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Obdachlosen erst beraubt und dann angezündet

(Tagesspiegel, 16.2.) Frank­furt (Oder) — Der Angeklagte nuschelt monot­on, doch seine Geschichte
ist auch hal­blaut unerträglich. Der 19-jährige Arbeit­slose mit dem
Pfer­de­schwanz und den Pierc­ings im Gesicht legt gle­ich zu Beginn des
Prozess­es am Landgericht Frank­furt (Oder) ein Geständ­nis ab — und belastet
den mitangeklagten Ste­fan K. (23) schw­er. Sie hät­ten bei­de ihre Feuerzeuge
an den schlafend­en Obdachlosen Jür­gen W. gehal­ten, “een­er rechts, eener
links”. Als das Opfer bran­nte, so G., seien sie weg­ger­an­nt. Aus etwa 100
Metern Ent­fer­nung hät­ten sie die Flam­men gese­hen, “so eins­fuf­fzich hoch”.
Der betrunk­ene W. regte sich nicht. Dass er über­lebt hat, ist ein Wunder. 

Staat­san­wältin Anette Bar­gen­da wirft den zwei Män­nern aus der Kifferszene
ver­sucht­en Mord vor. Sie hät­ten in der Nacht zum 16. Juni 2004 im Park der
Kle­in­stadt Beeskow “heimtück­isch, grausam und aus niedri­gen Beweggründen”
Jür­gen W. töten wollen. Die Män­ner hät­ten sich geärg­ert, kein Geld bei dem
wehrlosen W. gefun­den zu haben. Es gibt auch Hin­weise, dass Steven G. den
Obdachlosen für einen min­der­w­er­ti­gen “Pen­ner” hielt. 

Der unter dem Spitz­na­men “Jesus” stadt­bekan­nte Obdachlose erlitt schwerste
Ver­bren­nun­gen am Oberkör­p­er. Wochen­lang schwebte er in Lebens­ge­fahr, nur mit
Not­op­er­a­tio­nen kon­nten ihn die Ärzte ret­ten. Jür­gen W. bleibe allerd­ings, so
Staat­san­wältin Bar­gen­da, dauer­haft entstellt. Die Anklägerin hält G.
außer­dem vor, er habe im März 2004 in Fürsten­walde ohne jeden Grund einen
Mann geschla­gen und ihm ins Gesicht getreten. 

Steven G. gibt alles zu. Den Angriff auf den Obdachlosen schildert er so:
Mit Ste­fan K. durch­suchte er Jür­gen W. nach Geld. Sie fan­den bei dem
schlafend­en Mann aber nur Zigaret­ten, Zigar­ren, einen Schlüs­sel, den
Per­son­alausweis und zwei Flaschen Bier. Ste­fan K. habe dann das Opfer
“angepisst”, sagt Steven G. Der Kumpel soll auch vorgeschla­gen haben, mit
einem lan­gen Schrauben­zieher den Obdachlosen zu erstechen. Dies wollte G.
ange­blich ver­hin­dern. Und er behauptet: Um K. von der Tötung abzubringen,
habe er vorgeschla­gen, Jür­gen W. “ein biss­chen zu ärg­ern” — indem man ihm
die Jacke anzün­det. Steven G. sagt, er sei davon aus­ge­gan­gen, dass der
Obdachlose die bren­nende Jacke schon ausziehen würde, “wenn ihm heiß wird”.
Die ungläu­bi­gen Richter fra­gen mehrmals nach, doch Steven G. bleibt bei
sein­er Version. 

Ste­fan K. bestre­it­et wortre­ich den Mord­ver­such. Ja, er sei mit Steven G. am
Tatort gewe­sen und habe Jür­gen W. das Bier klauen wollen. “Aber dann bin ich
irgend­wann los­ge­laufen, det war mir zu viel”, sagt K. Nach Infor­ma­tio­nen des
Tagesspiegels haben indes mehrere Zeu­gen gegenüber der Polizei aus­ge­sagt, K.
habe vom Anzün­den des Obdachlosen erzählt. 

Jür­gen W. ver­dankt sein Leben auch ein­er jun­gen Frau. Sie riss ihm die
bren­nen­den Reste der Jacke vom Leib. Die Zeu­g­in erlitt Wun­den, sie sind ohne
Nar­ben ver­heilt. Vor Gericht sagt die Frau, am Tatort sei auch Ste­fan K.
aufge­taucht. Er habe sich erkundigt, was passiert ist. Jür­gen W. habe nur
geant­wortet: “Die haben mich angezündet”.

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