Ostermontag war es bereits in den Medien zu hören und zu lesen: Ein weiterer
rassistischer Übergriff, mitten in Potsdam, ihres Zeichens Landeshauptstadt
brandenburgischer Toleranz. Verübt auf einen Menschen, der den Tätern ganz
offensichtlich nicht in ihr Weltbild passte. Eine harte Verurteilung traf
augenblicklich die Angreifer; fast schien es, als wolle die gesamte Zivilbevölkerung
in den offenen Widerstand gegen jede Form von Ausgrenzung und Alltagsrassismus
gehen, wo immer sie ihn zu erkennen glaubte.
Die Ernüchterung folgte schnell. Nicht nur, dass jede noch so Gewissen reinigende
Empörung einmal mehr erst nach dem eigentlichen Übergriff kam, meldeten die ersten
reflektierten Köpfe Bedenken an: Eine pauschale Verurteilung der Täter dürfe nicht
erfolgen, eine klare rassistische Motivation wäre trotz dementsprechender
Beleidigung des Opfers plötzlich abhanden gekommen — und konnte dem Opfer nicht
sogar ein viel zu hoher Alkoholpegel nachgewiesen werden? Auch tauchte in den Medien
immer wieder der Begriff eines „Deutschen äthiopischer Herkunft“ oder des
„Deutsch-Äthiopiers“ auf, um auch den letzten klar zu machen, dass es sich nicht um
ein „rein“ deutsches Opfer handle. Spätestens hier manifestieren sich der blanke
Hohn und der Schlag ins Gesicht der Opfer.
Den rassistischen Schlägern ist egal, welchen Pass sein Opfer hat, ob es von
deutscher Sozialhilfe lebt oder eine Doktorarbeit schreibt. Und auch die
Gesellschaft unterscheidet höchstens in „gute“ und „schlechte“ AusländerInnen. Und
Menschen mit anderer Hautfarbe bleibt ein Weg in die Gesellschaft verwehrt – sie
erleben tagtäglich Diskriminierung und Abwehr. Und schwarze Deutsche kommen im
Konzept der Medien nicht vor.
Das flugs herbeihalluzinierte „Einzelfall-Phänomen“ macht eines überdeutlich:
Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung haben Tradition, sei es durch seit Jahren
ansteigende Zahlen so genannter Einzelfälle, also gewalttätige Übergriffe durch
Deutsche „deutscher Herkunft“, oder systematische Abschiebung von Flüchtlingen in
ihre jeweilige „Heimat“.
Dabei ist der Rassismus, den die Öffentlichkeit so vehement totzuschweigen oder zu
bestreiten sucht, allgegenwärtig. Die wohl „populärste“ Spielart zeigt sich dabei
eben in jenen Übergriffen auf Nicht(genug)deutsche, die allerdings nur die Spitze
des Eisberges darstellen. Zu den Kreisen der TäterInnen zählen auch bei weitem nicht
mehr nur jene klischeebehafteten kahlköpfigen Personenkreise mit einer Affinität zu
Baseballspielen mit Köpfen fremder Leute. Vielmehr ist der Rassismus ist allen
Gesellschaftsschichten angekommen und damit auch die gewalttätige Umsetzung.
Versuche und immer wieder gern wiederholte Versprechen seitens der Politik den
gewaltsamen Auswüchsen des Rassismus’ effektiv etwas entgegenzusetzen, scheitern
kläglich. [..] Denn Parolen wie „Arbeit zuerst für Deutsche“ oder das altbekannte
Lied von willkommenen „nützlichen Ausländern“ sind längst nicht mehr allein Kreisen
wie NPD oder DVU zuzuordnen, vielmehr sind sie auch bei den „großen“ Parteien wie
der CDU und SPD angekommen. Die Parolen der „etablierten“ PolitikerInnen sind nur
noch Wasser auf die Mühlen der TäterInnen.
Die Außen- und Asylpolitik spricht Bände. Jährlich wird von
Menschenrechtsorganisationen die Zahl der Abschiebungen allein aus Deutschland auf
rund 50000 geschätzt. Die Problematik liegt im gesellschaftliche System begründet,
die systematische Abschiebung und „Abwehr“ von Flüchtlingen setzt sich fort. Wenn
die Zahl der an deutschen Grenzen Umgekommenen sinkt, liegt dies wohl kaum an der
plötzlichen Humanität deutscher Behörden wie der Bundespolizei, sondern wohl eher an
der verbesserten Effizienz der Flüchtlingsbekämpfung an den Grenzen der Festung
Europa. Mit der Politik der “Regionalen Immigrationsnetzwerke” werden “Deutsche
Interessen” auch in Nord-Afrika gesichert.
Innerhalb des kapitalistischen Systems ist eine menschenwürdige Behandlung von
Flüchtlingen offensichtlich nicht möglich. In der Logik von Grenzen, Profiten und
Konkurrenzdenken ist kein Platz für Menschen, die sich dieser Systematik nicht
anpassen können oder wollen. Daher muss der Kampf gegen den Rassismus auch
gleichzeitig der Kampf gegen ein inhumanes System der immerwährenden Ausbeutung und
der weltweiten Logik des Kapitals und der Nationalstaatlichkeit sein. Nur durch die
Überwindung dieser Prinzipien ist eine Alternative zum Kapitalismus denkbar.
Kampf dem Rassismus bedeutet Kampf dem System!
Fight racism – smash capitalism!