tak­te zu Migranten unter­hält, den Hass der Neon­azis zu spüren. Dann bemerk­ten die jun­gen Män­ner Farid Guen­doul, der mit zwei anderen Asyl­suchen­den, Issa­ka Kaba und Khaled Ben­sa­ha, unter­wegs war. Einige Ver­fol­ger schnit­ten den drei Asyl­be­wer­bern mit ihren Autos den Fluchtweg ab. Die anderen ver­fol­gten sie zu Fuß. 

Kaba gelang es, in eine Gast­stätte zu flücht­en. Ben­sa­ha und Guen­doul liefen in panis­ch­er Angst davon. Ihre Ver­fol­ger riefen: »Wir haben euch was mit­ge­bracht, Hass, Hass, Hass! Aus­län­der raus!« Es war diese Angst, die Guen­doul dazu trieb, die gläserne Ein­gangstür eines Plat­ten­baus einzutreten. Dabei wurde seine Hauptschla­gad­er ver­let­zt. Nur wenig später verblutete der Algerier im Treppenhaus. 

Gutachter stell­ten fest, dass er wegen der Flucht eine erhöhte Puls­fre­quenz hat­te, die das Blut stärk­er durch die Adern pulsieren ließ. Für den Bun­des­gericht­shof war diese Tat­sache der Grund dafür, eine vorsät­zliche Tat zu erken­nen. Von den Angeklagten sei eine klare Gefahr aus­ge­gan­gen, und die Reak­tion des Opfers sei ver­ständlich. »Dieses Hals-über-Kopf-Ver­hal­ten entspricht dem ele­mentaren Selb­ster­hal­tungstrieb des Men­schen«, so die vor­sitzende Rich­terin Moni­ka Harms. 

Eine neue Ver­hand­lung über die Het­z­jagd von Guben wird es den­noch nicht geben. »Der Sen­at schließt aus, dass heute eine andere Strafe bei einem anderen Richter her­auskäme.« Zur Begrün­dung führte Harms einen »erhe­blichen Zeitablauf« seit der Tat an, der bei Jugendlichen und Her­anwach­senden beson­ders zu beacht­en sei und in der Regel zu ein­er milderen Strafe führe. 

Kein­er der Angeklagten hat bish­er wegen des Todes von Farid Guen­doul in Haft gesessen, zwei Täter erhiel­ten lediglich Arbeitsstun­den als Strafe, andere kamen mit Jugend­strafen auf Bewährung davon. Nur Alexan­der Bode und Stef­fen Hen­ze wur­den unter Ein­beziehung ander­er Delik­te zu Jugend­haft­strafen verurteilt. So ist es kaum ver­wun­der­lich, dass die meis­ten Angeklagten in den let­zten Jahren ihre recht­en Schlägerkar­ri­eren fortsetzten. 

Bode sitzt derzeit wegen Kör­per­ver­let­zung in Unter­suchung­shaft. Er bedro­hte zum zweit­en Mal inner­halb eines Jahres einen Men­schen in Guben mit ein­er Schreckschusspis­tole, gegen ihn wird nun wegen gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung ermit­telt. Er war auch dabei, als Neon­azis aus Guben zum wieder­holten Mal den Gedenkstein für Farid Guen­doul schändeten. 

Malik und Kamel Guen­doul zeigten am Ende des Prozess­es in Leipzig nur Unver­ständ­nis für das Urteil. Sie bericht­en, dass die Eltern der Fam­i­lie seit dem Tod des Sohnes wie gelähmt seien. »Der Schock hört nicht auf«, sagt Malik leise. Auch Farid Guen­douls Begleit­er haben immer noch mit dem Trau­ma jen­er Nacht zu kämpfen. Hinzu kommt die ständi­ge Ungewis­sheit darüber, wie lange der Aufen­thaltssta­tus in Deutsch­land noch gesichert ist. Und das Gefühl, sich nie wieder sich­er auf der Straße bewe­gen zu können.

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