(Frank Jansen; Tagesspiegel) Potsdam – Das Gesicht des Angeklagten blieb maskenhaft starr, selbst als der Staatsanwalt eine überaus harte Strafe forderte. Wegen versuchten Mordes, begangen mit dem “glasklaren Motiv” der Fremdenfeindlichkeit, seien neun Jahre Haft schuldangemessen, sagte Ankläger Peter Petersen – doch Oberfeldwebel Torsten Z. blieb reglos, wie fast an jedem Prozesstag. Ob der Staatsanwalt mit seinem Plädoyer zu dem 26-Jährigen durchdrang, blieb ein Rätsel. Torsten Z. saß da, die gefalteten Hände ruhten auf dem Tisch, als sei er im Potsdamer Landgericht ein Zuschauer und müsse sich nicht für einen lebensgefährlichen Angriff auf einen Kenianer verantworten.
Vielleicht war es diese Sturheit, die den Ankläger zu einem hoch engagierten Vortrag trieb. “Die Kette rechter Gewalttaten reißt nicht ab”, sagte Petersen. Er beschwor die Richter: “Wir müssen die Zügel weiter anziehen und noch härter bestrafen”. In der Hoffnung, irgendwann doch Abschreckung zu erreichen.
Für den Mitangeklagten, den 30 Jahre alten Arbeitslosen Andreas R., verlangte der Staatsanwalt nur eine Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren. Es sei R. nur Beleidigung und gefährliche Körperverletzung nachzuweisen. Nach Ansicht Petersens hat R. trotz dumpfer Ausländerfeindlichkeit weder gewusst noch gewollt, was sein Bekannter aus der Bundeswehr in der Nacht zum 18. Juli 2004 “als Exzess veranstaltet hat”.
Vor der Diskothek “Piephahn” in Brandenburg/Havel hatten die beiden Angeklagten, wie berichtet, zwei Kenianer mit fremdenfeindlichen Sprüchen belästigt. Die Afrikaner zogen sich zu einer Bushaltestelle zurück. Dort versetzte zunächst Andreas R. dem Asylbewerber Oscar M. einen wuchtigen Hieb ins Gesicht. R. verfolgte dann den anderen Kenianer, doch dieser konnte ihn besänftigen. Unterdessen zerschlug Z. eine Bierflasche und rammte Oscar M. eine größere Scherbe in den Hals. Die Schlagader wurde nur um Millimeter verfehlt. Zwei junge Frauen griffen ein. Eine hielt Torsten Z. fest, redete auf ihn ein und verhinderte offenbar, dass der Oberfeldwebel den stark blutenden Kenianer erneut angriff.
Die Verteidigerin von Z. wertet den Verzicht auf eine weitere Attacke als “freiwilligen Rücktritt” von einem versuchten Mord. Deshalb sei ihr Mandant ausschließlich wegen gefährlicher Körperverletzung zu verurteilen, sagte Anwältin Doreen Weißel der Strafkammer. Die Verteidigerin empfahl den Richtern sogar, sie sollten über eine Bewährungsstrafe nachdenken. Am kommenden Dienstag will die Kammer das Urteil verkünden. Frank Jansen
Ausländerfeindlichkeit als Motiv
Im Prozess gegen Oberfeldwebel fordert Staatsanwalt neun Jahre Gefängnis
(PNN) Potsdam – Thorsten Z. wirkt unbeteiligt, als der Staatsanwalt das Geschehen in der Tatnacht zum 18. Juli rekonstruiert. Mit starrem Blick und ohne sichtbare Regung sitzt der angeklagte Oberfeldwebel aus Brandenburg da, die Hände auf dem Tisch verschränkt. Ähnlich teilnahmslos hat der an den drei vorherigen Prozesstagen (PNN berichteten) dagesessen. Keine Reaktion, auch nicht, als der Staatsanwalt Peter Petersen für Thorsten Z. wegen versuchten Mordes an dem Kenianer Oscar M. aus “glasklar” fremdenfeindlichem Motiv neun Jahre Freiheitsentzug fordert. Eine für die Anklage hoch angesetzte Strafe. Nur die leicht hochgezogenen Augenbrauen des 26-jährigen Zeitsoldaten verraten eine gewisse Anspannung.
Der Staatsanwalt sieht die Tat in einer Kette von rechtsextremen Gewaltdelikten im Land, die immer zahlreicher werden. Dem muss der Staat so weit wie möglich den Riegel vorschieben, die gesetzlichen Zügel müssen angezogen und solche Taten härter bestraft werden, fordert der Ankläger.
Für den Mitangeklagten 30-jährigen Maurer Andreas R. beantragt Petersen wegen Beleidigung und schwerer Körperverletzung ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung. 100 Stunden soll er gemeinnützige Arbeit leisten. “Andreas R. hat keinen Hehl aus seiner rechten Einstellung gemacht”, sagt der Staatsanwalt. Er hat dem Gericht berichtet, was er von Ausländern hält, dass sie oft besser gekleidet sind, sich mit Geld vom Staat mehr leisten können, als er. Andreas R. war geständig, hat zugegeben, dass er den aus der Disko “Piephahn” in Brandenburg kommenden Oscar M. und seinen kenianischen Begleiter mit “Schlampe”, “du stinkst” und “Geh nach Hause in dein Land” beschimpft hat. Er ist den beiden Schwarzen gefolgt und hat Oscar M. mit solcher Kraft eine Ohrfeige versetzt, dass der Kenianer zu Boden ging.
Anders Thorsten Z. Vom ersten Prozesstag an gibt er vor, sich nicht an die Tat zu erinnern. Am zweiten Verhandlungstag brachte seine Anwältin sogar einen Unbekannten Dritten ins Spiel, der sich angeblich unter Brandenburgern damit gebrüstet haben sollte, dem Kenianer die tiefe Wunde zugefügt zu haben. In der gestrigen Verteidigungsrede der Anwältin ist davon allerdings keine Rede mehr. Vielmehr räumt sie nun den Tatvorwurf, der ihrem Mandanten gemacht wird, ein. Niedrige Beweggründe aber sieht sie in der Tat nicht, eine rechtsextreme Einstellung könne ihrem Mandanten nicht nachgewiesen werden.
Am Dienstag spricht der Richter das Urteil.